Das Schönste an der Autowerbung sind oft nicht die neuen Fahrzeuge, sondern die freien Strassen. Schwungvoll geht es über Serpentinen mit malerischem Meerblick hinein in eine staufreie Grossstadt und just vor dem Lieblingslokal wartet ein Parkplatz. Der Alltag der meisten Autofahrer sieht anders aus: Die Parkplatzsuche kostet die Deutschen im Schnitt 41 Stunden im Jahr, in Frankfurt sind es gar 65 Stunden, wie eine Studie des Technologiezulieferers Inrix ergeben hat, der diverse Pkw-Bauer mit Echtzeit-Verkehrsinformationen versorgt. Selbst Daimler-Chef Dieter Zetsche sagte mal: «Ich fahre gern Auto, aber eine Sache kann ich nicht leiden: Das ist parken.» Wie die Stuttgarter tüfteln viele Hersteller daran, die lästige Lückensuche künftig komplett zu automatisieren.
Lenkassistenten sind lämgst Standard
Ziel ist, dass der Fahrer aussteigen kann, und das Auto eigenständig einen freien Platz ausfindig macht und ansteuert. Später wird der Wagen per Smartphone zurück beordert, um seinen Besitzer wieder abzuholen. Automatisiertes oder fahrerloses «Valet Parking» heisst das im Fachjargon. Ein erster Schritt auf dem Weg dorthin ist längst Standard: Lenkassistenten, die ein Auto in eine Lücke manövrieren, ohne dass der Fahrer selbst kurbeln muss.
Diese Art des Parkens «kann heute fast jeder Kleinwagen», sagt Axel Schmidt von der Unternehmensberatung Accenture. Grössere Modelle wie der BMW 7er, der Audi A8 oder die S- und E-Klasse von Mercedes finden ferngesteuert, also ohne Fahrer an Bord, in Parklücken und Garagen und wieder heraus. Das spart Platz, weil niemand in der Enge aus- oder einsteigen muss. Der Besitzer steht neben seinem Auto, steuert und überwacht das Einparken per App.
Autonomes Parken ist teschnisch simpler
In Pilotprojekten probieren die Hersteller einen weiteren Schritt aus: Das Auto wird an einem sogenannten drop-off gelassen, etwa an der Einfahrt zu einem Parkhaus, und sucht sich drinnen selbst einen freien Platz. «Noch in diesem Jahrzehnt» werde dies im Realbetrieb zum Einsatz kommen, sagte Rolf Nicodemus, Experte für «Connected Parking» bei Bosch, bei einem Kongress von «Auto Motor und Sport». Als Beispiele nannte er Wohnanlagen oder Parkhäuser mit Car-Sharing-Flotten. «In öffentlichen Parkhäusern wird es nach und nach auch Einzug halten.» Dazu fehle im Moment noch «die passende Infrastruktur», erläutert Autoberater Schmidt von Accenture.
Bei entsprechender Ausstattung eines Parkhauses ist nach Ansicht von Fachleuten das automatisierte Parken im Vergleich zum automatisierten Fahren technologisch trivial: Die Strecken sind für Kameras und Sensoren überschaubar, die Verkehrsregeln klar. Zudem sind die vernetzten Fahrzeuge «unter sich» - es stören weder Ampeln noch Fussgänger oder Radfahrer, die den Stadtverkehr komplex machen.
Parkhäuser könnten schlichter und billiger gebaut werden, wenn keine Fluchtwege oder Treppenhäuser nötig wären. Weil die Autos dichter stünden und jedes rund zwei Quadratmeter weniger Parkfläche belegte, böten automatisierte Parkhäuser bei gleicher Grösse gut 60 Prozent mehr Fahrzeugen Platz, fand Audi in einem 2015 gestarteten Pilotprojekt in Boston heraus. So wären Parkplätze am Strassenrand verzichtbar. Die Folge: weniger Autos auf Parkplatzsuche. Die machen laut Schätzungen immerhin rund ein Drittel des Verkehrs in Innenstädten aus. Die langen Irrfahrten bis zu einer Abstellmöglichkeit kosten nicht nur Zeit und Nerven, sondern erhöhen den Kraftstoffverbrauch und den Abgasausstoss.
Direkt umsetzbar
Automatisiertes Parken ist technologisch mittlerweile direkt auf der Strasse im fliessenden Verkehr umsetzbar, sind Datenlieferanten wie Inrix oder der Kartendienst Here überzeugt, der den drei Oberklasse-Anbietern BMW, Daimler und Audi mehrheitlich gehört. Denn die nötigen Verkehrs- und Umgebungsinformationen könnten in Echtzeit zur Verfügung gestellt werden. Bosch und Mercedes arbeiten in einem Pilotprojekt im Grossraum Stuttgart daran; im Moment wird dort allerdings nur ermittelt, wie hoch die Wahrscheinlichkeit für einen freien Parkplatz in einer bestimmten Strasse ist. Im nächsten Schritt sollen Verfügbarkeit und Abmessungen von Lücken in Echtzeit angezeigt werden.
BMW wirbt gemeinsam mit Inrix bereits für einen «On-Street Parking Service» im neuen 5er. Experten erwarten, dass die Technik nach und nach in viele Fahrzeuge einziehen wird. Die meisten Autofahrer könnten dadurch ihre Nerven schonen, wenn sie mal wieder nicht auf sonnigen Serpentinen oder in staufreien Städten unterwegs sind: Zwei von drei Befragten in Deutschland gaben in der Inrix-Studie an, sie fühlten sich durch die Parkplatzsuche gestresst. Und jeder Fünfte sei wegen einer freien Lücke bereits mit einem anderen Fahrer in Streit geraten.
(reuters/ccr)
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