Ja, sagt Martin Zimmermann, von der neu entdeckten Felchenart, den «Schwebbalchen», habe er gelesen. Das sei für ihn jedoch keine Neuigkeit gewesen, schliesslich habe er von diesen Fischen heute wie auch bereits gestern und vorgestern einige Kilogramm gefangen. Zu dieser Jahreszeit gehe diese Felchenart sowieso immer ins Netz, und dies nicht zu knapp.

Drei Stunden war er an diesem Morgen auf dem Vierwaldstättersee. Nur einige Meter vom Bootshaus entfernt kreist der Graureiher, der den Fischer wie immer auf dessen Route begleitet hat.

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Martin Zimmermann kann sich nicht über mangelnden Absatz beklagen. Er ist einer derjenigen, die vom Trend des Foodscoutings profitieren, von der Suche nach exquisitem Geschmack, vergessenen Traditionen und kulinarischen Innovationen. Denn seine Fische sind rare Produkte, die sich von der Masse der Supermarktangebote deutlich abheben und nur für jene Kunden erhältlich sind, die sich die Mühe nehmen, nach ihnen zu suchen. Dennoch sind diese Fische schnell ausverkauft.

Zimmermanns selbst geräucherte Felchen sind ein Genuss, auch wenn der Fischer den endgültigen biologischen Beweis nicht erbringen kann, ob es sich tatsächlich um die neue Art handelt, die ETH-Forscher entdeckt haben. Köstlich sind auch die Albeli, die Kleinfelchen, die man nur im Vierwaldstätter- und in kleineren Mengen auch im Brienzersee fängt. Obwohl sie das Vier- bis Fünffache dessen kosten, was man mittlerweile für Zuchtfische wie den Pangasius oder den Tilapia zahlt, finden sie bei der Kundschaft reissenden Absatz.

Direkte Vermarktung. Die nur noch wenigen Fischer am Vierwaldstättersee sind für den Bezug der begehrten Beute die wichtigste Adresse, auch wenn hier längst nicht mehr die Mengen gefangen werden, die noch vor zwei oder drei Jahrzehnten aus den Seen geholt wurden. Vielerorts ist kaum mehr genügend Nahrung für die Fische vorhanden. Dafür sind diejenigen, die noch erhältlich sind, von hervorragender Qualität, denn das Wasser ist heute so sauber wie seit langem nicht mehr. Den Weg in die Supermarktregale findet die lokale Spezialität nie, sondern wird fast ausschliesslich direkt vermarktet. Glück hat, wer eine dieser immer seltener werdenden Delikatessen ergattern kann.

Kunden, die persönlich beim Fischer vorbeischauen, kommen gelegentlich gar in den Genuss einer Lotte de Rivière, wie die in einigen Schweizer Seen vorkommende Trüsche oder Trische auf Französisch heisst. Sie ist der einzige dorschartige Süsswasserfisch und unbestritten lecker. Ein Fisch mit zartem Fleisch und wenig Gräten, der es geschmacklich auch mit einem Loup de Mer aufnehmen kann, auch wenn er um einiges kleiner ist. Seine Leber, die vor der Laichzeit besonders fetthaltig ist, war schon bei den Römern sehr begehrt. Nur wenige kennen die butterzarten und milden Fischlebern überhaupt noch, denn mehr als einige Dutzend Kilogramm dieser begehrten Speisefische gehen Martin Zimmermann im Frühjahr nicht ins Netz. Und da die Nachfrage weit grösser ist als das Angebot, schafft es dieser Edelfisch auch nur selten in die Kühltheken der Fischgeschäfte.

Die Region um den Vierwaldstättersee ist indes nicht nur für ihre Fischspezialitäten bekannt. Dank dem reichlichen Obstanbau werden in der Gegend auch vortreffliche Schnäpse und Konfitüren hergestellt. Bei der Familie Amgarten in Vitznau LU lässt sich im kleinen Hofladen eine breite Palette an Produkten entdecken, die man hier nicht erwartet hätte: in Rotweinessig und Zucker eingelegte Feigen aus einem traumhaften, mediterran anmutenden Garten am Rigisüdfuss etwa oder die in der Schweiz selten gewordene Marmelade aus den einheimischen Kornelkirschen, die über eine Balance aus Süsse und Säure verfügt wie kaum eine andere Fruchtkonfitüre. Und dann vor allem Rita und Werner Amgartens Neukreation, der Dörrbirnenlikör, ein Luxuströpfchen, für das Liebhaber tief in die Tasche greifen, kostet er doch etwa gleich viel wie ein erstklassiger Single-Malt-Whisky.

