Es ist die grösste Niederlage seiner steilen Karriere: das Nein vom 24. September zur Vorsorgereform, an der er sechs Jahre gearbeitet hatte. Innenminister Alain Berset (45) hatte alles gegeben, hatte bis zum Schluss gekämpft – und alles verloren. Die Wochen danach waren hart, die Stimmung in seinem Departement gedrückt. «Ich muss sagen, es hat wirklich wehgetan», räumte Berset gegenüber der «Zeit» ein. Jetzt beginnt das Rennen für den Läufer, der einst die 400 und 800 Meter in Rekordzeiten bewältigte, wieder von vorne: Vor Weihnachten hat er dem Bundesrat die Eckwerte für eine Neuauflage der Reform der Altersvorsorge präsentiert.
Berset drückt aufs Tempo, denn für Verschnaufpausen hat er keine Zeit – nicht 2018, nicht in seinem Präsidialjahr. Er, der sich gerne auf den roten Teppichen zeigt und den grossen Auftritt liebt, wird sich die Chance nicht nehmen lassen, die ihm das Bundespräsidium bietet: die Möglichkeit, stärker Einfluss zu nehmen auf das vertrackte Europadossier und generell aussenpolitisch mehr in Erscheinung zu treten. Gefordert ist er aber vor allem in seinem nicht unbedingt sehr glamourösen Kerngeschäft: Er muss einen Plan vorlegen, wie das Wachstum der Gesundheitskosten endlich nachhaltig gebremst werden kann.
Die Mitstreiter:
Im Bundesrat versteht sich Alain Berset am besten mit Doris Leuthard.
Menschlich kommt er auch mit den SVP-Magistraten Ueli Maurer und Guy Parmelin gut aus.
Mit Parteikollegin Simonetta Sommaruga zieht er politisch immer am selben Strick.
Die Ständeräte Paul Rechsteiner (SP) und Konrad Graber (CVP) waren seine Verbündeten bei der Vorsorgereform, nachdem Urs Schwaller (CVP), Christine Egerszegi (FDP) sowie die Grünliberale Verena Diener zurückgetreten waren. Letztere machte er zur Präsidentin der Expertenkommission gegen den Prämienschub, Stéphane Rossini (SP) zum Swissmedic-Präsidenten und die Freiburger Regierungsrätin Isabelle Chassot zur Chefin seines Kulturamts.
Berset, der Klavierspieler, präsidierte lange den Vorstand des Freiburger Jazzclubs La Spirale, wo Franz Treichler mit seinen Young Gods mehrmals auftrat.
Im Sommer besucht Berset alle Jahre das von Marco Solari präsidierte Filmfestival von Locarno.
Gute Kontakte pflegt er im Ständerat mit den Parteikollegen Didier Berberat und Claude Hêche.
Und natürlich mit Christian Levrat.
Einen guten Draht hat er zu Alt-Bundesrat Pascal Couchepin.
International tauscht er sich mit EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici aus.
Die Gegenspieler:
Im Sommer 2007 publizierte Berset mit Christian Levrat das Buch «Changer d’ère», eine programmatische Kampfansage an die Ära von Christoph Blocher im Bundesrat. Die beiden orchestrieren im Dezember desselben Jahres die Abwahl des umstrittenen SVP-Magistraten – und die Wahl von Eveline Widmer-Schlumpf.
2012 wird Berset selbst Bundesrat, sein Kontrahent ist Pierre-Yves Maillard, der starke Mann der Waadtländer Regierung. Dessen Niederlage trübt Bersets Verhältnis zur Waadtländer SP-Sektion bis heute.
Den heftigsten Kampf lieferte sich Berset bei der Vorsorgereform mit dem Arbeitgeberverband, insbesondere mit dem Präsidenten Valentin Vogt und dem Dossierverantwortlichen Martin Kaiser.
Im Parlament sind seine grössten Widersacher in diesem Dossier der damalige FDP-Fraktionschef und heutige Bundesrat Ignazio Cassis sowie dessen Parteikolleginnen Regine Sauter und Isabelle Moret (links im Bild).
Von links aussen wird der Druck gegen die Reform vom Gewerkschafter Alessandro Pelizzari angeführt.
Auch in der Gesundheitspolitik hat Berset viele Gegner: Beim Tarifeingriff legte er sich unter anderem mit Jürg Schlup an, dem Präsidenten der Ärztevereinigung (FMH).
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