Juni, September – oder doch erst nächstes Jahr: Wann bekommt Italien endlich wieder eine gewählte Regierung? Die Parteien verlieren sich in internen Grabenkämpfen. Und einer arbeitet am grossen Comeback.
Wer die italienische Politik verstehen will, sollte eher Psychoanalytiker als Politologe sein. Dieser saloppe Spruch trifft derzeit gut zu. Seit dem Rücktritt des damaligen Regierungschefs Matteo Renzi nach einem gescheiterten Verfassungsreferendum im Dezember beherrschen parteiinterne Machtkämpfe, Intrigen und Tohuwabohu das Bild.
Renzi is back!
Während Italiens Probleme von Bankenrettung, Flüchtlingskrise bis Staatsverschuldung weiter vor sich hinköcheln, steht es weiter in den Sternen, wann gewählt werden und wer bei dieser Wahl als Spitzenkandidat antreten soll.
Selbst wenn die Italiener mit der zurückhaltenden Art von Paolo Gentiloni, der das Amt von Renzi übernommen hatte, recht zufrieden scheinen: Renzi läuft sich wieder warm.
Nach seiner Niederlage bei dem Referendum zeigte er sich reumütig und erklärte, dass er eine solch schmerzhafte Schlappe nicht habe kommen sehen. Spekuliert wurde, dass er erst einmal ein Sabbatical einlegt oder ein Buch schreiben wird. Nachdem es in den Wochen um den Jahreswechsel eine Renzi-Sendepause gegeben hatte, hat sich die Nachrichtentaktung in letzter Zeit jedoch wieder erhöht. Renzi is back!
Zur Wiederwahl bereit
Oder doch nicht? Um das Verwirrspiel für Aussenstehende nur noch auf die Spitze zu treiben, tritt Renzi bei einer Versammlung der Demokratischen Partei (PD) vom Chefposten bei den regierenden Sozialdemokraten zurück. Wer glaubt, dass Renzi mit diesem Schritt seine politische Zukunft begraben will, täuscht sich.
Beobachter gehen davon aus, dass er sich bei einem nun anstehenden Parteikongress wiederwählen lassen will. «Die Wahrscheinlichkeit, dass er wiedergewählt wird, ist sehr hoch», sagte die PD-Abgeordnete Laura Garavini der Nachrichtenagentur dpa.
Und Renzi macht keinen Hehl aus seinen Ambitionen. An seine Feinde aus dem linken Lager gewandt sagt er: «Man kann nicht von einer Person verlangen, nicht wieder zu kandidieren, weil nur dies die Spaltung verhindern würde.»
Der Opposition in die Hände spielen
Zuletzt trommelte der linke Parteiflügel immer lauter gegen den jungen Politiker. Renzi warf seinen Gegnern am Sonntag sogar Erpressung vor. Eine Spaltung der (noch) stärksten Partei wurde auch am Sonntag nicht abgewendet. «Doch auch die Minderheiten sind gespalten. Das alles versteht mittlerweile kein Mensch mehr», sagte Garavini.
Die Zeitung «La Stampa» warnte vor einem «kollektiven Selbstmord» der PD. Renzi mahnt wieder zur Geschlossenheit. «Draussen halten sie uns für verrückt», sagt er. Das Bild, das die Partei gerade von sich abgebe, und dass sie nur über sich selbst rede, sei ein Geschenk an die Opposition.
Warten bis 2018
Hatte der Ex-Premier stets auf eine schnelle Neuwahl im Juni gedrungen, rückt dieses Datum angesichts der Querelen in immer weitere Ferne. Als Wahltermin wird nun auch der 24. September ins Spiel gebracht – zeitgleich zur Bundestagswahl in Deutschland.
Es wäre dann die erste vom Volk gewählte Regierung seit 2013. Möglich ist allerdings auch, dass erst zum Ende der Legislaturperiode im Frühjahr 2018 ein neues Parlament gewählt wird. Politiker des linken Lagers liessen Samstag verlauten, sie hätten Renzi überzeugt, Gentiloni noch bis 2018 zu unterstützen.
«Fake News» in Italien
Mehr Zeit können die politischen Lager durchaus gebrauchen – nicht nur, um sich auf ein neues Wahlgesetz zu einigen. Auch bei den anderen Parteien ist das interne Chaos gross. Die Fünf-Sterne-Partei – derzeit die zweitstärkste Kraft im Land – liefert mit ihrer Bürgermeisterin Virginia Raggi in Rom eine Mischung aus Seifenoper und Trauerspiel ab.
Die europakritische Partei, die sich Transparenz und Aufrichtigkeit auf die Fahnen geschrieben hatte, steckt in der Hauptstadt nun selbst im Skandalsumpf fest. Gegen Raggi wird mittlerweile wegen Amtsmissbrauchs ermittelt. Die Parteispitze ficht derweil einen Kampf mit den Medien aus, denen sie die Verbreitung von «Fake News» vorwirft.
Berlusconi muss klagen
Bleibt noch der mehrmalige Ex-Ministerpräsident und Chef der konservativen Forza Italia, Silvio Berlusconi, der immer noch überall seine Hände mit im Spiel hat. Der 80-Jährige will selbst wieder ins Rennen gehen.
«Ich kann den dringenden Wunsch, der mich von meinen Anhängern und den Wählern der Forza Italia erreicht, nicht ignorieren», sagte er zuletzt der Zeitung «Die Welt». Jedoch darf Berlusconi nach einer Verurteilung wegen Steuerbetrugs gar nicht kandidieren – dagegen hat er vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geklagt.
Und im April droht ihm ein neuer Prozess, weil er für den «Bunga Bunga»-Prozess um Sexpartys Zeuginnen bestochen haben soll. Gute Bedingungen für einen Wahlkampf sehen anders aus.
(sda/jfr)