Der Breitling-Hauptsitz in Grenchen, ein Montagmorgen. Bentley-Chef Adrian Hallmark ist mit dem Auto gekommen, er verbringt die Wochenenden meist in seinem Ferienhaus in der Nähe von Genf.
Breitling-Chef Georges Kern nimmt immer den Zug von Zürich, schon bei der Hinfahrt diskutiert er mit seinen Mitstreitern über die Marke, die er vor knapp zwei Jahren gemeinsam mit dem Finanzinvestor CVC übernommen hat. Sein Ziel: Breitling soll nicht mehr vor allem als Fliegeruhr wahrgenommen werden. Die Kooperation mit Bentley passt da perfekt.
Es gibt viele Kooperationen zwischen Uhren- und Automarken: Hublot mit Ferrari, Zenith mit Range Rover, IWC mit Mercedes. Was macht die Arbeit zwischen Breitling und Bentley so speziell?
Georges Kern: Wir haben seit 16 Jahren eine Partnerschaft, die Adrian Hallmark initialisierthat, obwohl er noch gar nicht CEO war. Das ist die längste Beziehung zwischen einem Autohersteller und einem Luxusuhrenproduzenten in der Geschichte.
Herr Hallmark, warum haben Sie damals Breitling gewählt?
Adrian Hallmark: Im Jahr 2002, damals war ich Managing Director von Bentley, waren wir ein defizitärer Autohersteller, der nur 800 Modelle pro Jahr produzierte und vom VW-Konzern übernommen worden war. Es war ein Turnaround-Fall. Also besannen wir uns auf unsere alten Stärken. Wir wollten zurück nach Le Mans, um Bentley zu seinen Wurzeln zurückzuführen – in den zwanziger und dreissiger Jahren fuhren wir dort erfolgreich Rennen. Der starke Mann damals bei VW war Ferdinand Piëch. Er hatte Bentley gekauft und wollte die Marke wieder profitabel machen. Wir hatten noch keinen Continental GT, aber wirwussten: Wir wollten zurück in den Rennsport. Und wir wussten, dass Piëch Breitling liebte – er trug immer eine an seinem Handgelenk. Wir zeichneten einen Prototyp, mit Breitling als Werbepartner, dazu De-Beers-Diamanten, dann noch Aufkleber von Castrol und Dunlop – die hatten wir in den dreissiger Jahren.
Und was sagte Herr Piëch?
Adrian Halllmark: Wir seien eine arme Firma mit reichen Kunden, das könnten wir uns gar nicht leisten – und er verliess den Raum. Aber er hatte eben nicht Nein gesagt, und so machten wir einfach weiter. Ich traf dann den damaligen Breitling-Patron Teddy Schneider. Es dauerte ein Jahr, das damalige Management von der Idee zu überzeugen. Die Krönung des Comebacks war, dass Bentley am Schluss des Rennens Rang 1 und 2 belegte. Als erstes Modell kreierten wir die 24-Stunden-Le-Mans-Uhr. Tausend Modelle waren eine Woche nach der Ankündigung ausverkauft. Piëch sagte auch später niemals Ja, aber eben auch niemals Nein. Das Eis war gebrochen, als wir ihm eine blaue 24-Stunden-Le-Mans-Uhr überreichten. Er liebte sie.
Doch das ist lange her. Zuletzt hatte man das Gefühl, dass die Beziehung etwas eingeschlafen war.
Adrian Hallmark: Das mag sein. Ich kam letztes Jahr als CEO zu Bentley zurück und hatte in der Tat das Gefühl, dass der Enthusiasmus nicht mehr ganz so stark war. Das wollte ich sehr schnell ändern.
Herr Kern, wie stand es mit der Kooperation, als Sie im Sommer 2017 als neuer Chef bei Breitling antraten?
Georges Kern: Die Kooperation war schon beim Kaufprozess von Breitling ein Thema. Zu diesem Zeitpunkt war bereits bekannt, dass unser Vertrag auslief, und offensichtlich standen Interessenten Schlange bei Bentley. Als ich dann bei Breitling anfing, kümmerten wir uns relativ rasch um die Revitalisierung der Partnerschaft.
Warum passt Bentley so gut zu Breitling?
Georges Kern: Wir haben unglaublich viele Gemeinsamkeiten. Und wie Bentley sind auch wir für unsere Neuausrichtung stark in die Geschichte zurückgegangen: In die dreissiger, vierziger und fünfziger Jahre. Mit unserer Premier Bentley Centenary Limited Edition honorieren wir die Gründung von Bentley vor hundert Jahren. Bentley ist eine sehr moderne Marke mit starker historischer DNA, und das passt bestens zu uns. Bislang führten wir Bentley-Uhren unter dem Sub-Brand «Breitling for Bentley». Das haben wir geändert und lancieren nun neue Modelle innerhalb unserer verschiedenen Produktlinien. Bentley-Uhren werden somit zum integrierten Teil unseres Produkt-Portfolios. Dies erlaubt uns, einzigartige Geschichten zu erzählen und gleichzeitig wichtige Gemeinsamkeiten wie Historie, Eleganz und Rennsport zu thematisieren.
Adrian Hallmark: Die neue Richtung bei Breitling von Design und Eleganz ist genau das, was wirwollen. Vor Georges’ Amtsantritt waren die Modelle vor allem «big and bold», sehr maskulin. Das passte zur Zeit. Heute ist das Angebot vielfältiger. Wir sind endlich da, wo wir zu Beginn der Kooperation sein wollten. Breitling ist eben nicht nur die Navitimer, sondern viel mehr.
