BILANZ: Immer neue Datenlecks tauchen bei Schweizer Banken auf. Wie ruhig bleiben Ihre Klienten?
Martin Wulf: Viele kriegen jetzt kalte Füsse. Die aufgedeckten Scheinversicherungen zum Tarnen von Sparkonten und das geplante Abkommen zwischen Deutschland und der Schweiz treiben die Mandanten zu uns. Sie haben das Thema Schweizer Konto im Alltag verdrängt. Nun sind sie froh, es aus der Welt zu schaffen. Wer sich anders entscheidet, hat ein unruhiges Jahr vor sich.
Was planen die Steuersünder?
Pläne? Viele kennen ihre Optionen gar nicht. Das wirkt zum Teil kurios: Da meldet sich ein Herr Schmidt bei der Sekretärin für einen Termin, ohne zu sagen, worum es geht. Dann weiss ich schon: Der Mann heisst nicht Schmidt, aber er hat ein Auslandskonto.
Bei Millionenbeträgen drohen neuerdings ja auch Freiheitsstrafen, ab 100 000 Euro Einkommenssteuer mindestens Bewährung.
Der Wind weht schärfer. Aber Deutschland wird nicht reihenweise Leute einsperren. In den meisten Fällen drohen Geldstrafen. Wir raten dennoch meist zur Selbstanzeige – auch weil es vor einem Abkommen schützt, das ins Kuriositätenkabinett gehört.
Wie bitte?
Die geplante Steueramnestie strotzt vor handwerklichen Fehlern. Zentrale Vorschriften sind rätselhaft formuliert, manche Regeln führen zu unklaren Rechtsfolgen.
Mit welchen Wirkungen?
Wurde Schwarzgeld zum Beispiel 2002 angelegt, wird es geringer besteuert, als wenn es 2010 eingezahlt wurde. Lag das Geld eines Bankkunden vor dem Transfer in die Schweiz etwa in Luxemburg, bleibt unklar, ob die Pauschalsteuer auch Ansprüche aus der Zeit abdeckt. Und selbst unbescholtene Leute müssen ihre Vermögen offenbaren. Da fragt das Finanzamt reflexartig, woher die stammen, und wird das aufdecken wollen. Ich erwarte eine Fülle von Verfahren gegen Unschuldige. Das Regelwerk ist eine Katastrophe.
Rot-Grün in Deutschland sperrt sich gegen das Abkommen. Sie wollen die Sünder härter drannehmen. Schafft es die Vereinbarung im Herbst überhaupt durch den Bundesrat?
Es ging so oft hin und her, ich habe mir das Spekulieren abgewöhnt. Allerdings, die jüngsten Steuerskandale und Aufdeckungen machen eine Zustimmung unwahrscheinlicher. So bestimmt, wie Nordrhein-Westfalen auf den weiteren Kauf von Daten-CD pocht, sind die Fronten verhärtet. Das kann der Bund wohl nur hintenherum mit mehr Finanzmitteln für die Bundesländer retten.
Martin Wulf: Der 40-jährige Steuerexperte befasst sich intensiv mit Steuerfragen für Schweizer Konten. Der Fachanwalt ist seit 2005 Partner der Kanzlei Streck Mack Schwedhelm in Berlin. Zudem sitzt er im geschäftsführenden Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht des Deutschen Anwaltvereins und lehrt an der Bucerius Law School in Hamburg.