Bei welchem Orchester man auch nachfragt: Der schwedische Dirigent Herbert Blomstedt, der heute, am 11. Juli seinen 90. Geburtstag feiert, wird überall in höchsten Tönen gelobt - für seine Musikalität, aber auch für seine Menschlichkeit.

Seine Auftritte sind nicht spektakulär und dennoch ein grosses Ereignis. Denn wenn Herbert Blomstedt in Europa oder Übersee vor ein Orchester tritt, kann man die Spannung bei Musikern und Publikum gleichermassen spüren. Der Grandseigneur der Dirigentenzunft wird 90 Jahre alt, doch seine Interpretationen sind frisch wie eh und je.

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Am liebsten Lokführer geworden

Blomstedt wurde 1927 als Sohn schwedischer Eltern, eines Predigers und einer Pianistin, in den USA geboren. Von seiner Mutter erhielt er ersten Musikunterricht. Im Kindesalter wäre er nach eigenem Bekunden am liebsten Lokführer geworden. Als Abiturient hatten es ihm Fächer wie Mathematik, Geschichte, Geografie und Sprachen angetan.

Wie sein Vater hätte er auch Theologie studieren können. Doch schliesslich entschied er sich für die Musik, studierte in Stockholm Geige, später auch Dirigieren unter anderem bei Leonard Bernstein. 1954 gab Blomstedt sein Dirigentendebüt mit den Stockholmer Philharmonikern.

Dankbar für jede Chance

Erste Chefpositionen nahm er beim Orchester in Norrköping, bei der Osloer Philharmonie und dem Dänischen Radio-Sinfonieorchester ein. Wenn man heute mit Blomstedt über seine Anfänge spricht, berichtet er nicht nur detailliert über jede dieser Stationen. Er ist auch voller Dank dafür, dass er sich dort ein grosses Repertoire erarbeiten konnte.

1969 debütierte er bei der Staatskapelle Dresden, die sechs Jahre später seine neue künstlerische Heimat wurde. Nach der für ihn überaus erfolgreichen Zeit an der Elbe machte er das San Francisco Symphony Orchestra zu einem führenden Klangkörper der USA.

1996 kehrte er nach Deutschland zurück, leitete zunächst das NDR- Sinfonieorchester. 1998 folgte die Stelle als Gewandhauskapellmeister in Leipzig. «Herbert Blomstedt ist als Mensch, Musiker und Dirigent eine Ausnahmeerscheinung», sagt Gewandhausdirektor Andreas Schulz.

In Leipzig verehre man ihn wohl wie keinen anderen Musiker. Schulz nennt Blomstedt einen «begnadeten Lehrer, ausgezeichneten Zuhörer und sehr guten Ratgeber». Zudem sei er stets auf der Höhe der Forschung: «Das Studium und das Suchen nach Neuem ist seine Leidenschaft.»

Überlässt das Reden der Musik

Tatsächlich beginnt Blomstedt noch heute seinen Tag mit Partitur- Studium. Das ist so etwas wie Frühsport für den Maestro. «In jedem Konzert gibt es Stellen, die ich im Rückblick etwas anders machen würde - auch wenn ich insgesamt zufrieden war», verrät der Schwede.

Es sind Eigenschaften wie diese, die der Dresdner Orchesterdirektor Jan Nast an Blomstedt bewundert: sein phänomenales Gedächtnis, seine menschliche Wärme, seine Musikalität. Nast ist froh, dass junge Orchestermusiker noch immer von dieser Art des Arbeitens und Musizierens profitieren können: «Diese Generation gibt es bald nicht mehr.»

Der Maestro selbst bleibt bei allem Lob bescheiden: «Ich war immer geprägt von Selbstzweifeln. Ich habe mir stets die Frage gestellt, ob ich gut genug bin, um ein Orchester anzuführen.» Bei Proben frage er sich heute noch, ob er ausreichend vorbereitet sei, um den Musikern etwas zu geben: «Wenn ich merke, dass das Orchester dankbar für meine Anwesenheit ist, beflügelt mich das sehr.»

Nie habe er sich für eine Chefposition beworben. Dass die Orchester bei ihm anfragten, sei gut für das Selbstgefühl gewesen. Er sehe seine Aufgabe darin, «dass die Musik möglichst viel sagt und ich möglichst wenig».

(sda/ccr)