Einer der reichsten Männer der Welt macht sich eigentlich nicht viel aus Geld: Trotz eines Milliarden-Vermögens steuert Carlos Slim sein Auto gerne selbst durch den halsbrecherischen Verkehr seiner Heimatstadt Mexiko-Stadt, wohnt in einem bescheidenen 6-Zimmer-Haus in der Nähe seines Büros und hat nicht einmal einen Computer auf seinem Schreibtisch. Zu seinen Leidenschaften zählen Baseball, Rodin-Skulpturen und Zigarren aus Kuba. Doch hinter dem Bild des geerdeten Familienunternehmers verbirgt sich ein knallharter Stratege, der auf dem mexikanischen Telefonmarkt seit Jahrzehnten die Preise hoch hält und mit den Einnahmen aus seinen zahlreichen Geschäften die weltweite Expansion finanziert. Nach erfolgreicher Eroberung der Mobilfunkmärkte von Mexiko bis Feuerland will er nun in Europa Fuss zu fassen.

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Dabei zeigt der 74-jährige Ausdauer. Nachdem der vor zwei Jahren gestartete Übernahmevorstoss beim niederländischen Telefonbetreiber KPN floppte, versucht Slim sein Glück nun beim österreichischen Ex-Monopolisten Telekom Austria. Zusammen mit der österreichischen Staatsholding ÖIAG will er künftig die Geschicke des Unternehmens bestimmen - addiert halten die beiden Partner gut 55 Prozent der Titel. Allerdings müssen die ÖIAG-Kontrolleure dem Schulterschluss noch zustimmen.

Schnäppchenjäger und Monopolist

Leisten kann sich Slim die Europa-Einkaufstour locker. Vier Jahre lang in Folge rangierte er an der Spitze der «Forbes»-Milliardärs-Liste, bis ihn Microsoft-Gründer Bill Gates 2013 ablöste. Als nun zweitreichster Mann der Welt muss er aber nicht darben - sein Vermögen wird auf 70 Milliarden Dollar geschätzt. Zum Vergleich: So viel ist die Deutsche Telekom an der Börse wert.

Trotzdem eilt ihm der Ruf des Schnäppchenjägers voraus. In der Presse wurde er schon als «Meister des Schlussverkaufs», als «Mister Monopoly» tituliert - nicht unbedingt schmeichelhafte, aber treffende Namen. «Er hat nie für irgendetwas zu viel gezahlt», sagt sein Freund und Historiker Hector Aguilar Camin.

In die Wiege gelegt war ihm der Erfolg nicht. 1940 als fünftes von sechs Kindern einer libanesischen Auswandererfamilie geboren, half er schon früh im Handelsunternehmen seines Vater aus und entdeckte dort seine Liebe zu Zahlen und Bilanzen. Später startet Slim eine Karriere als Börsenhändler, doch das blosse Kaufen und Verkaufen von Wertpapieren interessierte ihn nicht - er wollte die Firmen leiten. Nachdem Slim in den sechziger und siebziger Jahren mehrere Firmen sanierte und dabei ein Vermögen anhäufte, landete er vor 30 Jahren seinen ersten Coup: Mexiko rutschte wegen des Ölpreisverfalls damals in die Krise, die Regierung verstaatlichte daraufhin Banken, weshalb Investoren fluchtartig das Land verfliessen. Slim kaufte zum Spottpreis eine Firma nach der anderen - die Unternehmen, darunter der grösste Versicherer des Landes - waren wenige Jahr später im Aufschwung ein Vielfaches wert. Der zweite Glücksgriff gelang ihm Anfang der Neunziger, als Mexiko sich von vielen Staatsunternehmen trennte, darunter dem Telefon-Monopolisten Telmex. Der durfte auch nach der Privatisierung jahrelang als einziger Anbieter landesweit Orts-, Fern- und Handygespräche anbieten. Wettbewerber hatten kaum eine Chance. Erst Jahre später schuf die Regierung die erste Regulierungsbehörde.

Mexiko leidet bis heute unter Slims Machtfülle

Die Folgen spürt das Land bis heute: Telmex kontrolliert noch 80 Prozent des Festnetzmarkts in Mexiko, und der dortige Slim-Mobilfunkableger Telcel kommt auf 70 Prozent Marktanteil. Das sind Werte, von denen andere Ex-Monopolisten nur träumen können. Nach Berechnungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zählen die Preise für Telefongespräche in Mexiko zu den höchsten unter allen Mitgliedsländern: Der Volkswirtschaft gingen zwischen 2005 und 2009 jährlich 129 Milliarden Dollar oder 1,8 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) verloren. Slims Telefon-Holding America Movil bestreitet die Vorwürfe. Die hohen Gewinne aus dem Heimatmarkt nutzte Slim, um in so gut wie jedem Land Lateinamerikas eigene Ableger zu gründen - häufig unter der Marke «Claro». Mit mittlerweile 260 Millionen Nutzern ist sein Konzern der grösste Handynetz-Betreiber in Mittel- und Südamerika. Die Hälfte des Betriebsgewinns erzielt America Movil aber weiterhin in Mexiko.

Slims Machtfülle wurde auch der mexikanischen Politik zuviel. Die Regierung brachte neue Gesetze und eine härtere Regulierung auf den Weg, um Slim und andere Quasi-Monopolisten in die Schranken zu weisen. Die America-Movil-Titel stehen seitdem unter Druck. Nach Ansicht von Analysten ist das einer der Gründe, warum der Telekom-Krösus den Sprung nach Europa wagte.

(Reuters/gku)