Mit Indien und Indonesien verhandelt die Schweiz gerade Freihandelsabkommen. Orientieren Sie sich an der Schweizer Handelspolitik?
Natürlich, das ist ein ganz wichtiger Faktor. So beispielsweise auch im Fall Japans. Seit 2009 ist das Abkommen in Kraft, was uns die Zusammenarbeit enorm erleichtert. Handelshemmnisse sind heute im starken Wettbewerb ein Nachteil, daher sind wir sehr stark auf die Unterstützung von Wirtschaftsvertretung und Politik angewiesen. Vor allem geht es darum, gleiche Voraussetzungen wie die in der EU geltenden zu haben. Wenn die EU etwa im gerade abgeschlossenen Japan-Abkommen bessere Voraussetzungen ausgehandelt hat, müsste die Schweiz nachziehen, um im Wettbewerb standhalten zu können.
Der Protektionismus nimmt aber gerade zu, vor allem in den USA – auch einem wichtigen Markt für Sie. Spüren Sie die Auswirkungen bereits?
Die US-Strafzölle tangieren uns heute nicht direkt. Wenn eine Ausdehnung auf die Automobilbranche erfolgen sollte, wird es unsere Absatzmärkte in Europa tangieren. Es wäre wünschenswert, die Konditionen im Handel mit den USA weiter zu verbessern und zu vereinfachen. Aufgrund der aktuellen politischen Lage ist das jedoch nicht absehbar.
Welches sind die wichtigsten Märkte für PB Swiss Tools?
An erster Stelle natürlich der Heimmarkt, der knapp ein Drittel umfasst, an zweiter Stelle kommt Europa – wir sind in allen europäischen Märkten vertreten, in Osteuropa wollen wir unseren Marktanteil noch weiter ausbauen. Asien und der Rest der Welt umfassen ein weiteres Drittel unseres Umsatzes. Den Marktaufbau und -ausbau planen wir in Indien und Indonesien. In Nord- und Südamerika wollen wir expandieren.
Zu Ihrer Exportstrategie: Wie bauen Sie neue Märkte konkret auf?
In erster Linie orientieren wir uns daran, wo es eine Nachfrage für unsere Produkte gibt. Dann schauen wir uns die Einfuhrbedingungen und den potenziellen Marktbedarf in einem Land an. Gleichzeitig wägen wir auch die Risiken vor Ort ab – dabei arbeiten wir mit den Länderexperten von Switzerland Global Enterprise zusammen, die uns von der Evaluierung bis zu Markteintrittsstrategie unterstützen. Entscheidend ist es im nächsten Schritt, einen Vertriebspartner vor Ort zu finden.
Eva Jaisli ist Geschäftsführerin des Werkzeugherstellers PB Swiss Tools, seit mehr als 20 Jahren. Im Ranking der Unternehmer des Jahres 2017 von «Handelszeitung» und Schweizer Kader Organisation (SKO) belegte sie den zweiten Platz. Das in vierter Generation geführte Familienunternehmen aus dem Emmental setzt seit Jahrzehnten voll auf Exporte: Zwei Drittel der Produktion gehen in mittlerweile mehr als 80 Länder weltweit. 170 Mitarbeitende in Wasen und Sumiswald stellen jährlich 12 Millionen Werkzeuge und Instrumente her.
Wie sieht der «richtige» Vertriebspartner aus?
In erster Linie geht es darum in Erfahrung zu bringen, über welches Image und Potenzial mögliche Partner verfügen. Ihr Zugang zu On- und Offline-Vertriebskanälen spielt dabei eine wesentliche Rolle. Da wir mehrere Kanäle gleichzeitig nutzen, arbeiten wir meist mit mehreren Vertriebspartnern zusammen. Die grundlegende Frage vor dem Markteintritt ist, ob wir mit einem Vertriebspartner zusammenarbeiten oder wir eine eigene Tochter gründen.
Haben Sie Töchterfirmen im Ausland?
Bisher nur in China.
Warum gerade dort?
Wir sind seit 2013 in China und mussten feststellen, dass das reine Potenzial, die Grösse des Marktes und der schwierige Marktzugang eine höhere Präsenz verlangen. Auch weil von keinem anderer Partner erwartet werden kann, die Marke aufzubauen und unsere Produkte bekannt zu machen. Also kümmern wir uns selbst um unser Marketing vor Ort, haben im Verkauf eigene Mitarbeitende, die unsere Marke voranbringen.
