Herr Lefebvre, erklären Sie uns die Uhrenmarke Jaeger-LeCoultre in drei Sätzen.
Ich kann es in drei Worten tun: Authentizität, Technik, Stil.
Ein bisschen konkreter?
Ich sage Technik und Stil, weil wir sehr technische Produkte machen und sie mit gutem Stil verbinden – schon seit jeher. Und ich sage Authentizität, weil wir eine der ganz seltenen Manufakturen sind, die eine Uhr von A bis Z selber bauen können. Unsere Uhren werden bei uns erdacht, bei uns gezeichnet, bei uns entwickelt und bei uns gebaut.
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Wollen Sie das Thema Manufakturwerk in Zukunft forcieren?
In der Uhrmacherei können Sie nichts forcieren. Aber klar: Wir wollen unsere Geschichte erzählen, und die ist geprägt vom Manufakturgedanken. Wir haben bei Jaeger-LeCoultre immer eigene Werke gehabt, das ist sozusagen die Signatur des Hauses.
Und das kostet. Dabei sind heute generell günstigere Uhren gefragt. Man hat weitherum den Eindruck, die Branche habe mit den Preisen in der Vergangenheit übertrieben.
Ich würde es so sagen: Man hat viel in die Spitzenuhrmacherei mit hoch komplizierten Werken investiert. Die Renaissance der Uhrmacherei ab der Jahrtausendwende war davon getrieben. Man hat damit eine Gruppe von Uhrenkennern kultiviert …
… und die Einsteiger vernachlässigt.
Nicht alle. Wir zum Beispiel haben einen interessanten Eintrittspreis bei etwas über 4000 Franken. Wir wollen und können nicht tiefer gehen, wir wollen keine 1000-Franken-Uhr.
Geoffroy Lefebvre ist schon als Jugendlicher auf Uhren gestanden, wie er sagt. Nach Tätigkeiten bei McKinsey und Vacheron Constantin führt er heute als Deputy CEO die Uhrenmarke Jaeger-LeCoultre.
Was ist für Sie eine gute Uhr?
Eine gute Uhr ist authentisch, zuverlässig und hat Stil. Und der Mensch, der die Uhr kauft, muss die Freude darin erkennen, die der Uhrmacher empfand, als er sie baute. Wir haben hier 1000 Mitarbeiter, und alle erfüllen ihren Job mit Leidenschaft.
Man hört, es werde bei den Produkten von Jaeger-LeCoultre radikale Umwälzungen geben.
Neue Produkte werden wir erst in Genf an der Uhrenmesse SIHH zeigen. Wahr ist allerdings, dass wir heute sehr viele verschiedene Uhrenmodelle oder Referenzen haben. Um das Profil der Marke klarer und verständlicher zu machen, müssen wir zwingend unser Angebot verkleinern. In den nächsten drei Jahren werden wir die Zahl der Modelle reduzieren, um die wichtigen Stücke aufs Podest zu stellen.
Was heisst das in Zahlen?
Wir haben heute 400 Referenzen. Wenn wir in drei Jahren auf 250 bis 270 kommen, werden wir gute Arbeit geleistet haben.
Und was genau ist die Idee dahinter?
Wir brauchen mehr Klarheit im Profil. Unsere Kunden sind je zur Hälfte Frauen und Männer. Einige suchen sehr klassische Produkte, andere sehr moderne. Das ergibt vier Produktesäulen: klassische Uhren für Frauen, klassische Uhren für Männer, moderne Uhren für Frauen sowie moderne Uhren für Männer. Auf diese vier Säulen werden sich unsere Produkte reduzieren lassen.
Sie waren bei McKinsey, als Group Industry Director bei Richemont und schliesslich bei der Luxus-Uhrenmarke Vacheron Constantin. Was waren Ihre wichtigsten Lehren aus diesen Beschäftigungen?
McKinsey ist sozusagen eine Businessschule. Man lernt, strukturiert zu denken und zu rechnen. Aber als ich von McKinsey zu Richemont wechselte, war das für mich ein bisschen der Eintritt in das wahre berufliche Leben. Ich war zuständig für 1500 Personen, es war eine grossartige Erfahrung, und ich musste lernen, Entscheidungen zu treffen. Dann ging ich vor drei Jahren zu Vacheron Constantin. Dort ging es plötzlich um das ganze Produkt. Beim Konzern war ich für Komponenten zuständig gewesen, ich hatte Werkteile an die Marken geliefert. Jetzt war ich für das ganze Produkt verantwortlich, von der Entwicklung bis zum Zusammenbau. Ich möchte keine dieser Erfahrungen missen.
Ist die Smartwatch für Sie ein Thema?
Nein, es ist kein Produkt, das zu uns passt.
Und was tun Sie, um junge Menschen, die gar keine Uhr tragen, für eine Jaeger-LeCoultre zu begeistern?
Hier hilft uns die Smartwatch. Immerhin haben die Leute, die eine solche tragen, schon mal eine Uhr getragen. Auch ich begann nicht mit einer Vacheron Constantin oder einer Jaeger-LeCoultre am Handgelenk. An so etwas wird man herangeführt. Die Uhr als solche gibt es seit langem, sie hat Höhen und Tiefen durchlebt. Wir haben, zugegebenermassen mit vielen Kollateralschäden, die Quarzkrise überlebt. Die mechanische Uhr ist geblieben. Es geht bei ihr heute nicht mehr nur darum, die Zeit abzulesen. Es geht darum, etwas auszusagen.
Und was sagen Sie mit Ihrer Uhr aus?
Dass ich ein authentischer Mensch bin, der die Technik und das Design liebt.
Was ist Luxus für Sie?
Das Gegenteil von Mode.
Nämlich?
Luxus ist zeitlos und geht von der Qualität aus. Es geht also nicht um Bling-Bling, es geht um Arbeit, Handwerk, Kunst. Es geht um ein Objekt, das zeitlos sein soll.
Und wann haben Sie sich zuletzt Luxus gegönnt?
Bei Richemont kommt man immer wieder in Versuchung. Also erst kürzlich.
Was war es?
Ein Anzug von Dunhill. Ich trage ihn übrigens heute zum ersten Mal.
Das Interview erschien in der November-Ausgabe 11/2017 der BILANZ.