So viel vorweg: Die Greubel Forsey mit zwei Doppel- Tourbillons ist eine schöne Uhr. Eine sehr schöne sogar.
Sie beeindruckt zunächst mit ihren Dimensionen. Um die zwei in einem 30-Grad-Winkel angeordneten Doppel-Tourbillons unterzubringen, braucht es schliesslich Platz. Trotzdem sieht das gute Stück nicht massiv aus, was für das Talent der Gehäusedesigner spricht. Das asymmetrische Zifferblatt wirkt etwas merkwürdig, hat aber durchaus Charme. Erstaunlicherweise ist die Uhr trotz ihren beiden Tourbillonkäfigen elegant und ziemlich diskret. Für einige Kunden vielleicht zu diskret.
Ich trug sie bei einem Treffen mit der neuen Sekretärin des Parti Ouvrier Populaire, wie die kommunistische Partei in der Waadt heisst. Doch Fehlanzeige: Die Frau bemerkte die Uhr nicht einmal. Dabei hätte sie über solch überschwänglichen Luxus eigentlich empört sein müssen. Ich trug sie auch an einer Sitzung mit zwei Äbtissinen. Doch auch sie bemerkten nichts. Dabei hätten sie irritiert sein müssen, dass so viel Geld für einen so niedrigen materiellen Gegenstand ausgegeben wird, wo die Not auf der Welt derart gross ist. Ich trug sie bei einem Essen mit der Westschweizer Geschäftsleitung eines grossen amerikanischen Informatikunternehmens. Auch hier keine Reaktion, obwohl einer meiner Gesprächspartner eine Pasha-Uhr von Cartier trug, was ihn eigentlich als Freund schöner Zeitmesser ausweist. Und ich trug sie in einem bekannten Gourmetrestaurant im Glauben, dass ich wenigstens bei der dortigen Klientel etwas Eindruck schinden könne. Denkste, auch hier keine Reaktion.
Summen statt ticken. Die Einzigen, die mich auf die Uhr ansprachen, waren die Uhrenkenner. Bei ihnen landete ich einen Volltreffer. Sie wussten, was ein Tourbillon ist, dieser drehende runde Käfig, in dem Anker und Unruh untergebracht sind, um die Kräfte der Erdanziehung zu neutralisieren. Die Kenner nickten voller Bewunderung, kaum hatten sie die Marke der Uhr ausgemacht, die ausserhalb des engsten Liebhaberkreises wenig bekannt ist. Sie bestaunten anschliessend die sich langsam drehenden Tourbillons.
Sie sind tatsächlich faszinierend, diese Tourbillons, und dank einer kleinen Öffnung auf der Seite des Gehäuses besonders gut beleuchtet. Sie bestehen aus 128 Teilen, die zusammen kaum mehr als ein Gramm wiegen. Faszinierend ist auch das Geräusch der Uhr: Ihr Werk weist nämlich mit 21 600 Halbschwingungen pro Stunde eine höhere Frequenz auf als die üblichen Standard-Kaliber mit ihren 18 000. Sie tickt also schneller und summt, weil vesetzt und sozusagen mit 43 200 Halbschwingungen pro Stunde arbeitend, ein wenig wie eine Biene. Faszinierend ist ferner die Verarbeitungsqualität jedes einzelnen Stücks, man kann sie durch den Glasboden bewundern. Und nicht minder faszinierend ist der Preis eines solchen Objekts: annähernd 700 000 Franken.
Leises Unbehagen. Ein Tipp: Nennen Sie diese Zahl erst, wenn Sie die Uhr von Ihrem Gegenüber wieder erhalten haben, sonst lässt es sie vor Überraschung noch fallen. Der Preis ist angesichts des Aufwands zur Herstellung dieses technischen Wunderwerks wohl gerechtfertigt – immerhin mussten allein für die Entwicklung fünf Jahre aufgewendet werden. Doch er flösst auch Respekt ein, ja sogar ein bisschen Angst.
Stellen Sie sich vor, Sie trügen 700 000 Franken am Handgelenk. Ich habe es ausprobiert, und ich kann Ihnen versichern, dass mir nicht immer wohl dabei war. Jeden Abend sah ich nach, ob die Wohnungstüre auch gut abgeschlossen war. Ich achtete darauf, die Uhr an gewissen Orten nicht zu zeigen und sie bei bestimmten Gelegenheiten erst gar nicht zu tragen. Also keine Greubel Forsey in überfüllten Discos und in zwielichtigen Bars. Ich verzichtete sogar darauf, sie an eine Geburtstagsfeier mitzunehmen. Was wäre, grübelte ich, wenn ich mit der Uhr nach dem dritten Glas irgendwo anschlüge?
Lächerlich? Kann sein. Aber ich weiss jetzt aus eigener Erfahrung, dass solche Befürchtungen die Freude, die man empfindet, wenn man einen so wundervollen Zeitmesser am Handgelenk trägt, trüben. Ein bisschen jedenfalls.