«Kopiert zu werden, ist für uns nicht neu.»
Eva Jaisli
Wieviele Mitarbeitende hat PB Swiss Tools China?
Zur Zeit sind es sieben. Sie sorgen dafür, dass unsere Marke in China bekannt wird und verkaufen unsere Produkte.
Ist China auch ein besonders schwieriger Markt wegen der Wettbewerber beziehungsweise anderer Firmen, die Ihre Produkte kopieren?
Unsere Markenprodukte werden seit den 50er Jahren x-fach kopiert – nicht nur in China, sondern auch von europäischen, amerikanischen und asiatischen Herstellern. Kopiert zu werden, ist für uns nicht neu. Wenn wir Neuheiten auf den Markt bringen, tauchen in der Regel innerhalb kürzester Zeit Kopien auf – etwa von taiwanesischen oder sogar amerikanischen Herstellern. Wir sehen darin vor allem eine Bestätigung der Qualität unserer Produkte, sonst würden sie nicht kopiert.
Patente wären keine Lösung?
Wir haben entschieden, unsere Produkte nicht zu patentieren.
Warum?
Weil es uns wichtig ist, das Geld in herausragende neue Lösungen zu investieren, die schnell angeboten werden können. Unser Ziel ist es, Erster zu sein. Daher investieren wir viel in Forschung und Entwicklung. Zudem ist eine Patentierung mit grossem zeitlichem Aufwand und hohen Kosten verbunden, wenn wir alle verklagen wollten, die uns kopieren.
Wie wichtig ist China für Ihr Unternehmen als Absatzmarkt?
Unser Umsatz in China wächst zweistellig. Das heisst es gibt einen grossen Marktbedarf. Wir sind daran, die Kundenpräferenzen mit unserem Angebot abzugleichen. Dafür brauchen wir fundierte Marktkenntnisse.
Was sind Ihre Ziele in China?
Wir wollen nicht nur westliche Firmen, die in China produzieren, beliefern, sondern auch die staatlichen chinesischen Firmen aus allen relevanten Branchen.
Und in China zu fertigen kommt für Sie nicht in Frage?
Momentan ist das keine Option, aber ganz ehrlich: Generell überprüfen wir ständig, ob wir konkurrenzfähig sind und bleiben können, wenn wir weiterhin ausschliesslich in der Schweiz produzieren. Dafür sind Rentabilität und Produktivität entscheidend. Ganz ehrlich gesagt ist es die Konkurrenzfähigkeit, die Grundlage von strategischen Entscheiden ist.
Kaum ein Land hat höhere Produktionskosten als die Schweiz. Wie schaffen Sie es überhaupt, konkurrenzfähig zu bleiben?
Indem wir die Automatisierung auf höchstem Niveau nutzen. Dazu gehört auch Prozesseffizienz. Aber Tatsache ist auch, dass die Währungsschwankungen der letzten Jahre eine zusätzliche Herausforderung für uns waren. Mit einem überbewerteten Schweizer Franken konnten wir gegenüber den europäischen Wettbewerbern mit Innovationen in Angebot und Fertigungskompetenz Stand halten.
«Viele repetitive Abläufe, die vorher unsere Mitarbeitende gemacht haben, wurden automatisiert.»
Eva Jaisli
Wie haben Sie darauf reagiert?
Wir haben ganz konsequent «lean management» und eine neue Generation von Robotern eingeführt.
Wo setzen Sie diese Roboter ein?
Viele repetitive Abläufe, die vorher unsere Mitarbeitende gemacht haben, wurden automatisiert. Damit waren wir übrigens sehr früh: In der Schweiz fingen wir als vierter Industriebetrieb in den 80er Jahren an, mit Industrie-Robotern zu arbeiten. Damit können wir die hohen Schweizer Löhne etwas abdämpfen, aber vor allem unsere Mitarbeitende dort einsetzen, wo anspruchsvolle, komplexe Aufgaben gelöst werden müssen. Daher setzen wir seit 2017 auch «universal robots» (URs) ein, um mehr Quantität zu erreichen, aber mit der gleichen Zahl an Mitarbeitenden. Durch die Technologie haben wir Kapazitäten geschaffen, die unsere Rentabilität erhöht hat.
