Bis vor wenigen Jahren gehörte sie zu den wichtigsten Accessoires eines Geschäftsmannes: Die Luxusuhr, die unter dem Hemdärmel hervorblitzt. Doch mit der Markteinführung der ersten Smartwatch von Apple vor rund vier Jahren wurden plötzlich auch digitale Zeitmesser salonfähig.
Diesen Trend bekommt die erfolgsverwöhnte Schweizer Uhrenindustrie zu spüren. Während die hiesigen Hersteller alle zusammen laut dem Branchenverband FH im vierten Quartal 2017 knapp sechs Millionen Uhren verkauften, gingen bei Apple im selben Zeitraum rund acht Millionen Smartwatches über den Ladentisch. Vor allem bei preiswerten Zeitmessern bis 500 Franken je Stück sitzt der iPhone-Hersteller den Schweizern im Nacken.
Wenn schon Smartwatch, dann das Original
Zwar haben auch traditionelle Uhrmacher wie Mondaine, Movado, TAG Heuer versucht, ins Geschäft des mit dem Internet verbundenen Armschmucks vorzustossen und bieten Modelle mit Spezialfunktionen an. Doch ihr der Erfolg hält sich nach Meinung von Brancheninsidern in Grenzen.
«Ich glaube, dass der Erfolg der connected watches aus der Schweizer Uhrenindustrie doch enttäuschender ist, als man sich erhofft hat», sagte ein hochrangiger Manager eines Luxusuhren-Herstellers. «Wenn ich mir eine digitale Uhr kaufen will, dann kaufe ich mir eine Apple Watch. 99 Prozent der Leute entscheiden sich für das Original.»
«Bei Luxusuhren geht es um Emotionen»
Doch die auf Tradition, Qualität und Beständigkeit setzenden Schweizer Uhrmacher lassen sich davon nicht aus der Ruhe bringen und hoffen weiterhin auf eine ungebrochene Nachfrage nach ihren hochpreisigen Zeitmessern. Smartwatches stellten nur im mittleren Preissegment eine Konkurrenz für herkömmliche Uhren dar, sagte Luxusgüter-Expertin Scilla Huang Sun vom Vermögensverwalter GAM in Zürich. «Sie waren nie eine Gefahr für die Luxusuhren, denn bei diesen spielen andere Dinge eine Rolle. Eine Luxusuhr ist auch ein Statement, da geht es um Emotionen.»
Das sieht auch Jörg Baumann, Marketingchef bei der Luzerner Juwelierkette Bucherer, so. Als die Apple Watch auf den Markt gekommen sei, habe es für diese viel Aufmerksamkeit gegeben. In Bedrängnis geraten könne durch die Smartwatch aber wohl nur die Uhr im Einstiegssegment, die nur als Zeitmesser diene. «Die Kunden, die zu uns kommen, suchen nicht die Smartwatch. Wir bieten Uhrenkultur und Stil. Das ist ein anderes »
Die Umsatzzahlen geben ihm Recht – denn ihr Geld verdienen die eidgenössischen Hersteller hauptsächlich mit Luxusuhren: Sie exportierten im Vorjahr Zeitmesser im Wert von knapp 20 Milliarden Franken. Auf das volumenmässig mit Abstand grösste und von Apple bedrohte Segment von bis zu 500 Franken je Uhr entfiel nur ein Wert von 2,33 Milliarden Franken.
«Das Schlimmste sind Leute, die nichts am Handgelenk haben»
Es scheint fast so, als wollten die Schweizer Luxusuhren-Hersteller aus der Not eine Tugend machen. Nick Hayek, Chef des weltgrössten Uhrenherstellers Swatch setzt darauf, dass die Nachfrage nach Smartwatches auch das Geschäft mit höherpreisigen Uhren antreibt. «Das Schlimmste sind Leute, die nichts am Handgelenk haben», sagte Hayek. Sobald man anfange etwas zu tragen, würden die Uhren je nach Anlass gewechselt.
«Der Markt wächst stetig. Und daher gibt es Platz für Apple und für andere und es gibt natürlich auch viel Platz für uns», sagte Hayek jüngst in einem Interview mit CNBC. «Niemand kauft eine Apple Watch, um sie permanent am Handgelenk zu tragen.»
«Uhrenträger haben mehrere Uhren»
Das Sortiment von Swatch erstreckt sich von Nobelmarken wie Blancpain, Omega oder Glashütte hin zu den günstigen Plastikuhren der Kernmarke Swatch. Im vergangenen Jahr, als die Exporte insgesamt rückläufig gewesen seien, sei Swatch in allen Bereichen gewachsen und habe Marktanteile hinzugewonnen, betont Hayek. «Vor allem auch im unteren und mittleren Preissegment.»
Fondsmanagerin Huang Sun vom Vermögensverwalter GAM pflichtet ihm bei: «Die Smartwatch von Apple ist erfolgreich, aber die meisten Uhrenträger haben mehrere Uhren.» Für die ganze Branche ergäben sich sogar Chancen, wenn junge Leute sich wieder daran gewöhnten, Informationen am Handgelenk zu tragen, sagt auch Bucherer-Manager Baumann.
(reuters/ccr)