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Schweizer Manager haben in den letzten Jahren die Fähigkeit entwickelt, für Quartals- und Jahresergebnisse die Zahlen zu erzwingen, die Investoren von ihnen erwarten. Hauptsache, das Management steht gut da – wie das Resultat genau zu Stande gekommen ist, denkt man dabei oft, spiele am Ende ja keine Rolle.
Oder doch? Überhastete Personalentlassungen führen zu einem Vertrauens- und Beziehungsverlust bei Kunden sowie Mitarbeitern. Das Aufpolieren der Finanzkennzahlen ersetzt die Strategiearbeit. Und regelmässige Rabatte führen zu einem Margen- und mittelfristig zu einem Imagezerfall.
Solchen Mechanismen geht die Beobachtung des Markenwerts einer Unternehmung nach. Das Resultat ergänzt das BILANZ-Top-100-Ranking mit einer längerfristigen Perspektive. Die Marke steuert laut mehreren Studien je nach Branche zwischen 20 (Industriegüter) und über 60 Prozent (Konsumgüter) zum Unternehmenswert bei. Für viele Unternehmen ist die Marke die einzige Möglichkeit, sich von der Konkurrenz zu unterscheiden. Ebenso eignet sich die Marke hervorragend, um Unternehmensvision wie -strategie zu kommunizieren. Viele erfolgreiche CEOs setzen deshalb die Marke bewusst als Führungsinstrument ein.
Wie das Top-100-Ranking zeigt, wird in Schweizer Unternehmen die Markenführung oft stiefmütterlich behandelt.
Einerseits fehlt in den Führungsetagen mitunter das Know-how über Markenstrategien. Andererseits fällt es Entscheidungsträgern schwer, auf Grund so genannt «weicher» Faktoren Entscheidungen zu treffen, die oft im Konflikt mit den «harten» Finanzzahlen stehen. Die systematische Messung des Markenwerts bietet einen Ausweg aus diesem Dilemma. Um die Entwicklung von Marken in einzelnen Ländern und Branchen vergleichbar zu machen, haben sich wenige standardisierte Markenstudien durchgesetzt.
Der Brand-Asset-Valuator von Advico Young & Rubicam, auf dem das BILANZ-Ranking basiert, ist weltweit die bedeutendste Markenstudie und erfasst mehr als 16 000 Brands in über 40 Ländern. In der Schweiz werden Image-, Bekanntheits- und Gebrauchsdaten der 1000 stärksten Marken erfasst und branchenübergreifend verglichen. Mittels einer Datenbank kann nicht nur die Entwicklung einer Marke im Konkurrenzvergleich beurteilt werden. Sondern es können auch branchenübergreifende Trends analysiert werden.
Für das BILANZ-Ranking wurde die Entwicklung der Marken zwischen 2000 und 2003 analysiert. In der Regel wurde die Markenentwicklung aus der Perspektive des Heimmarkts Schweiz betrachtet. Wo notwendig, etwa bei den Pharma-Brands, wurde zudem die Wahrnehmung in den jeweiligen wichtigsten internationalen Absatzmärkten mitberücksichtigt. Stark gewichtet wurde auch das Zukunftspotenzial der Marke.
Aus den historischen Daten der Brand-Asset-Valuator-Datenbank lassen sich Schlüsse ziehen, welche Faktoren eine Marke künftig erfolgreich machen. Im Vordergrund steht hier die Markendifferenzierung. Darunter versteht man, wie eigenständig und einmalig eine Marke im Vergleich zu ihrer Konkurrenz wahrgenommen wird. Sehr stark differenzierte Marken in der Schweiz sind etwa Ovomaltine, Toblerone oder Migros. Differenzierung ergibt gepaart mit Relevanz die Markenvitalität.
Viele der Gewinner im Ranking sind erfolgreiche mittelgrosse Business-to-Business-Unternehmen in einem Nischenmarkt. Deren Kundenkreis ist häufig klein und spezialisiert. Ihre Marken sind der Öffentlichkeit oft kein Begriff, weshalb für diese Unternehmen auch keine Daten zur Verfügung standen. Das bedeutet aber nicht, dass diese Nischenplayer in ihrem spezifischen Segment nicht über starke Marken verfügen.
Vom Auf und Ab des Markenwertes
Viele Marken werden zu wenig gepflegt: Analysen einiger Top-100-Firmen.
Credit Suisse Group: Anschluss verpasst
Aus Sicht der Schweizer Bevölkerung befindet sich die Marke im freien Fall. Noch 2000 galt Credit Suisse als innovativer und sympathischer als zum Beispiel die träge und durch die Schatten des Zweiten Weltkriegs stark belastete UBS. Seither hat sich das Blatt deutlich gewendet: Die Credit Suisse hat im Vergleich mit den Schweizer Mitbewerbern massiv an Ausstrahlungskraft und Markenvitalität eingebüsst und verfügt heute über kein eigenständiges Profil mehr. Zum Markenzerfall beigetragen haben wohl einerseits die massiven Umstrukturierungen und diversen Skandale, in welche die Credit Suisse verwickelt war.
Andererseits hat die Bank die gestiegene Bedeutung der Markenführung für den Geschäftserfolg zu spät erkannt.
