Gebannt verfolgen wir die Desaster, die das Finanzsystem seit längerem heimsuchen. Währenddessen vollzieht sich in der Wirtschaft ein leiser Wandel, der unsere Zukunft wesentlich mehr prägen könnte.

Denn eine neue Generation tritt in die Arbeitswelt ein: die «Millennials», geboren nach 1980. Diese jungen Frauen und Männer sind die Ersten in der Geschichte, die mit digitalen Technologien gross geworden sind. Ein Leben ohne Handy und Internet ist ihnen völlig unbekannt. Deshalb werden sie auch «Digital Natives» genannt.

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Allein in Europa treten bis in zehn Jahren volle 51 Millionen Digital Natives in den Arbeitsprozess ein, während 48 Millionen Babyboomer beziehungsweise «Digital Immigrants» in Rente gehen. Während Letztere auf Kreativität, Selbstverwirklichung, Protest und Befreiung setzten, ist die Millenniums-Generation pragmatischer und effizienter – und sie ist vernetzt.

Forscher errechneten, dass ein durchschnittlicher 21-Jähriger in unseren Breitengraden in seinem Leben schon Hunderttausende von E-Mail-Botschaften formuliert und versendet, während 10  000 Stunden das Handy am Ohr gehabt und während 5000 Stunden Videogames gespielt hat. Zudem hat er nicht weniger als 3500 Stunden in digitalen Netzwerken wie Facebook oder Twitter verbracht. Untersuchungen zeigen, dass dies nicht ohne Auswirkung auf den Lebens- und Arbeitsstil bleibt. Ständig online zu sein und sich mehreren Beschäftigungen gleichzeitig zu widmen, ist eine typische Verhaltensweise der Millennials. Junge Talente dieser Generation erwarten von ihren Arbeitgebern deshalb nicht nur beste IT-Ausrüstungen und flache Hierarchien, sondern auch flexible Arbeitszeiten und das Angebot stimulierender Weiterbildung.

Millennials sind eine Chance für die Wirtschaft: Wohl sind sie ungeduldiger und schreiben weniger korrekt, als wir es uns wünschen und als wir es kennen. Dafür sind sie jedoch in der Lage, Teams und Netzwerke zu nutzen und sich permanent und schnell auf neue Menschen, Umgebungen sowie neue Technik einzustellen.

Das Leben im virtuellen Raum hat allerdings auch Schattenseiten. Millennials haben grössere Mühe, sich mit Haut und Haar auf eine Aufgabe einzulassen, die real und mühsam ist. Die Digital Natives müssen also darauf achten, dass das Netz der Netze für sie nicht zum Nirwana ihres Lebens wird. Und dafür brauchen sie vor allem eines: Bildung im Netz.

Die Chance des Generationenwechsels können wir nur dann nutzen, wenn sich allen voran unsere Volksschule auf diese neuen Verhältnisse einstellt. Wir brauchen nicht mehr darüber zu diskutieren, ob Computer in die Schulen gehören. Wir müssen jetzt Schulen in die Computernetze integrieren, denn die Millennials haben längst entschieden, wo für sie die Schule stattfindet. Klar, steht da die Entwicklung von besserer Lernsoftware zuoberst auf der bildungspolitischen Wunschliste.

Das ist aber nur die Spitze des Eisbergs. Um dem «Homo zappiens» das Lernen überhaupt zu ermöglichen, fordern die niederländischen Lernforscher Wim Veen und Ben Vrakking zu Recht viel grundlegendere Reformen. Diese sollen flexiblere Zeitstrukturen, themenübergreifende Lernpfade, Tutorensysteme, individuellere Curricula, aber auch besser standardisierte Examen bringen. Die Digitalisierung des Lernens bedeutet somit nicht ein Verschwinden der Lehrpersonen, sondern vielmehr deren Stärkung. Ohne Vertrauen, Passion und Beziehung läuft auch bei den Millennials nichts. Denn Lernen ist mehr als Surfen – aber Surfen kann zum Lernen motivieren wie kaum eine andere Tätigkeit im Zeitalter der Digital Natives.

Carolina Müller-Möhl, Politologin, ist Präsidentin der Müller-Möhl Group und Verwaltungsrätin von Nestlé S.A. sowie der Orascom Development Holding. Sie ist Stiftungsratsmitglied des Stiftungsforum, Co-Präsidentin des Forums Bildung und Mitglied der Young Global Leaders.