Feine Gewürze. Ähnlich verlockend ist der wunderbare Gewürzschnaps aus Reigoldswil BL, das Burgermeisterli. Mitten in den Kirsch- und Apfelbaumgärten am Juranordfuss ist die Brennerei Wirz nur schwer zu finden – doch die Mühe zahlt sich aus. Zwar erhält man diesen lokalen Traditionsschnaps mittlerweile auch im einen oder anderen Delikatessengeschäft, aber immer mehr Kunden lassen sich ihre individuelle Version bei der Brennerei herstellen. Dafür brächten sie gleich ihre Gewürzsäckchen mit, wie Brenner Beat Wirz erzählt. «Früher noch wurde dieser Schnaps auf jedem Hof der Region hergestellt.»

Zweimal gebrannt wird das Burgermeisterli, dessen Grundlage entweder Äpfel oder Kirschen bilden. Erst vor dem zweiten Brenndurchgang werden die Gewürze beigefügt, die allesamt erst im 17. und 18.  Jahrhundert in der Schweiz heimisch und vor allem erschwinglich wurden: Zimt und Kardamom, Stern- und weisser Anis sowie Koriandersamen, mit denen man in der Schweiz zur selben Zeit die Schnäpse zu aromatisieren begann, als diese exotischen Gewürze aus Indien und Ceylon auch im traditionellen Süsswarengewerbe Einzug hielten und etwa aus dem Honigkuchen einen würzigen Lebkuchen machten.

Jurassische Innovation. Einem anderen grossen Schweizer Schnaps verdankt die jurassische Ajoie einen wachsenden Foodscouting-Tourismus. Denn aus dieser Ecke der Schweiz stammt die Damassine, eine seit Jahrhunderten hier verwurzelte Zwetschge, aus welcher der gleichnamige Schnaps hergestellt wird. Aus der kleinen, würzigen Frucht hat der Obstbauer Alain Perret in Pruntrut mittlerweile eine ganze Palette an eingelegten Früchten, Konfitüren und Pralinés im Angebot. Als einziger Damassine-Züchter bietet er heute aber auch einen Essig aus dieser Kleinzwetschge an, der insbesondere Salaten aus Randen oder Karotten eine harmonische Fruchtigkeit verleiht. Eine Rarität, die nur im Hofladen des innovativen Bauern in Pruntrut zu finden ist.

Während solche edlen Delikatessen in der Deutschschweiz noch zu grossen Teilen von den einzelnen Anbietern selbst vermarktet werden, ist die Westschweiz hier schon weiter. Unbestrittenes Flaggschiff dieser Entwicklung ist La Ferme in Yverdon-les-Bains, das Delikatessengeschäft von Gérard Roy im Zentrum der Bäderstadt am Westende des Neuenburgersees. Ein Paradies für Foodscouts, die auf der Suche nach seltenen Delikatessen nicht Dutzende von Bauernhofläden abklappern wollen. «Nicht Bio steht bei uns im Vordergrund», erzählt der Unternehmer, der dieses Geschäft bereits seit 13 Jahren führt und zu einem der grössten Delikatessengeschäfte der Schweiz erweitert hat. Lokale Produkte mit individuellem Geschmack sind seine Stärke, von Kräutertees über Wurstwaren bis zu einzigartigen Schafsmilchjoghurts des Waadtländer Schafkäsepioniers Jean-Robert Henchoz.

Schon um neun, ziemlich früh eigentlich für Grosseinkäufe, wimmelt es vor den Wurst- und Käsetheken des Ladens von Kundschaft. Die ersten Kisten mit Erdbeeren und Kirschen aus der Region leeren sich bereits und werden von emsigen Mitarbeiterinnen ausgetauscht. Man wähnt sich in der Delikatessenabteilung eines grossstädtischen Kaufhauses, und auch die Preise sind ähnlich gehoben. «Sicher sind wir etwas teurer», sagt Roy, «aber dafür wissen unsere Kunden, woher die Produkte kommen. Und vor allem entdecken sie bei uns Erzeugnisse, die sie bei den Grossverteilern oder im Discount niemals finden.»

Schlaraffenland. Im Herbst beispielsweise gibt es rare regionale Birnensorten wie etwa die freiburgische Poire à Botzi, die Büschelibirne, die in Dolden wächst und für die Bénichon, die grosse Chilbi im Herbst, in karamellisiertem Zucker eingelegt wird. Sie gehört zu den freiburgischen Delikatessen. Oder die Sept en Gueule, kleine, geschmacklich an Muskattrauben erinnernde Birnen, die ein Waadtländer Confiseur im Juli mit Schokolade überzieht und die schon nach Tagen komplett ausverkauft sind.

Nicht die geringsten Absatzprobleme hat auch die im südlichen Waadtland gelegene Ölmühle von Sévery, die bereits in fünfter Generation von derselben Familie geführt wird und deren Öle zu den besten gehören, die in der Schweiz erhältlich sind. Bis zu 170 Franken legt man für den Liter der Spitzenöle hin. Ein Preis, den nicht einmal die allerbesten Olivenöle Italiens erzielen.