UBS: einheitlicher und vitaler
Während fast alle grösseren Finanzinstitute einen starken Rückgang an Markenwert verzeichneten, musste die UBS nur einen kleinen Rückgang hinnehmen, der weitgehend mit dem gesunkenen Gesamtinteresse der Konsumenten am Finanzsektor zu erklären ist. Im Gegensatz zu ihren Konkurrenten, die in erster Linie mit sich selbst beschäftigt waren, hat die UBS mit viel Aufwand und Geschick eine aktive Markenstrategie verfolgt. Als bedeutender Schritt wurde die Einheitsmarke UBS eingeführt, was zu einem einheitlicheren Markenbild beiträgt, das sich jedoch noch nicht besonders stark von den Konkurrenten unterscheidet. Antizyklisch wurde mit der «Alinghi»-Kampagne und der Hypothekaroffensive starkes Gewicht auf die Kommunikation gelegt. Mit dem Resultat, dass die Schweizer Konsumenten UBS heute ganz klar als Leader wahrnehmen.
Kantonalbanken: vertrauensvoll
Wie der gesamte Finanzdienstleistungsbereich haben auch die Kantonalbanken zwischen 2000 und 2003 deutlich an Markenwert verloren. Trotz der Diskussion um die teilweise Privatisierung der Kantonalbanken verfügen diese nach wie vor über grosses Vertrauen und hohe Wertschätzung in der Schweizer Bevölkerung. Auffallend ist, dass sich die Kantonalbanken in der Wahrnehmung immer stärker den Grossbanken UBS und Credit Suisse annähern. Die Markendifferenzierung ist seit 2000 bei den Kantonalbanken drastisch zurückgegangen. Dabei waren gerade jene Bankinstitute in den letzten Jahren überdurchschnittlich erfolgreich, die sich als Alternativen zu den Grossbanken positioniert haben, wie etwa Raiffeisen oder die Migrosbank.
Bank Julius Bär: Profil verloren
Julius Bär hat zwischen 2000 und 2003 deutlich an Markenwert verloren – nicht nur aus Perspektive der Schweizer Gesamtbevölkerung, sondern besonders auch aus derjenigen von Führungskräften. Damit setzt sich ein negativer Trend fort, der sich bereits 1998 abzuzeichnen begann. Julius Bär verliert in allen wichtigen Dimensionen wie Differenzierung, Relevanz, Wertschätzung, aber auch Bekanntheit deutlich an Stärke – was im Branchenvergleich eher atypisch ist. Auffallend ist insbesondere, dass Julius Bär kaum mehr ein eigenständiges Markenprofil aufweist. So hat das Image der Bank stark an Dynamik eingebüsst und wird kaum mehr als ein führendes Finanzinstitut wahrgenommen, wie das noch 2000 der Fall war.
Zurich Financial Services: unklar
Die «Zürich» gehört bezüglich Markenentwicklung zu den Verlierern. Im Vergleich zur Konkurrenz hat sich nur die «Winterthur» noch schlechter entwickelt. Das Hauptproblem besteht darin, dass die Marke nicht klar positioniert ist. Für die meisten Schweizer ist die «Zürich» einfach eine Versicherung wie jede andere auch, ohne besondere Eigenschaften und Stärken. Einzig in der Bekanntheit konnte das Unternehmen 2003 leicht zulegen, was nicht zuletzt auf die Medienpräsenz zurückzuführen ist. Die schlechte Markenwahrnehmung könnte zum Hemmschuh für den geplanten Höhenflug des neu strukturierten Unternehmens werden: Um nach dem Abschied von den Allfinanz-Träumen wieder im traditionellen Versicherungsgeschäft wachsen zu können, ist die «Zürich» auf eine starke Marke angewiesen.
Swisscom: leicht schwächer
Swisscom ist klarer Führer im Schweizer Telekom-Markt, was sich in der Markenwahrnehmung niederschlägt: Im Gegensatz zu den Konkurrenten Sunrise, Orange und Tele 2 ist Swisscom eine Powermarke. Doch die starke Stellung in den Köpfen der Schweizer Konsumenten beginnt zu bröckeln. So hat die Marke seit 2000 deutlich an Differenzierung zur Konkurrenz verloren: Zum ersten Mal seit der Marktliberalisierung attestieren die Schweizer Konsumenten der Konkurrentin Orange ein aussergewöhnlicheres Markenprofil als der Ex-Monopolistin. Sunrise andererseits wird als kundenfreundlichster Anbieter wahrgenommen. Hinsichtlich Wertschätzung und Bekanntheit bleibt Swisscom unangefochten die Nummer eins.
Novartis: weniger innovativ
Novartis hat in den letzten Jahren in der Schweiz an Markenstärke verloren. Zwar geniesst der Basler Pharmagigant weiterhin eine sehr grosse Bekanntheit und viel Vertrauen, doch im wichtigen Bereich Markenvitalität hat Novartis deutlich verloren. Novartis wird heute als nicht mehr so innovativ beurteilt wie noch im Jahr 2000. Eine ähnliche Entwicklung ist im US-amerikanischen Markt zu beobachten, zumal Novartis bezüglich Markenstärke weit hinter den Konkurrenten Merck und Pfizer hinterherhinkt und auch als schwächer als Roche wahrgenommen wird. Die grosse Herausforderung für Novartis besteht darin, wieder ein innovativeres Markenimage zu erlangen.