Eigentlich wollte er schweigen. «Dr. Cleven lässt mitteilen, dass er persönlich keinerlei Auskünfte zu diesem Verfahren macht und für Medienanfragen nicht zur Verfügung steht», liess die Zuger Anwaltskanzlei GHM am 4. Juli im Auftrag ihres Mandanten Hans-Dieter Cleven verbreiten. Wenige Tage zuvor hatte das Zuger Kantonsgericht die Rechtmässigkeit von Clevens 41-Millionen-Franken-Forderung gegenüber dem einstigen Tennisstar Boris Becker bestätigt, den Antrag auf sofortige Rückzahlung aber abgewiesen.
Doch dann war die Versuchung wohl zu gross. Einmal auf die Titelseite der «Bild», der grössten Boulevard-Zeitung Europas: Da konnte der Ex-Finanzchef des deutschen Handelskonzerns Metro offenbar nicht widerstehen. «Millionen-Gläubiger packt aus: Boris verpfändete auch das Haus seiner Mutter!», titelte die Zeitung am 19. Juli und dominierte die Online- Kanäle.
Wohl ganz nach dem Gusto des Wahlschweizers aus Hünenberg ZG, der sich als Lehrling bei Metro-Gründer Otto Beisheim hochgedient hatte und nicht gerade als uneitel gilt: Den Ehrendoktortitel der Universität Stuttgart führt der Nichtakademiker mit grossem Stolz – das «h. c.» lässt seine Anwaltskanzlei lieber weg.
Ganz der Gutmensch
Es war die grosse Abrechnung mit dem gefallenen Sportler, die «Bild» genüsslich auf einer ganzen Seite ausbreitete. Detailliert beschrieb Cleven seine Schlichtungsversuche, gab sich als verständnisvoller Geschäftspartner, der Beckers Image lange nicht zerstören wollte, bis ihn seine Rechtsberater zu einer harten Linie drängten («Da haben meine Anwälte gesagt: Jetzt müssen Sie etwas unternehmen!»).
Selbst das böse Wort Betrug fiel: «Fühlen Sie sich von ihm betrogen?», fragte die Zeitung. «Entscheiden Sie, wie man ein solches Geschäftsgebaren nennt», erwiderte der 74-Jährige. Am Schluss gab er ganz den Gutmenschen: Wenn Becker das Geld zurückzahle, wolle er es in seine Stiftung stecken. Ihr gilt der Ehrgeiz des kinderlosen Cleven, dessen Vermögen auf mehr als 100 Millionen geschätzt wird.
Doch die hehren Worte können nicht verdecken: Cleven hatte die Bedingungen der Zusammenarbeit für sich stets finanziell attraktiv fixiert. Denn von den Ende Dezember 2014 ausstehenden 41,7 Millionen Franken sind ein grosser Teil Zinsschulden. Der genaue Anteil ist Gegenstand des Revisionsverfahrens, das Cleven vor dem Zuger Obergericht beantragt hat. Die Entstehungsgeschichte der Forderung zeigt, dass mindestens die Hälfte Zinsansprüche sein könnten.
Spitzenwerte in Tiefzinszeiten
Schon Ende 2003, als sich Becker von Cleven wegen seiner Steueraffäre ein zweites Darlehen besorgt hatte, betrug die Schuld 6,1 Millionen Euro – inklusive Zinsen, die bei fünf Prozent lagen. Den grossen Sprung in der Verschuldung machte Becker, als er sich Ende 2008 von Cleven trennte und seinen Anteil an der mit Cleven zu gleichen Teilen gegründeten Sportagentur von 50 auf 90 Prozent hochfuhr. Cleven liess sich seinen Anteil ansprechend vergüten, und so schnellte Beckers Schuldenlast Ende 2008 auf 20,7 Millionen Euro hoch. Als Sicherheit liess sich Cleven von Becker den Zugriff auf dessen private Vermögenswerte überschreiben, samt Elternhaus und Finca auf Mallorca.
Die Geschäftsverbindung mit Cleven war 2009 also praktisch vorbei, doch Beckers Schuld verdoppelte sich. Die Schuldenlast verteilte sich auf verschiedene Währungen und brachte unterschiedliche Zinsansprüche: 3,5 Prozent in Franken, 4 Prozent in Dollar, 5 Prozent in Euro – Spitzenwerte in Tiefzinszeiten. Ende 2011 hätte Cleven kündigen und die Sicherheiten verwerten können. Doch er liess die Zinsuhr lieber weiterlaufen.
Steuerpflicht Clevens
Der aktuelle Schuldenstand liegt sogar höher als 41 Millionen – seit Ende 2014 dürften nochmals mehr als vier Millionen Franken aufgelaufen sein. Für Cleven ist die Frage, wie hoch der Zinsanteil ist, von grosser Bedeutung: Auf diesen Teil müsste er bei einer Rückzahlung Steuern zahlen. Doch erst mal muss Becker beweisen, dass er seinen Verpflichtungen wirklich nachkommen kann, wie er behauptet. Derzeit steht er unter der Aufsicht eines Londoner Insolvenzverwalters.