Udaipur, Indien, im März 2013. Eine leichte Brise weht über die Gärten des weissen Märchenpalasts. Der Maharana (König der Könige) der Stadt am Pichola-See in der Provinz Rajasthan entsteigt seinem türkisblauen Rolls-Royce, klettert auf die vorbereitete Bühne und segnet mit Dominique Hériard Dubreuil, CEO von Rémy Cointreau, den Cognac Louis XIII Rare Cask 42,6. In knappen Worten würdigt er den einzigartigen Geschmack des Branntweins und die Virtuosität der Kellermeisterin Pierrette Trichet, dann hebt er das filigrane Kristallglas, prostet den anwesenden Gästen zu und geniesst – mit geschlossenen Augen bien sûr.

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Erst jetzt lüftet Madame Hériard Dubreuil vor den versammelten Gästen aus allen Ecken der Welt das grosse Geheimnis: Hinter dem klingenden Namen des jüngsten Cognacs des Hauses Rémy Martin versteckt sich eine kleine Sensation: ein erlesener Cognac aus einem fast vergessenen Fass, bei dem nicht die Menschenhand, sondern die Natur für das Tüpfchen auf dem i verantwortlich ist.

Basel, im Herbst 2013. Vor den raumhohen Fenstern der Bar des Grandhotels Les Trois Rois prasselt der Regen auf den Rhein, der Himmel hängt tief über der Stadt. Chef de Bar Thomas Huhn kümmert das wenig. Wenn er mit Leidenschaft über Cognac spricht, könnte draussen unbemerkt die Welt untergehen. Seine Augen strahlen um die Wette mit dem Glanz der schwarzen Kristallflasche des Louis XIII Rare Cask 42,6. Bereits der «normale» Louis XIII gilt als Rolls-Royce unter den Cognacs, aber die Rare Cask Edition ist noch kostbarer: «Es gibt davon nur 738 Flaschen, und sein Aroma ist einzigartig, es ist eine ganz spezielle, mystische Aura, die ihn umgibt», sagt der Barman, der in seiner Freizeit gerne an besonderen Cocktails tüftelt und sich regelmässig mit seinesgleichen misst.

Eine lange Geschichte

Seit ein paar Jahren beobachtet Thomas Huhn einen allgemeinen Trend «zurück zu den Basics» wie Gin, Rum, Whisky und Cognac. Im Zuge dieses Revivals werde öfters wieder ein Glas Cognac bestellt. Das freut ihn: Auf den edlen Holzregalen hinter dem klassischen Tresen befinden sich derzeit über 30 verschiedene Flaschen mit dem französischen Branntwein. Raritäten wie der Louis XIII oder Louis XIII Black Pearl stehen dicht an dicht mit bekannteren Erzeugnissen, etwa von Courvoisier oder Martell, und Spezialitäten wie dem Jahrgangs-Cognac Hine 1957 oder dem Léopold Gourmel Age des Epices. Cognac bleibe aber nach wie vor die Spirituose für besondere Momente, sagt der Chef de Bar.

Dass man das Geniessen eines Cognacs gerne feierlich inszeniert, hat auch mit seiner Geschichte zu tun. Erfunden wurde das Getränk vermutlich im Mittelalter vom Chevalier de la Croix-Maron (einem Vorfahren der Cognac-Dynastie Castelbajac); dank seiner langen Haltbarkeit wurde es bereits im 17. Jahrhundert in diverse Länder Europas und nach Übersee exportiert, zugleich darf es bis heute weltweit nur in den sechs verschiedenen Lagen des Anbaugebiets rund um die Stadt Cognac in der Charente und in der angrenzenden Charente-Maritime produziert werden.

Quantität und Qualität

Für einen Liter Cognac braucht es zwölf Kilo weisse Trauben, am häufigsten wird die Sorte Ugni Blanc verwendet, eine der ältesten, in Frankreich und Italien häufig angebaute Sorte, die auch unter den Bezeichnungen Trebbiano oder St-Emilion bekannt ist. In einem ersten Schritt werden die Früchte zu einem säurebetonten Wein mit einem Alkoholgehalt von acht Prozent vergoren. Dieser wird anschliessend während der Wintermonate in einer Alambic charentais (Brennblase) zweimal zu einem Weinbrand mit einem Alkoholgehalt von 60 bis 70 Prozent destilliert.

