Geht es um technische Innovationen im Fahrzeugbau, ist oft ein Sportwagen im Spiel. So auch beim Allrad-antrieb: Als erstes Auto mit permanenter Kraftübertragung auf alle vier Räder gilt der holländische Spyker 60/80 HP, der am Pariser Salon im Dezember 1903 vorgestellt wurde. Angetrieben von einem 8,7 Liter grossen Reihensechszylinder, bot der Renner auf überwiegend geschotterten Strassen mehr Traktion als die heckgetriebene Konkurrenz und damit den gewünschten Geschwindigkeitsvorteil. 1905 setzte auch Robert E. Twyford aus Pittsburgh/Pennsylvania seine bereits 1898 patentierte Erfindung eines mechanischen Allradantriebs in die Praxis um. Allerdings erwiesen sich diese frühen 4×4-Konstruktionen als recht anfällig. 

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1908 liess Otto Zachow aus Clintonville/Wisconsin einen lenkbaren Vorderradantrieb patentieren, den er zusammen mit seinem Schwager William Besserdich für einen selbst konstruierten Geländewagen konzipiert hatte. 1911 erschien eine weiterentwickelte Version unter der Firmenbezeichnung FWD (Four-Wheel Drive). 1912 präsentierte das Unternehmen einen ersten 4×4-Lastwagen, der bei der Armee auf starkes Interesse stiess. Dieser Frontlenker sei deshalb erwähnt, weil er zwischen 1914 und 1928 in beachtlichen Stückzahlen entstand – Quellen sprechen von mehr als 40 000 Einheiten – und damit das erste in Grossserie produzierte Allradfahrzeug gewesen sein soll.

1923 bauten die Amerikaner ein experimentelles Ford-T-Modell mit Allradantrieb und riesigen Ballonreifen, dessen Offroad-Fähigkeiten einigermassen befriedigend waren. Allerdings blieben Leistung und Zuladung weit hinter den Erwartungen zurück.

Zu den grössten Herausforderungen aller Vierradkonstrukteure zählte, das Verspannen des Antriebsstrangs auf festem Untergrund zu verhindern. Ähnlich wie die inneren und äusseren Räder legen auch die Vorder- und die Hinter-räder in Kurven einen unterschiedlich langen Weg zurück. Es ist deshalb notwendig, den Kraftschluss beider Achsen voneinander zu trennen, um Beschädigungen zu vermeiden und den Verschleiss auf ein Minimum zu reduzieren. Als klassische und einfachste Lösung gilt der zuschaltbare Vorderradantrieb, mit dem auch das erste in Serie hergestellte Geländeauto ausgestattet worden sein soll: Es hiess Black Medal Scout Car und erschien 1935 beim japanischen Hersteller Kurogane. Es besass einen vorne liegenden V-Zwei-Zylinder-Motorradmotor, Einzelradaufhängungen sowie ein Stoffverdeck und konnte fünf Personen be-fördern. Die meisten der 4800 bis 1940 produzierten Exemplare wurden vom Militär eingesetzt.

Zwei Motoren. Mit allradtechnisch unkonventionellen Lösungen wartete der ebenfalls 1935 vom Hamburger Nutzfahrzeughersteller Tempo vorgestellte G 1200 auf. Er hatte zwei 600 ccm grosse, 19 PS starke Zweitaktmotoren mit angeflanschten Getrieben, die jeweils Vorder- und Hinterräder antrieben, am tragenden Zentralrohrrahmen befestigt waren und die Möglichkeit boten, entweder mit Front-, Heck- oder Allradantrieb zu fahren. -Ausserdem verhalf eine (an der Hinterachse abschaltbare) Allradlenkung dem G 1200 zu einem Wendekreis von nur sieben Metern. Zwischen 1936 und 1944 entstanden 1335 Exemplare. 

Vom 1938 vorgestellten Volkswagen gab es ebenfalls einige Allradvarianten. Aus-ser den vierradgetriebenen Schwimmwagen-Typen 128 und 166 erschien 1941 ein hoch gelegter, auf grob-stolligen Reifen stehender Kommandeurswagen, der Typ 87. Als Motor diente der 1,1-Liter--Boxer mit 25 PS, dessen Kraft auf beide Achsen – jeweils mit Sperrdifferenzial – übertragen werden konnte, wobei sich der Vorderradantrieb über einen Geländegang zuschalten liess. Zusammen mit anderen VW-Allradderivaten entstanden bis 1945 ungefähr 600 Einheiten. Nach dem Krieg baute Volkswagen noch zwei weitere 87er im Auftrag der britischen Besatzungsmacht.

