Er ist der wohl bekannteste Querulant Deutschlands: Bernd Stromberg , Hauptfigur der gleichnamigen Fernsehserie, bringt seine Untergebenen bei der «Capitol»-Versicherung regelmässig um den Verstand. Er ist sexistisch («Ausser bei Frauen und Autos ist neu nicht immer gleich besser»), eitel («Ich bin jetzt vielleicht kein Einstein im theoretischen Versicherungswesen, aber ein Mozart in Improvisation») und politisch absolut inkorrekt («Ernie haben sie nach der Geburt hoch geworfen und nicht wieder aufgefangen»).

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Ja, auch Sachbearbeiter Berthold «Ernie» Heisterkamp hat regelmässig zu leiden unter den Intrigen seines Chefs, der ihn mit Wonne mobbt. Seit Donnerstag läuft der absurde Büroalltag der beiden auch in den Schweizer Kinos. Höchste Zeit, mit Stromberg und Heisterkamp auch mal über Sport zu sprechen.

Herr Stromberg, wir wollen ja nicht mit platten Schmeicheleien starten. Aber Ihnen ist eine gewisse Ähnlichkeit mit Bayern-München-Trainer Pep Guardiola nicht abzusprechen.
Bernd Stromberg:
Gut, in vielen Bereichen bin ich natürlich durchaus besser. In Deutsch zum Beispiel, oder bei Frauen. Der Pep hat ja in seiner Truppe nur Kerle, wenn man von Lahm und Götze absieht. Das wär mir auf Dauer zu einseitig. Frauen bringen oft weibliche Qualitäten in die Truppe, und das ist wichtig. In puncto Bezahlung liegt er natürlich vorn, und das finde ich fragwürdig. Wenn ein Spanier in Bayern deutlich mehr verdient als eine deutsche Kanzlerin in Berlin, dann läuft im System was falsch.
Berthold Heisterkamp: Ich weiss gar nicht, wer das ist, Pep Guardiola. Ich dachte, bei Bayern regiert immer Franz Beckenbauer.

Diese Zeiten sind lange vorbei, Herr Heisterkamp. Aber wo wir schon beim Aussehen sind: Sie sind ja optisch eher der Typ Günter Netzer.
Heisterkamp:
Ganz lange hat mir meine Mutter die Haare geschnitten. Die war gelernte Kaltmamsell.
Stromberg: Ja, so siehst du auch aus aufm Kopf!
Heisterkamp: Meine Mutter ist tot!!!
Stromberg: Ja, Herrgott, es geht ja jetzt hier um Günter Netzer!
Heisterkamp: Den kenn ich nicht!
Stromberg: Der war wie Oliver Kahn, nur in der ARD! Und lustiger, sympathischer und besser.
Heisterkamp: Den kenn ich …

Bleiben wir beim Thema Fussball, Herr Stromberg. Ist die Versicherungsbranche das Bayern München der freien Wirtschaft?
Stromberg:
Im Prinzip ja. Auch Bayern erledigt sehr viel über Geld und Cholerik. Im Prinzip ist das ja genau meine Methode, nur dass ich halt zusätzlich noch regulär Steuern zahle. Aber die Bayern sind viel sozialer eingestellt als die «Capitol». Da macht der Hansi Pflügler den Fanshop oder Gerd Müller wird mal eine Werbung zugeschustert. Bei uns kümmert sich keiner derartig um Alkoholiker und gescheiterte Ex-Mitarbeiter.
Heisterkamp: Ich finde, man kann Fussball und Versicherung nicht vergleichen. Beim Fussball geht es ja nur ums Geld. Bei uns geht es ja auch um Spass. Wenn Fussball im Fernsehen kommt, werden die Spieler alle noch mal extra bezahlt, obwohl die ja nur ihre Arbeit machen. Wir in der «Capitol» machen das umsonst.

Funktioniert ein Büro wie eine Fussballmannschaft?
Stromberg:
Gut, bei uns hast du halt nicht einen Badstuber, sondern eher acht, neun, also Leute, wo du sagst, ja, die haben hin und wieder mal ein guten Tag, sind aber auch viel krank und werden so mit durchgeschleppt. Dafür haben wir deutlich weniger Ausländer.
Heisterkamp: Aber im Fussball gibt's nicht so viel Mobbing.
Stromberg: Da frag mal Stefan Kiessling.
Heisterkamp: Den kenn ich nicht.
Stromberg: Ansonsten ist es natürlich vergleichbar. In Fussball und Versicherung brauchst du Teamgeist oder wahlweise hohe Prämien. Du brauchst eine sehr, sehr gute Marketingabteilung, und du brauchst Leute, die an dich glauben, auch wenn sie vielleicht schon das eine oder andere Mal enttäuscht wurden. Ein grosser Unterschied ist allerdings, dass es bei uns keine Spielerberater gibt. Das ist schade. Es wär natürlich super, wenn ich den Ernie hier an die Allianz verschachern würde und dafür auch noch ordentlich abkassiere, einfach so, weil er eben zu doof ist.
Heisterkamp: Das versteh ich jetzt nicht.
Stromberg: Ja eben, das mein ich! So sind die Spieler auch.

Was waren Ihre sportlichen Höchstleistungen?
Stromberg:
Ich hab mit der Dings aus der Personalabteilung auf einer Weihnachtsfeier unten im Archiv, hinter dem Kopierer, zweimal knick-knack, wo ich mir derartig einen Gesässmuskel ausgekugelt habe, dass ich tagelang nicht laufen konnte. Das war unter sportlichen Gesichtspunkten durchaus bemerkenswert. Ansonsten war ich früher im Laufen gut und im Weitsprung. Im Weitsprung war ich sogar sehr gut, vor allem, wenn mein Kumpel das Massband hatte.
Heisterkamp: Ich war nicht so gut im Sport. Ausser beim Völkerball, aber da meistens eher in der Mädchenmannschaft.