Gab es schon früher eine Verbindung zwischen Unternehmensgründer Willy Breitling und Bentley?
Georges Kern: Willy Breitling fuhr Bentley; zeitlebens. Im Zweiten Weltkrieg stellte Breitling Uhren und Bordinstrumente für Flugzeuge her, vor allem für die britische Royal Air Force. Willy Breitling lud diese Uhren und Bordinstrumente in seinen Bentley und fuhr in den Jura, wo die britischen Maschinen landeten. Nach der Übergabe fuhr er weiter nach Neuchâtel, wo er – um jeglichen Verdacht von sich zu lenken und sich ein Alibi zu verschaffen – ganz offensichtlich die Nacht durchzechte. Er war ein «Bentley Boy».
Nützt dieses Image Breitling in Grossbritannien?
Georges Kern: Für uns ist Grossbritannien ein sehr starker und wichtiger Markt. Die Leute assoziieren Breitling mit Bentley, aber die Geschichte ist nur den wenigsten bekannt. Das wollen wir jetzt ändern.
Wird Breitling in England vor allem als Fliegeruhr wahrgenommen?
Adrian Hallmark: Primär wohl schon, aber unsere Kooperation trägt dazu bei, die gesamte Palette zu zeigen.
Georges Kern: Breitling ist und bleibt führend im Bereich der Fliegeruhren. Aber Breitling war auch in der Vergangenheit immer in den wichtigen Bereichen präsent, wo präzise Zeitmessung eine Rolle spielt. Das dokumentieren auch Anzeigen aus der Vergangenheit, speziell aus den sechziger Jahren mit dem Motto: «Breitling Time: in the Air, on the Land, under the Sea.» Wir lassen nun sozusagen die Historie wieder neu aufleben.
Wie stark ist der Einfluss von Bentley auf die Modelle?
Adrian Hallmark: Die Designer treffen sich, aber die finale Entscheidung liegt bei Breitling.
Und die Bezahlung?
Georges Kern: Es ist eine sehr enge Zusammenarbeit in den Bereichen Design, Marketing und Verkauf. Uns geht es bei der Kooperation um die Freude an den Produkten und den damit verbundenen Träumen. Die Premier Bentley British Racing Green etwa ist einer unserer Bestseller, denn sie steht für grosse britische Renngeschichte.
Die Apple Watch hat dagegen keine Geschichte...
Georges Kern: All die Smartwatches haben ihre Berechtigung. Aber eine Coca-Cola ist eben etwas anderes als ein Château Lafite. Es wäre genauso unsinnig, einen Bentley mit einem Tata Nano zu vergleichen wie die Schweizer Luxusuhren mit Smartwatches. Oder kennen Sie jemanden, der Smartwatches sammelt? Jeder Produzent hat seine Stärken. Doch als Apple Highend-Watches produzierte, war es ein Flop.
Adrian Hallmark: Wir laden regelmässig unsere wichtigsten Kunden zu Abendessen ein. Vor kurzem waren wir in Peking, wir hatten 50 Teilnehmer, nur vier waren über 50 Jahre alt, der Grossteil unter 40, die Hälfte weiblich. Ich sass neben einer Frau von Mitte 30, die eine Kette für Kinderbekleidung gegründet hat. Wie die anderen Teilnehmer beschrieb sie die Markenwerte von Bentley, als ob sie sie selbst geschrieben hätte. Sie wissen genau, wie viel Handarbeit in unseren Modellen steckt. Sie sammelt auch Handtaschen. Sie hatte unseren Bentayga gesehen, war mit der Hand über die Sitze gefahren und hatte gesagt: Meine Taschen sind nirgends so gut verarbeitet wie dieser Sitz. Aber dieses Auto kostet nur zehn Handtaschen.
Und dann?
Adrian Hallmark: Sie fragte mich: Wie können Sie das so billig herstellen? Ich antwortete: Vielleicht sollten Sie einmal die Handtaschenhersteller fragen, warum sie so viel verlangen. Unsere Kunden verstehen, dass Menschen und nicht Maschinen diese wundervollen Objekte herstellen, und das mit grosser Leidenschaft und grossen handwerklichen Fertigkeiten. Und das ist bei Luxusuhren genauso.
Herr Kern, fahren Sie einen Bentley?
Georges Kern: Breitling ist im Besitz eines Bentleys, den wir für Kunden nutzen.
Und privat?
Georges Kern: Noch nicht.
Adrian Hallmark: Wir arbeiten daran.
Der langjährige IWC-Chef Georges Kern (54) übernahm im Sommer 2017 nach einem kurzen Abstecher in die Konzernleitung des Luxusgüterkonzerns Richemont die Führung der Uhrenmarke Breitling, die von dem Finanzinvestor CVC kontrolliert wird.
Adrian Hallmark (56) war um die Jahrtausendwende bereits Mitglied der Bentley-Konzernleitung und fädelte als Vertriebschef die Zusammenarbeit mit Breitling ein. Er war US- und Asienchef bei Volkswagen und zuletzt Strategiechef bei Jaguar Land Rover, bevor er im Februar 2018 den Chefposten von Bentley übernahm. 4000 Mitarbeiter im nordenglischen Crewe stellen vier Modelllinien her, die bekanntesten sind der Continental und der Bentayga.