Medizin, das hatte er sich schon früh in den Kopf gesetzt. Dass er einst den Patienten ins Gehirn eingreifen würde, ahnte er jedoch keineswegs. Anfangs war Claudio Pollo (54) der Herzchirurgie zugetan. Doch während seines Medizinstudiums in Genf wuchs das Interesse für die Neurochirurgie.
Die Faszination? «Mikroskopisch präzise Eingriffe an einem derart komplexen Organ.» Und: Man verstehe das Gehirn in seiner Gänze zwar noch wenig, könne aber trotzdem dank Elektroden die Funktion verbessern.
An der EPFL Lausanne holte sich der Jurassier zusätzlich einen Master als Bioingenieur. Und lotet heute als Professor an der Universität Bern die Grenzen zwischen Medizin und Ingenieurskunst aus.
Mit dem EPFL-Spin-off Aleva Neurotherapeutics tüftelt Pollo an einer neuen Generation von Hirnschrittmachern. Ende 2019 wurden sie zertifiziert, im Juni startet eine Studie mit 60 Patienten. Ihnen wird eine winzige Elektrode ins Gehirn implantiert, die nicht wie üblich 360 Grad um sich herum stimuliert, sondern nur gewünschte Hirnpartien.
Das soll effektiver sein und Nebenwirkungen verhindern. Geholfen wird damit Patienten, die an Parkinson, Tremoren oder schweren Depressionen leiden – «wenn man mit Medikamenten nicht mehr beikommen kann». Unter die Haut geht dann der aufladbare Hirnschrittmacher: Er wird beim Schlüsselbein implantiert und mit der Elektrode verbunden.
Pollo sieht noch viele Möglichkeiten, in denen die neuen Schrittmacher helfen könnten, so auch für Patienten nach einem Schlaganfall. Die gezielte Hirnstimulation würde die Motorik verbessern.
Zudem forschen Pollo und sein Team an einer nächsten Generation von Hirnschrittmachern. Sie sollen smart werden und nur dann Impulse geben, wenn ein Problem auftritt, und sie sollen pathologische Aktivitäten ableiten. Heisst: Gibt das Gehirn einen schädlichen Impuls, wird er quasi neutralisiert. «Das ist noch Zukunftsmusik.» Fünf Jahre brauche es noch.