Auf der Liste früher Geländewagen darf ein Meilenstein der Allradtechnik nicht fehlen: das Universalmotorgerät Unimog. Bereits während des Krieges war es vom deutschen Flugzeugkons-trukteur Albert Friedrich im Auftrag der Gold- und Silberwarenfabrik Erhard & Söhne in Schwäbisch Gmünd entwickelt worden. 1946 entstand ein erster Prototyp, der 1948 präsentiert wurde. Angetrieben wurde die Serienversion von einem Mercedes-Vierzylinder-Diesel mit 25 PS, über dem sich eine enge zweisitzige Kabine befand. Dank kurzem Radstand, hoher Bodenfreiheit, einem Sechsganggetriebe mit zwei Rückwärtsgängen samt zweistufigem Untersetzungsgetriebe und zuschaltbarem Allradantrieb mit Differenzialsperren vorne und hinten übertraf die Geländegängigkeit alles bisher Dagewesene. Mehrere Geräteanschluss- und -aufbaumöglichkeiten sowie die beachtliche Nutzlast von einer Tonne machten den Unimog zu einem Alleskönner. 

Die Impulse für die Geländewagen-Evolution kamen also aus der ganzen Welt – der Allradantrieb ist keineswegs eine Erfindung der Amerikaner, wie oft behauptet wird. Aber sie haben dessen Entwicklung am konsequentesten vorangetrieben. Gemeinsame Anstrengungen gipfelten schliesslich im 1941 lancierten Jeep. Initiiert wurde er als Folge einer Ausschreibung des amerikanischen Generalstabs, der ein Allzweckfahrzeug mit Vierradantrieb forderte. Im Juli 1940 wurden entsprechende Konstruktionsvorgaben an 135 potenzielle Hersteller geschickt. Obwohl sich viele Adressaten für den lukrativen Auftrag interessierten, schaffte es nur die American Bantam Car Company aus Butler/Pennsylvania, fristgerecht einen Prototyp abzuliefern. Dieser von Chefkonstrukteur Karl Probst entwickelte und Reconnaissance Command HP 40 genannte Wagen begeisterte die Militärs, weshalb sich zwei weitere Unternehmen, Willys-Overland aus Toledo/Ohio und Ford in Detroit, konstruktiv am Bantam-Entwurf orientierten. Weil Bantam nicht in der Lage war, die geforderte Stückzahl schnell und günstig zu produzieren, verlangte der Generalstab von Ford und Willys, sich für eines ihrer Modelle zu entscheiden und es gemeinsam herzustellen. Die Wahl fiel auf Willys, die bei Ford montierten Exemplare unterschieden sich nur in wenigen optischen Details von den Modellen aus Ohio. Zwischen 1941 und 1945 entstanden 650 000 Exemplare. Nie wieder wurde diese Menge in so kurzer Zeit erreicht.

Die offene Stahlkarosserie des nun Jeep genannten Fahrzeugs – GP steht für General Purpose und wird «Dschie–Pie» ausgesprochen – ruhte auf einem -robusten Leiterrahmen und blattgefederten Starrachsen. Für die Kraftübertragung sorgten ein Dreigang-, Verteiler- und zusätzliches Reduktionsgetriebe; der Vorderradantrieb war zuschaltbar. Unter der Haube befand sich ein 2,2--Liter-Reihenvierzylinder mit 61 PS, der vom früheren Willys-Modell Whippet stammte und den Jeep auf knapp 100 km/h beschleunigte. Dank zuverlässiger Technik und dem Einsatz der Alliierten Streitkräfte wurde der Jeep weltbekannt und diente vielen späteren Entwicklungen als Vorbild, zum Beispiel dem ab 1948 -gebauten Land Rover.

Vom 4x4 zum SUV. Die neuzeitlichen Geländewagen werden inzwischen meist Sport Utility Vehicles (SUV) genannt, was auf ihren Allzweck-Charakter hinweisen soll. Tatsächlich sorgen eine erhöhte Sitzposition, viel Platz und Variabilität für eine wachsende Verbreitung. Ein offenbar verzichtbares Merkmal weisen diese Autos jedoch immer seltener auf: den Allradantrieb.