Die Ölmühle in Sévery gehört zu den wenigen, die das Industriezeitalter überlebt haben. Dabei gab es diese kleinen Mühlen früher in der ganzen Schweiz, als die ursprünglich aus Amerika stammenden Sonnenblumen- oder Erdnussöle noch nicht die dominierenden und geschmacklich vereinheitlichten Speiseöle waren. Obwohl die Ölmüller aus dem Waadtland auch Pistazien oder Pinienkerne im Ausland hinzukaufen und daraus einmalige Öle für Spitzengastronomie und Privatkunden herstellen, werden hier noch immer hauptsächlich Baumnüsse aus der Region verarbeitet. Zu einem ansehnlichen Teil auch für Kunden, die ihre Nüsse persönlich vorbeibringen und vor Ort pressen lassen. «Es sind die individuellen Mischungen aus verschiedenen Nussarten, die von vielen unserer Kunden noch gepflegt werden», begründet Ölmüller Bruno Steffen dieses Angebot, das von Kunden aus der ganzen Waadt genutzt wird. Selbst aus der Deutschschweiz reisen viele an, um ihr eigenes Nussöl herstellen zu lassen.

Teuer und begehrt. Manche von ihnen kaufen auch gleich eine weitere traditionelle Delikatesse ein, die man heute kaum mehr findet: den gemahlenen «Nusskuchen», wie die Masse genannt wird, die nach der Pressung der Baumnüsse entsteht. Ein feines, fast fettfreies Nussmehl, das die lokalen Patisserien als Haselnuss- oder Mandelersatz verwenden. Ein Produkt, das bald nur noch hier zu erhalten ist. Denn immer häufiger werden die Baumnüsse aus Rationalisierungsgründen gepresst, ohne geschält zu werden, sodass die Restmasse nicht mehr als Nussmehl weiterverwendet werden kann.

Mit einem seltenen Mehl beweisen auch die Tessiner, dass sie in der Vermarktung ihrer Produkte der Deutschschweiz noch immer um einiges voraus sind. Im Valle di Muggio, dem südlichsten Tal der Schweiz, wird der Rosso del Ticino aus rotem Mais gemahlen, hier kann man das Polentamehl auch direkt in der Mühle, der Mulino di Bruzella, beziehen. Und seit einiger Zeit auch in den Dorfläden des Tales, die zudem die Tessiner Ur-Formaggini im Angebot haben. Dabei handelt es sich um kleine Frischkäse, die ihren Ursprung in diesem Tal haben und zu den teuersten und begehrtesten Käsedelikatessen der Schweiz gehören, wie etwa die Formaggini alti und Formaggini bassi von Agnes Montorfano. Tessiner und Deutschschweizer geben dafür schon einmal das Doppelte dessen aus, was Gourmets für sonstige einheimische Spitzenkäse bezahlen.

Doch das spielt Gourmets, die individuelles Foodscouting betreiben, nicht die geringste Rolle. Das Exklusive selbst zu entdecken, ist für sie jeden Preis wert.

Bezugsadressen:

  • Albeli, Felchen, Balchen, Egli, Trüsche, Hecht, Seeforelle, geräucherte Fischspezialitäten: Martin Zimmermann, Seestrasse, 6354 Vitznau LU
  • Kornelkirschen- und andere Konfitüren, eingelegte Luzerner
    Feigen, Dörrbirnenlikör:
    Rita und Werner Amgarten, Stacher, 6354 Vitznau LU
  • Burgermeisterli, Kirsch und andere Schnapsspezialitäten: Wirz Obstbau und Brennerei, Hof Niestelen, 4418 Reigoldswil BL
  • Buttenmost: Irma Vögtli, Kirchrain 17, 4146 Hochwald BL
  • Damassine-Produkte – Schnaps, Essig, Konfitüren, Pralinés: Damassine Fleury-Perret, Les Vergers d’Ajoie, 2900 Pruntrut JU
  • Poire à Botzi: Fromages Sciboz, Boulevard de Pérolles 18 a, 1700 Freiburg
  • Waadtländer Terroirprodukte: La Ferme, Rue de la Plaine 15, 1400 Yverdon-les-Bains
  • Birnen Sept en Gueule in Schokolade: Confiserie Rapp, Rue des Alpes 6, 1197 Prangins VD
  • Traditionell gepresstes Baumnuss-, Pistazien-, Pinienöl, Essig und Senf: Moulin Huilerie de Sévery, 1141 Sévery VD
  • Formaggini della Valle di Muggio: Agnes und Aurelio Montorfano, Alpe Brüghee, 6837 Bruzella
  • Rosso del Ticino (rotes Maismehl): Mulino di Bruzella, 6837 Bruzella

Internetseiten für individuelles Foodscouting in der Schweiz: