Man könnte es für ein Luxusproblem halten. «Aber in der zweiten Generation zu sammeln, ist tatsächlich eine besondere Herausforderung», sagt Carolin Scharpff-Striebich. Erst wenn man den Aufwand überschaut, Hunderte von Kunstwerken zwischen diversen Institutionen zu jonglieren, ahnt man, was sich noch hinter dem Wort «Sammlerfamilie» verbergen könnte. Vor allem, wenn die erste Generation als Gesprächspartner ausfällt.
Denn wie bei jeder Nachfolge, so muss auch die Geschichtsschreibung dieser Familiensammlung mit der ersten Generation begonnen werden. Das waren Rudolf und Ute Scharpff, die seit den 1960er Jahren eine der bedeutendsten deutschen Sammlungen zeitgenössischer Kunst zusammengetragen haben – viele Werke sind dem breiteren Publikum durch museale Ausstellungen grösserer Werkgruppen bekannt. In ihren verschiedenen Existenzformen, denn die Eltern Scharpff haben breit gesammelt, schreckten vor Wandel nicht zurück und trennten sich selten, aber regelmässig auch wieder von Werken, über die die Zeit hinweggegangen war.
Mit Übernahme der Leitung der Familiensammlung galt es andere Fragen zu klären: «Welche Positionen passen zur Sammlung, wie sammelt man weiter, wer entscheidet?» Und Carolin Scharpff-Striebich fragte sich dazu, wie sie durch ihre Entscheidung den eigenen Weg finden konnte.
«Wir haben alle Irrungen, Wirrungen, Umwege und Holzwege beschritten»
Dabei hat sie, anders als viele andere Sammelnde, keinen Erweckungsmoment erlebt, der sie zur Kunst brachte. «Bei mir war Kunst vom ersten Tag meines Lebens an da, ob ich sie wollte oder nicht», verweist die Sammlerin auf die familiären Strukturen, «es war immer ein Mitmachen, ein Miterleben – manchmal, als wir noch Kinder waren, unter Zwang.» So war sie keineswegs kunst(geschichts)versessen, sondern studierte Betriebswirtschaft in Deutschland, den USA und in Frankreich.
Mit ihrem dort erworbenen MBA startete sie eine betriebswirtschaftliche Karriere, die sie in Marketingpositionen in der pharmazeutischen Industrie führte und in einen langjährigen Lehrauftrag in Karlsruhe mündete. Im Jahr 2004 baten sie die Eltern, die mittlerweile sehr umfangreiche Familiensammlung zu betreuen.
Marktmoden werden von Krisengewinnern bestimmt, und das werden post Corona wohl Technologieunternehmer sein, die oft eine Vorliebe für zeitgenössische Kunst haben. Diese Sammelszene hat sich endgültig globalisiert und kauft parallel die Produktion diverser Kulturen und Regionen.
Dank dem ist die junge Kunst im Begriff, die «Bugwelle der Spekulation» zu verlieren, was den Umschlag von Primär- zu Sekundärmarktwerken verlangsamen und den Preispunkt des Eintritts junger Œuvres auf den Sekundärmarkt wieder nach unten verschieben wird. Das grössere Bewusstsein für diese Zusammenhänge ist ein Grund, warum ganz junge Kunst aus der Krise eher gestärkt hervorging: Wenn die spekulative Schicht abgeschmolzen ist, wird der Geschmack der kaufkräftigsten Gruppe für die Kunst der Jahrtausendwende die Messen und Auktionen prägen.
Historisch womöglich die Auktion Ende 2020 in Hongkong, als ein marktfrisches Werk von Dana Schutz denselben Preis erlöste wie eine Leinwand von Andy Warhol: Red Chip versus Blue Chip Art lautet die Zukunft