Dieser Weinbrand (Eau-de-vie) bildet die Basis des Cognacs. In einem durchschnittlichen Cognac sind rund 400 verschiedene Eaux-de-vie miteinander vermischt, in Spitzenprodukten wie dem Louis XIII sind es gar 1200. Um einen herausragenden Cognac zu produzieren, braucht es aber nicht nur Quantität, sondern ebenso Qualität. Produzenten von High-End-Produkten verwenden in der Regel nur Eaux-de-vie, die aus Trauben der Spitzenlage Grande Champagne stammen. Andere, die günstigere Erzeugnisse auf den Markt bringen, vermischen die unterschiedlichen Lagen, und Dritte, wie das Haus Camus, spielen mit den besonderen Eigenschaften niedriger Lagen wie etwa der Bois Ordinaires, die vorwiegend auf der Ile de 
Ré angesiedelt sind und dem Branntwein einen würzigen, mediterranen Geschmack verleihen.

Cognac, im Herbst 2013

Ausser bei den Jahrgangs-Cognacs – hier werden verschiedene Eaux-de-vie aus demselben Jahr miteinander versetzt – spielt das Assemblieren unterschiedlicher Jahrgänge eine wichtige Rolle für den Geschmack eines Cognacs. «Je älter das jüngste Eau-de-vie ist, desto weicher und runder der Branntwein», sagt Pierrette Trichet im Zwielicht des gewölbten Kellers der Domaine Rémy Martin am Rande der Stadt Cognac. Die Kellermeisterin – weltweit die einzige Frau in ihrem Fach – ist etwa dafür verantwortlich, dass der berühmte Cognac Louis XIII bei jeder Abfüllung trotz unterschiedlicher Weinbrände geschmacklich dem Original aus dem Jahre 1874 so nahe wie möglich kommt. «Wenn ich an den einzelnen Weinbränden rieche, evozieren die unterschiedlichen Aromen bei mir Bilder aus der Natur – einen vermoosten Ast, einen Haufen grauer Steine, eine besonnte Waldlichtung. Wenn ich später an einem Fass Louis XIII arbeite und merke, hier fehlt noch das oder jenes, helfen mir die Bilder in meinem Kopf, das richtige Eau-de-vie für dieses Stadium des Reifeprozesses zu finden.»

Bei ihrem Haus-Cognac ist das älteste Eau-de-vie um die 100 Jahre alt, das jüngste lagert seit 40 Jahren in einem Holzfass: «Ein Cognac wie der Louis XIII hat einen bestimmten Stil, den ich von meinen Vorgängern übernommen habe und den ich an meine Nachfolger weitergebe. Es ist wie beim Stafettenlauf: Ich habe den Stab für eine gewisse Strecke übernommen und bin dafür verantwortlich, dass er auf diesem Abschnitt nicht zu Boden fällt», sagt die studierte Biochemikerin, die in ihrer Freizeit leidenschaftlich gerne wandert und malt.

Kultgetränk der Hip-Hopper

Cognac ist eine geschichtsträchtige und eine traditionelle Angelegenheit: Für die Herstellung und Lagerung gelten klare Regeln, über deren Einhaltung das Bureau National Interprofessionnel du Cognac mit Adlerauge wacht. In dieser Branche wird Qualität vor allem an der Konstanz gemessen, und Innovation gehört nicht zu den geflügelten Worten.

Doch auch wenn Tradition grossgeschrieben wird: Ein bisschen bewegt sich die Cognac-Welt doch. In den USA etwa, wohin dieses Jahr 50,6 Millionen Flaschen geliefert werden, gilt Cognac als Kultgetränk schlechthin, und zwar seit ihn die Rapper Busta Rhymes und P. Diddy in ihrem Hit «Pass the Courvoisier» besangen. Und China, wo derzeit alles, was nach Old Europe riecht, schneller verkauft wird als warme Brötchen, wird von den Cognac-Herstellern als «zukunftsträchtigster Markt» gehätschelt. Da wie dort wird die bernsteinfarbene Spirituose aber nicht nur pur getrunken, sondern auch Cocktails beigemischt.

Darf man denn Cognac überhaupt in einen Cocktail mischen, oder gilt das bei Kennern als Sakrileg? «Jeder soll Cognac so trinken, wie es ihm gefällt!», ist Pierrette Trichet überzeugt, die selber gerne ab und zu auf diesem Gebiet experimentiert. Diese Meinung teilt auch Thomas Huhn vom Grandhotel Les Trois Rois: «Wir bieten verschiedene Cognac-Cocktails auf unserer Karte an, die wir, um der edlen Spirituose gerecht zu werden, besonders inszenieren, wie etwa unseren Prince of Wales, den wir im auffallenden Silberbecher servieren», sagt der Chef de Bar. Zudem könne man mit der bewussten Wahl der Ingredienzen das eine oder andere Aroma eines Cognacs besonders schön zum Klingen bringen – und so vielleicht auch den einen oder anderen Skeptiker für Cognac begeistern.