Die Ankündigung war ein städtebaulicher Paukenschlag: Santiago Calatrava soll für den Versicherungskonzern Axa Winterthur ein Bürogebäude beim Bahnhof Stadelhofen im Zentrum von Zürich errichten. Calatrava, der soeben die teuerste U-Bahn-Station der Welt am Ground Zero eröffnen konnte und der von den Scheichs in Dubai dazu auserkoren wurde, das höchste Haus der Welt zu errichten, baut wieder an seinem Wohnort Zürich.
Für den gehypten Stararchitekten ist es eine Rückkehr zu seinen Wurzeln. Schon vor seinem internationalen Durchbruch hat der spanisch-schweizerische Doppelbürger mehrere Projekte in der Schweiz verwirklicht (siehe Bildergalerie). Und mit dem Neubau des Bahnhofs Stadelhofen konnte sich Calatrava 1990 ein erstes architektonisches Denkmal setzen. Direkt daneben soll ab 2018 der Axa-Bau entstehen.
«10-Millionen-Veloständer»
«Als Architekt des Neubaus Bahnhof Stadelhofen ermöglicht Santiago Calatrava die architektonische Einheit von Bahnhof und Haus zum Falken», schreibt die Stadt Zürich. Dass das originale Haus zum Falken dafür abgerissen werden muss, bleibt indes nicht ohne Kritik. Immerhin handelt es sich dabei um eines der ältesten Gebäude der Umgebung und stammt womöglich aus dem 18. Jahrhundert. Bis vor einem Jahr war es sogar im Inventar der schützenswerten Bauten.
Doch dies ist nicht der einzige Kritikpunkt. Im Untergrund ist eine Velostation mit 1000 Abstellplätzen geplant. Diese soll die Stadt rund 10 Millionen Franken kosten. Einige Politiker finden das zu viel. Ein SVP-Stadtpolitiker bezeichnete die Kosten als «exorbitant». Und der Blick betitelte das Projekt als «10-Millionen-Veloständer». Bis zum tatsächlichen Baustart ist deshalb noch mit einigen Diskussionen zu rechnen.
Kritik in St. Gallen
Die Kritik am Architekten ist nicht neu. In St. Gallen, wo Calatrava mehrere Bauten realisieren konnte, werden den organisch-futuristischen Werken bauliche Mängel angekreidet. Trotz Kosten von 1 Million Franken soll beispielsweise das Bushäuschen auf dem Marktplatz nur ungenügend vor Wind, Regen und Schnee schützen, wie ein Gastautor im Kulturmagazin «Saiten» bemängelt.
Weltweit entwarf Calatrava zahlreiche Bahnhöfe, Brücken und Hochhäuser. Seine bombastischen Bauten sind von der Gothik und der Natur inspiriert – und haben ihm den Ruf eingebracht, die Grenzen des technisch Möglichen bis zum Äussersten zu strapazieren.
Kostenüberschreitungen und Baumängel
Immer wieder sorgten Calatravas Werke jedoch auch für Skandale. Im Internet gibt es einen eigenen Blog, in dem die massiven Kostenüberschreitungen angeprangert werden. Die erwähnte U-Bahn-Station am Ground Zero ist mit 4 Milliarden Dollar der teuerste Bahnhof, der weltweit errichtet wurde. Ursprünglich war man von 2 Milliarden Dollar ausgegangen. Selbst das 541 Meter hohe One World Trade Center direkt daneben war billiger. Wegen der Probleme sei er in den USA «wie ein Hund behandelt worden», beklagte sich Calatrava im «Wall Street Journal».
Im Juni erlitt der Stararchitekt zudem eine empfindliche Niederlage in Spanien. Wegen Mängeln am Kongresspalast der nordspanischen Stadt Oviedo wurde er vom Obersten Gericht in Madrid zur Zahlung eines Schadenersatzes von 2,96 Millionen Euro verurteilt. Gewisse Architekten fragen sich inzwischen, ob die konstruktiven Details bei Calatrava womöglich gar nicht richtig durchgeplant sind.
Niemals banal
Aller Kritik zum Trotz ist klar: Calatravas Bauten sind niemals banal. Viele seiner Werke haben sich zu Touristenmagneten entwickelt. Genau deshalb finden sich immer wieder Kunden, die ihrer Stadt mit Hilfe des Architekten etwas mehr Glanz verleihen wollen. Die Frage ist nur, welche Nachteile man dafür in Kauf nehmen will.