Die Importe von Spirituosen insgesamt gingen 2014 in der Schweiz um 5 Prozent auf 84 892 Hektoliter reinen Alkohols zurück, dies nach vielen Jahren ständigen Anstieges. Die Einfuhren speziell von Whisky im Umfang von 18 222 Hektolitern lagen allerdings praktisch auf Vorjahresniveau. Whisky konnte damit seinen Spitzenplatz als beliebteste Spirituose der Schweiz weiter ausbauen. Ein entsprechend positives Fazit ziehen die Händler, Importeure und Verkäufer. «Whisky liegt weiterhin im Trend», sagt Ramon Gander, Mediensprecher von Coop.
Insgesamt gingen bei der Detailhandelskette über 1 Million Flaschen über den Ladentisch. Wenn man vom auf rund 4,3 Millionen Liter Whisky hochgerechneten Gesamtkonsum ausgeht, dürfte der Marktanteil von Coop bei leicht über 20 Prozent liegen.
«Das Geschäft mit Whisky ist sehr bedeutend»
Als «hervorragend» bezeichnet die Umsätze mit Whisky im Jahr 2014 auch Denner-Sprecher Thomas Kaderli. Er will aber keine genauen Zahlen nennen. Branchenkenner schätzen, dass Denner einen ähnlich hohen Marktanteil aufweist wie Coop. Dank Sortimentserweiterungen habe man die Whisky-Kompetenz und die Position in diesem Marktsegment im vergangenen Jahr weiter ausbauen können, lässt Kaderli durchblicken.
Etwas zurückhaltender tönt es bei Manor. Kommunikationschef Alexandre Barras spricht für 2014 von einer «leicht positiven Entwicklung», allerdings auf hohem Niveau. «Das Geschäft mit Whisky ist für Manor sehr bedeutend», schiebt er nach. Alle Detailhändler, die zusammen für mehr als die Hälfte des Whisky-Absatzes in der Schweiz verantwortlich sein dürften, gehen von einer in Zukunft weiterhin steigenden Nachfrage aus. Diese Zuversicht stützen die Zahlen des laufenden Jahres, die auf einen klaren Aufwärtstrend hindeuten.
Für Neueinsteiger wird es schwieriger
Weniger eindeutig als bei den Detailhändlern präsentiert sich die Situation bei den auf Whisky spezialisierten Fachhändlern. Es gibt sowohl positive als auch eher skeptische Stimmen. Peter Siegenthaler, Geschäftsführer von Cadenhead's Whisky & more in Baden, erklärt: «2014 war das bisher beste Jahr, und das laufende wird noch besser.» Sein Erfolgsrezept sind edle Tropfen von Cadenhead, dem ältesten unabhängigen Abfüller Schottlands. Dieser verfügt über umfangreiche Lagerbestände von sehr alten Whiskys, auch von längst geschlossenen Distillerien. Als Generalimporteur dieses exklusiven Abfüllers beliefert Siegenthaler über den eigenen Shop hinaus den Fachhandel und die Gastronomie. Daneben führt er auch Whisky-Exoten wie etwa Single Malts aus Tasmanien im Sortiment.
Gut laufen die Geschäfte auch beim House of Single Malts in Mörschwil SG. Dieses verzeichnete 2014 ein Wachstum von rund 17 Prozent. In diesem Jahr erwartet Geschäftsführer Ivan Vollmeier (siehe Interview rechts) wiederum mindestens ein zweistelliges Plus. Der Erfolg basiert in diesem Fall auf zwei Verkaufskanälen: Im Laden setzt Vollmeier vor allem auf Spezialitäten von unabhängigen Abfüllern, im Internet sind überwiegend sogenannte Originalabfüllungen gefragt.
Die Preise laufen aus dem Ruder
Mit einer gewissen Skepsis beurteilt Martin Monnier, Mitorganisator der alljährlichen Whisky-Messe auf dem Whisky-Schiff in Zürich und Geschäftsführer der Monnier Trading, Studen BE, die Situation. Zwar zeigten die Zahlen weiterhin leicht nach oben, aber es werde zusehends schwieriger, auf dem Markt zu bestehen, lässt er verlauten. Sorgen bereiten ihm einerseits die Preise.
«Ältere Abfüllungen sind mittlerweile vielen Kunden einfach zu teuer geworden», so Monnier. Anderseits zeichne sich auf dem Schweizer Markt, auf dem in den letzten Jahren Einzelfachhändler fast schon wie Pilze aus dem Boden geschossen sind, allmählich eine Sättigung ab. «Die Konkurrenzsituation ist gross, es ist nicht einfach, neu anzufangen», betont er. Monnier ist mit seiner Einschätzung längst nicht allein. Dennoch überwiegt in der Branche der Optimismus. Der Whisky-Boom, so der Tenor, dürfte sich in den nächsten Jahren fortsetzen.
Aus dem ewigen Eis des Jungfraujochs
Tatsächlich ist Whisky inzwischen etlichen Kreisen viel mehr als einfach eine Spirituose. «Das Getränk steht für Tradition, Authentizität und immer mehr auch für Regionalität», betont Ramon Gander. Der «ursprüngliche Schotte» hat längst auf der ganzen Welt Wurzeln geschlagen, so auch in der Schweiz. Ein Zeichen dafür ist, dass im Mai dieses Jahres im Appenzellischen ein Whisky-Trek eröffnet worden ist, der durch das Alpsteingebiet führt. Entlang der Wanderroute warten 27 Berggasthäuser mit eigenen Whisky-Sorten auf. Initiiert wurde dieser Erlebnispfad von der Brauerei Locher, die seit 1999 den Säntis Malt brennt. Die Appenzeller Brauerei ist der Pionier unter den Schweizer Whisky-Produzenten, von denen es mittlerweile über zwei Dutzend gibt.