Welcher Anteil der Produktion ist automatisiert?
Alle Prozesse sind entweder teil- oder vollautomatisiert – je nachdem ob es sich um individualisierte oder Produkte in grosser Stückzahl, das heisst 5000 bis 10'000 Stück, handelt.
Haben Sie Mitarbeitende durch Roboter ersetzt?
Im Gegenteil – wir wachsen zweistellig und beschäftigen 170 Mitarbeitende. Vor zehn Jahren waren es 120. Das ist unser Versprechen seit den 80er Jahren. Wir schulen unsere Mitarbeitenden auch ständig um: Ein Drittel hat eine andere Ausbildung als die Tätigkeit, die sie heute bei uns ausüben.
Sie haben mit 30 Prozent einen hohen Frauenanteil in ihrem Unternehmen. Gerade in Ihrer Branche ist das nicht selbstverständlich – was tun Sie dafür?
Das Thema ist Chefsache: Wir sorgen dafür, dass wir eine angemessenen Anteil an Frauen, aber auch an jüngeren Mitarbeitenden haben. Entsprechend unserer globalen Ausrichtung sorgen wir auch dafür, dass wir Mitarbeitende mit unterschiedlichem ethnischen Hintergrund bei uns haben – vor allem auch um in unseren Auslandsmärkten auf die dortigen Kunden eingehen zu können. Beim Thema Frauen ist es in den letzten Jahren selbstverständlich geworden, dass wir insbesondere genügend weibliche Lernende ausbilden, beispielsweise als Polymechanikerinnen. Dafür müssen wir die technischen Berufe auch für junge Frauen interessant machen.
Und wie?
Seit Jahren organisieren wir Tüftel-Workshops, in denen wir Jugendliche und Kinder ab zehn Jahren aus der Region einladen, in denen sie technische Kenntnisse lernen. Damit wollen wir technische Berufe attraktiv machen.
Der Frauenanteil in Führungspositionen ist in der Schweiz im internationalen Vergleich besonders niedrig. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Man muss das Generationendenken berücksichtigen: In der älteren Generation gab es sicherlich Hürden, was die Vereinbarkeit von Beruf und Familie von Frauen angeht. Es fehlten die Rahmenbedingungen, die Müttern eine Berufstätigkeit erleichtert hätten – genauso wenig übrigens Vätern. Diese Hürden sind heute teilweise weg, doch es bestehen immer noch Hindernisse. Doch das ist von Arbeitgeber zu Arbeitgeber sehr unterschiedlich und davon abhängig, welche Rahmenbedingungen die Firmen Frauen und Männern anbieten – etwa um eine Führungsposition auch in Teilzeit ausüben zu können.
«PB Swiss Tools schreibt seit Jahren jede Kaderstelle zwischen 80 und 100 Prozent aus.»
Eva Jaisli
Wie ist das bei Ihnen?
PB Swiss Tools schreibt seit Jahren jede Kaderstelle zwischen 80 und 100 Prozent aus. So haben wir auch Männer gewinnen können, die viel Verantwortung und Kompetenzen im Unternehmen übernommen haben, aber gleichzeitig den Freiraum für Kinderbetreuung haben. Uns ist es wichtig, ein moderner Arbeitgeber zu sein, und so werden wir von aussen auch wahrgenommen. Wir haben uns beispielsweise auch dafür eingesetzt, dass Tageselternvereine in der Region gegründet werden.
Sehen Sie Unternehmer also stärker in der Pflicht als die Politik?
Beides ist gleich wichtig. Auf der einen Seite müssen wir für ein gesellschaftspolitisches Selbstverständnis sorgen und die entsprechenden Rahmenbedingungen müssen geschaffen werden. Auf der anderen Seite müssen Bildung und Ausbildung für Frauen und Männer gleichermassen durchlässig gemacht werden, und zwar in Universitäten, Fachhochschulen, aber auch in der Berufsausbildung. Es muss praktikable Lösungen geben, und zwar unabhängig von der Branche. Und sie müssen den sich verändernden Bedingungen angepasst werden. Häufig ist die richtige Lösung von heute nicht die richtige für morgen.
