Eines Tages wird irgendjemand die Geschichte der sonderbaren Beziehung zwischen den Bürgern der Vereinigten Staaten von Amerika und ihrem Staat schreiben», schreibt Michael Lewis – und genau das tut er höchstpersönlich in seinem neusten Werk «Erhöhtes Risiko». Der Bestsellerautor behandelt nicht ein Reisserthema wie in einigen seiner früheren Werke – zum Beispiel «Liar’s Poker», «Moneyball» oder «The Big Short», die allesamt verfilmt und auch auf Zelluloid zu Kassenschlagern wurden –, sondern es geht vielmehr um eine Gefahr, die bei vielen gar nicht auf dem Radar auftaucht: der nicht funktionierende Staatsapparat. Lewis zeigt das am Beispiel der US-Verwaltung unter Donald Trump.
Jeder Präsident der USA hat die Pflicht, die Staatsgeschäfte seinem Nachfolger ordentlich zu übergeben. Was aber, wenn dieser sich gar nicht dafür interessiert? Obama liess aufwendige Übergabebriefings erarbeiten und Meetings mit dem Übergangsteam seines Nachfolgers aufsetzen. Die Trump-Leute erschienen aber nicht.
Es schien niemanden zu interessieren, wie die einzelnen Ministerien funktionierten, was ansteht oder wie die Prozesse ablaufen. Trump sah die Verwaltung als lästiges Übel und reinen Kostenverursacher. Lewis zitiert ihn im Gespräch mit dem Chef seines Übergabeteams, das er widerwillig und nur unter Druck von aussen auf die Beine gestellt hatte, mit den Worten: «Wir beide sind doch so schlau, wir gehen einfach zwei Stunden früher von der Siegesfeier nach Hause und machen den Übergang allein.»
Viele Leitungsposten unbesetzt
Inzwischen ist mehr als die Hälfte von Trumps Amtszeit vergangen, und viele der 4000 politischen Leitungsposten in der Verwaltung sind immer noch nicht besetzt, ebenso wenig wie viele untergeordnete Positionen. Kein Wunder, dass der Staatsapparat so, gemäss einem Protagonisten des Buches, zur fünften Gefahr wird. Die ersten vier Gefahren sieht dieser Protagonist in den Themen Nuklearwaffen, Nordkorea, Iran und Infrastruktur. Und gleich danach kommt die Gefahr, dass die Verwaltung nicht imstande ist, das, was von ihr verlangt wird, zum richtigen Zeitpunkt zu erbringen. Das können Warnungen vor Tornados sein, Impfungen für Kinder, Gesundheitsversorgung, Bildungsvermittlung und, und, und.
Uns Schweizern wird bei dieser Lektüre wieder einmal bewusst, wie hoch unsere Versorgungssicherheit durch die Verwaltung eigentlich ist, weil sie entpolitisiert arbeitet, mit dem Öffentlichkeitsgesetz zu Transparenz verpflichtet und strukturell auf Kontinuität ausgerichtet ist. Und nicht nur wegen dieser Erkenntnis ist das Buch lesenswert – Lewis führt uns auch auf unterhaltsame Art durch diesen auf den ersten Blick trocken anmutenden Stoff. Er entfaltet in einem munter dahinplätschernden Plauderstil anhand von vielen Storys ein Bild der heutigen Administration Trump, dass einem angst und bange wird.
Kein Katastrophenbuch
Und trotzdem ist es kein Katastrophenbuch, sondern vielmehr eine leichte, eher kurze und unterhaltsame Lektüre im Flugzeug oder auf einer längeren Zugfahrt. Lewis’ süffige Art zu schreiben und sein Gespür für Dramaturgie werden auch dieses Buch zum Bestseller machen. Die Filmrechte zumindest wurden schon verkauft, und zwar an Michelle und Barack Obama. Time for revenge?
*Daniel Küng ist CEO von Switzerland Global Enterprise.