Vor allem traditionsreiche Obstbrenner, zum Beispiel Etter in Zug, Humbel in Stetten AG, Z'graggen in Lauerz SZ oder Stadelmann in Altbüron LU, haben das schottische Getränk ebenfalls entdeckt. Die eher bescheidenen Mengen, die sie produzieren, versuchen sie mittels Originalität wettzumachen. So lagert Etter seinen Johnett in Munitionsdepots der Baarer Höllgrotten. Die Bierbrauerei Rugen aus Interlaken lässt ihren Swiss Highland Single Malt gar auf dem Jungfraujoch im ewigen Eis auf 3454 Metern über Meer ausreifen (siehe auch Seite 87).
Japaner testen in der Schwerelosigkeit
Noch höher treiben es mit dem Whisky neuerdings die Japaner. Sie sorgten in diesem Jahr für Schlagzeilen. Nicht genug damit, dass Whisky-Papst Jim Murray den Yamazaki Single Malt Sherry Cask 2013 der Destillerie Suntory 2013 zum besten Whisky der Welt gekrönt hatte (siehe Seite 86). Zusammen mit fünf weiteren, unterschiedlich lang gereiften Whisky-Proben schoss die Herstellerfirma ein paar Fläschchen des prämierten Whiskys am 16. August 2015 in den Weltraum. Nun kann der Tropfen dort in der Raumstation ISS ein Jahr lang in völliger Schwerlosigkeit weiterreifen.
Ein Werbegag? Mitnichten! Vielmehr will das Suntory-Forschungsteam die These testen, dass der Geschmack der Spirituosen milder wird, je geringer die Temperaturschwankungen während der Lagerung sind und je weniger die Flüssigkeit dabei in Bewegung gerät. Der schwerelose Weltraum sei dafür das ideale Labor, glauben die Japaner. Im nächsten Sommer werden erste Whisky-Proben aus dem Weltall zurückgeholt und analysiert. Whisky-Liebhaber, die sich nun bereits auf Weltalltropfen freuen, müssen sich allerdings gedulden. Die Rarität aus der Raumstation ist vorerst unverkäuflich.
Die Lieblingstropfen und -geschmäcker
Klar ist, dass die Japaner mit ihrem fast schon spirituellen Weltraumabenteuer einmal mehr den Schotten die Show gestohlen haben. Zur Stimmungsaufheiterung der Highlander wird es jedenfalls kaum beitragen, zumal sie 2014 deutlich weniger Whisky ausführen konnten als im Vorjahr. Der Wert der Exporte fiel um 7 Prozent auf umgerechnet rund 6,5 Milliarden Franken. Die Prognosen fürs laufende Jahre sind laut schottischem Whisky-Verband jedoch wieder deutlich besser.
Für die wahren Whisky-Kenner sind Zahlen und Einschätzungen zur Marktentwicklung sowieso bloss Nebensache. Viel lieber diskutieren sie über ihre Lieblingstropfen und das damit verbundene Geschmackserlebnis. Mengenmässig sind die auf Massengeschmack getrimmten Blends wie Ballantines, Black & White oder Johnnie Walker, also Verschnitte aus verschiedenen Destillaten, zwar mit einem Anteil von annähernd 60 Prozent das weitaus wichtigste Segment in der Schweiz. Doch wertmässig sind die Single Malts fast so bedeutend - und sie legen Jahr um Jahr zweistellig zu. Ebenfalls überdurchschnittliches Wachstum verzeichnen die Bourbons, die in der Premium-Version mehr sind als bloss eine Cocktail-Zugabe. Zweifellos lässt sich ein Jack Daniel's Gentleman Jack auch pur geniessen.
NAS oder doch besser Single Malts?
Kräftig aufgemischt wird die Whisky-Szene in den letzten Jahren durch den Trend, auf die Angabe des Reifealters zu verzichten. «Damit bekommen jüngere, frechere und wildere Malts eine Chance», sagt Gander. Mit diesen No-Age-Statement-Tropfen oder NAS hat sich die Auswahl an Whiskys in den letzten Jahren tatsächlich enorm vergrössert. «Aufregende Aromen werden kreiert, die die Standardlösungen immer mehr in den Hintergrund drängen», so Gander.
Diese Meinung dürften Sammler kaum teilen. Sie können dem NAS-Trend kaum Positives abgewinnen. Wer mit ihnen wirklich ernsthaft über Whisky reden will, landet unweigerlich bei den Single Malts. Da lässt sich dann endlos fachsimpeln und diskutieren, sowohl über Klassiker wie Glenfiddich, Islay, Lagavulin oder Talisker als auch über Raritäten wie einen im Rumfass gereiften Glengogyne, einen 20-jährigen Ardbeg oder einen 30-jährigen Glenglassaugh.
Während die seltenen älteren Tropfen schnell einmal 150 Franken und mehr kosten, sind bekömmliche 10-jährige Single Malts in der 70-Zentiliter-Flasche, zum Beispiel von Aberlour, im Detailhandel ab 35 Franken erhältlich. Whisky ist also auch in der Single-Malt-Kategorie nicht ausschliesslich ein Prestige- und Luxusprodukt, sondern ein durchaus erschwinglicher Tropfen für Geniesser.