Was sollte die Politik machen – halten Sie Quoten für sinnvoll?
Ich bin dafür, dass die Gleichstellung und Transparenz beispielsweise bei den Löhnen vorangetrieben wird und dass jegliche Form der Diskriminierung ausgeräumt wird. Das ist nur politisch durchsetzbar, und zwar in Form des Gleichstellungsgesetzes. Und als Arbeitgeber müssen wir dafür garantieren, dass es eingehalten wird. Wir sind es unseren Arbeitnehmenden schuldig, die Lohnpolitik transparent zu gestalten, dass Frauen und Männer in der gleichen Funktion den gleichen Lohn haben. Dabei sind nicht nur die Politikerinnen und Politiker gefragt, sondern auch die Verbände. Bei Swissmem werden die Löhne nicht nur aufgrund der Funktion verglichen, sondern auch aufgrund des Geschlechts.
«Ich will mir nicht vorwerfen lassen, dass wir hier in einer ländlichen Region tiefere Löhne zahlen.»
Eva Jaisli
Sie bezahlen Männer und Frauen gleich?
Ja, natürlich, seit Jahrzehnten. Wir lassen unsere Zahlen prüfen – auch im Vergleich zu anderen Firmen in unserer Branche. Ich will mir nicht vorwerfen lassen, dass wir hier in einer ländlichen Region tiefere Löhne zahlen. Ich verlange sehr viel von unseren Mitarbeitenden und daher müssen wir mit anderen Regionen vergleichbare Löhne zahlen.
Sie sind Unternehmenschefin und Mutter von vier Kindern. Wie haben Sie beide Rollen miteinander vereint?
Für mich war immer klar, dass ich Kinder will. Aber zu meinem Lebenskonzept gehört auch, dass mein Partner eine wichtige Rolle spielt bei der Aufgabenteilung. Das haben mein Mann und ich immer versucht, umzusetzen: in Form von Teilzeit, aber auch mit fremder Unterstützung. Wichtig ist es, einen Plan zu haben und die Aufgaben in der Familie zu verteilen. Das müssen sowohl Frauen als auch Männer einfordern. Ich hatte das Glück, dass ich diese Unterstützung immer hatte. Aber es ist auch anspruchsvoll.
Die Geschäftsleitung teilen Sie sich mit Ihrem Mann.
Ja, er ist CTO, also technischer Geschäftsführer. Ich bin für den betriebswirtschaftlichen Bereich verantwortlich.
Wie entspannen Sie von dieser anspruchsvollen Aufgaben?
Ich bin sehr gerne draussen. Fahre mit dem Velo zur Arbeit, gehe abends laufen, häufig auch wandern in den Bergen. Ich habe aber auch viel Freude an Kultur – sei es in der Region oder darüber hinaus. Heute habe sicher mehr Spielraum, genügend Freizeit in mein Arbeitspensum einzubauen. Ich habe aber auch noch Mandate in anderen Firmen und Organisationen, in die ich meine Erfahrungen gerne einbringe. Meine Familie liegt mir sehr am Herzen und ich verbringe viel Zeit mit Ihnen – auch wenn meine Kinder natürlich schon erwachsen und aus dem Haus sind.
Sie sind dieses Jahr 60 Jahre geworden. Wie lange wollen Sie noch CEO bleiben?
Ich denke noch nicht daran, mich aus dem Unternehmen zurückzuziehen. Aber wir sind schon dabei, die nächste Generation aufzubauen, damit wir uns schrittweise aus dem operativen Geschäft herausziehen können und uns nur noch strategisch einbringen.
Was ist Ihr grösster Erfolg – beruflich wie persönlich?
Die Innovationsfähigkeit unseres Unternehmens, durch die wir weltweit als führender Hersteller von Werkzeug und Instrumenten wahrgenommen werden. Die Bereitschaft, immer wieder auf neue Themen einzugehen, auszuprobieren und uns neu auszurichten. Diese Philosophie in unserer Unternehmenskultur verankert zu haben, würde ich als Erfolg bezeichnen. Auch persönlich finde ich das sehr inspirierend. Es hält mich dynamisch und offen – das finde ich erstrebenswert.