Was denken Sie über die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar, die gerade kontrovers diskutiert wird?
Stromberg:
Wenn ich Schweinebraten mit Klössen will, dann bin ich im «Goldenen Ochsen» immer besser aufgehoben als in Abu Dhabi, oder? Auch wenn die da unten sich noch so viel Mühe geben. Gelsenkirchen veranstaltet ja auch keine Kamelrennen. Ich bin nicht dafür, dass alle alles machen. Im Büro nicht, und im Fussball erst recht nicht. Ausserdem: Ich weiss, wie es damals gelaufen ist, als die Kantinenlizenz in der «Capitol» neu vergeben wurde. Und gegen die Fifa ist die «Capitol» ja ein Hort der Demokratie. Also, dass da alles mit rechten Dingen zugegangen ist, ist so wahrscheinlich wie dass unser Ernie hier «Sexiest Man Alive» wird.
Heisterkamp: Ich hab sehr schöne Beine.

Für welche Sportart schwärmen Sie denn, Herr Heisterkamp?
Heisterkamp:
Ich hab früher viel Eiskunstlaufen geguckt, hauptsächlich wegen der Musik. Beziehungsweise wegen meiner Mutter. Seit die nicht mehr ist, guck ich ganz gern Boxen. Das kommt meiner inneren Einstellung am nächsten. Innerlich bin ich nämlich aus hartem Holz. Ich bin innerlich praktisch wie Klitschko, nur ohne das ganze Politische.

Apropos Klitschko: Derzeit laufen die Winterspiele in Sotschi. Das liegt auf dem gleichen Breitengrad wie Nizza. Schnee gibt es dort fast nur künstlich. Irrsinn, oder?
Stromberg:
Sport ist ja generell Irrsinn geworden. Dass ein Fussballspieler so viel kostet wie ein kleines afrikanisches Land ist doch genauso irre. Oder dass man denkt, klar, die Schwimmer, Läufer und Fahrradfahrer sind alle gedopt, aber die Fussballspieler können heute schneller, länger und besser laufen als vor 20 Jahren, weil sie einfach besser trainieren.

Aber die deutsche Mannschaft ist stark wie selten zuvor. Bei der Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien erwarten die deutschen Fans den Titel.
Heisterkamp:
Titel darf man nicht erwarten. Ich hab in der Schule ganz lange gedacht, ich werde bestimmt Klassensprecher. Wurde ich aber nicht. Das hatte natürlich auch damals schon sehr viel mit Mobbing zu tun.
Stromberg: Wer war der letzte deutsche Trainer, der einen Titel geholt hat? Berti Vogts. Darüber sollten wir alle mal nachdenken. Danach haben wir gedacht, wir müssten aufhören, deutsch zu spielen, und anfangen, Haargel zu benutzen und Buddhas aufzustellen. Der Deutsche an sich ist aber nun mal nicht locker und glamourös. Umgekehrt haben die Brasilianer angefangen Bürokratenfussball zu spielen. Was ist das Ende vom Lied? Italien und Spanien wurden Weltmeister. So sieht's aus. Solange wir einen Avon-Berater als Trainer haben (Anm. der Red.: Joachim Löw), erwarte ich keinen Titel.

Die Engländer spielen ihr erstes Spiel bei der WM in Manaus am Amazonas. Das dürfte dem ein oder anderen britischen Fan schlecht bekommen.
Stromberg:
Das sind Engländer! Die kollabieren und saufen dann aber einfach weiter. Die waren ja nicht ohne Grund mal Weltmacht. Genauso wird es die englische Mannschaft machen, die werden auch erst beim Endspiel merken, dass sie schon in der Vorrunde ausgeschieden sind.

Gibt es bei der «Capitol» eine Betriebssportgruppe?
Heisterkamp: Ja, wir haben Badminton, Volleyball und Fussball. Ich wollte auch mal eine Boccia-Gruppe gründen, aber wir waren dann am Ende zu wenig Leute.
Stromberg: Du warst allein!
Heisterkamp: Ich sag ja, wir waren zu wenig Leute.

Wo Sie Boccia ansprechen: Immerhin kommen Randsportarten auch zu bescheidenem Ruhm. Zum Jahreswechsel erreichen die Darts-Übertragungen Spitzenwerte.
Heisterkamp:
Wenn nicht so viel los ist, mach ich manchmal «Bürostuhlrennen» gegen die Kollegen, wo man von aussen sagen würde, das ist jetzt auch nicht direkt Sport. Aber wenn wir durch die ganze Abteilung jagen, teilweise auch im Doppelsitzer, dann sind alle hinterher richtig ausser Puste. Und der Parcours ist auch nicht so einfach, kurz vor dem Konferenzraum gibt's einen ganz blöden Hubbel im Boden.
Stromberg: Die Definition von Sport ist ja eh schwierig geworden. Ist es Sport, wenn jede Woche dieselben zwei, drei Nasen gegeneinander Auto fahren? Vor 100 Jahren war Sackhüpfen noch olympisch, jetzt ist es Buckelpisten fahren. Den Fans ist es eh egal. Sport hat Religion als Opium fürs Volk abgelöst. In einer Zeit, wo Hugo ein Getränk ist und Supermodel ein Beruf, da ist Darts auch ein Sport.

Dieser Artikel ist ursprünglich in unserer Schwester-Publikation «Die Welt» erschienen. Bei den Antworten half «Stromberg»-Autor Ralf Husmann.