Wie haben Sie es so mit Daten, Fakten und dem technologischen Fortschritt? Dieses kopfige Zeugs bereitet manchem keine Lust. Der Bauchmensch rebelliert. Doch sind wir hier im Innovationsland Schweiz nicht alle Kopfmenschen, für die wissenschaftliche Studien, Simulationen mit komplexen Softwaremodellen und künstliche Intelligenz pure Erotik bedeuten? Nein?
Im Gegenteil. Bei vielen Menschen lösen sie unbesehen Ablehnung aus. Wir wollen uns von zu viel Wissen lieber nicht aus der gewohnten Bahn werfen lassen. Solange das Wissen die eigene Komfortzone nicht bedroht, ist es noch okay. Aber wehe, wenn neue Einsichten uns vom eingeschlagenen Weg abbringen würden. In der Schweiz lieben und verehren wir unsere Stabilität und Kontinuität. Es ist hier so paradiesisch bequem. Alles Neue muss sich erst mal beweisen, bevor es angenommen wird. Im eigenen Land natürlich, denn der Sonderfall Schweiz kann unmöglich von anderen lernen. Bei uns ist alles anders. Besser. Und darum muss es so bleiben, wie es ist.
Der Apfel der Erkenntnis zwang schon Adam und Eva dazu, das Paradies zu verlassen. Seit Menschengedenken haben wir ein zwiespältiges Verhältnis zur Vernunft. Wohl ebenso lange brennt in uns die Sehnsucht nach dem unwissenden Müssiggang. Im Paradies ist alles vorstellbar und wünschbar, was schön erscheint. In der harten Realität nerven Fakten und Rahmenbedingungen, die die trügerische Freiheit der Fantasie einschränken. Da wird es eng und manchmal ungemütlich. Und die sich ständig wandelnde Realität zwingt uns dauernd zum Nachdenken. Das ist anstrengend. Widerstand kommt auf.
Wie viel anziehender ist es doch, den Paradiesvögeln und Traumtänzern mit inhaltlichem Erfindergeist zu folgen, die es nicht so genau nehmen. Wie viel entspannter erscheint es, den einfachen Erklärungen Glauben zu schenken, nur weil sie so leicht verständlich sind. «Jedes komplexe Problem hat eine einfache Lösung, die falsch ist.» lautet ein Bonmot. Wer mit solch bequemer Haltung Politik macht und Algorithmen entwickelt, macht zwangsläufig fatale Fehler. Denn Algorithmen sind nichts anderes als Regeln dafür, wie mit bestimmten Situationen umgegangen werden soll. Das gilt für Verordnungen genauso wie für Software. Wir haben die Wahl: Beissen wir in den Apfel der Erkenntnis?
Esther-Mirjam de Boer, Geschäftsleiterin von Getdiversity und UR Management, VR-Präsidentin Gris Alliance des Créateurs, Präsidentin Verband Frauenunternehmen.
In der Kolumne «Mehrwert» schreiben erfolgreiche Geschäftsfrauen über die Arbeitswelt.