Das aktuelle Jahr ist für die Superreichen kein gutes – im Gegensatz zu 2021. Im bisherigen Jahresverlauf haben die 500 reichsten Menschen der Welt zusammen rund 1,2 Billionen Dollar verloren.

Das Vermögen von Amazon-Gründer Jeff Bezos sank allein vorletzten Dienstag um 9,8 Milliarden Dollar, als in den USA die unerwartet hohen Inflationsdaten bekannt wurden und die Aussicht auf ein anhaltend hohes Zinserhöhungstempo der Fed die Wall Street auf Talfahrt schickte.

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Nur einer widersetzt sich diesem Abwärtstrend: Gautam Adani. Der indische Unternehmer ist in diesem Jahr noch reicher geworden – und zwar gehörig. Seit Anfang 2022 hat er sein Nettovermögen, das «Forbes» aktuell mit gut 150 Milliarden Dollar angibt, verdoppelt.

Damit ist Adani gemäss dem Bloomberg-Milliardärs-Index zurzeit der zweitreichste Mensch der Welt. Im Ranking liegt er nun vor Bezos und dem französischen Luxusgütermagnat Bernard Arnault und bloss noch hinter Elon Musk. Der Tesla-Gründer weist einen Vorsprung von rund 120 Milliarden Dollar auf Adani auf.

Adanis Reichtum basiert auf Häfen und Kohle

Die grosse 150-Milliarden-Dollar-Frage: Wie ist Adani so reich geworden? Der Studienabbrecher und ehemalige professionelle Diamantenhändler legte die Basis für seinen gewaltigen Reichtum in den 1990er Jahren. Damals sicherte er sich den Hafen in Mundra an der Westküste Indiens. 

Später führte sein Weg in den Energiesektor, und seitdem scheffelt Adani Kohle mit Kohle. Die in den letzten Monaten stark gestiegenen Kohlepreise haben seinen Aufstieg beschleunigt, während die US-Tech-Mogule an Dominanz im Ranking der Superreichen eingebüsst haben.  

In den vergangenen Jahren hat der reichste Asiat sein Konglomerat stetig ausgebaut, indem er sich in ziemlich unterschiedliche Bereiche vorgewagt hat. So besitzt die Adani Group etwa Indiens grössten privaten Hafen- und Flughafenbetreiber, mehrere Rechenzentren und einen städtischen Gasversorger. Im vergangenen Frühling kaufte Adani das indische Zementgeschäft von Holcim für 6,4 Milliarden Franken. Und in Australien baut er gerade eines der grössten Bergwerke der Welt, das Steinkohlebergwerk Carmichael.

Gleichzeitig will der Industriemagnat eine Kehrtwende vollziehen und seinen Mischkonzern zum weltweit grössten Produzenten von grüner Energie machen. Um dieses Ziel zu erreichen, versprach Adani vergangenes Jahr, 70 Milliarden Dollar in erneuerbare Energien zu investieren.

Kritikerinnen und Kritiker sehen in dieser vollmundigen Ankündigung bloss einen PR-Stunt und werfen Adani vor, Greenwashing zu betreiben – hängt ein Grossteil seiner Einnahmen doch immer noch von fossilen Brennstoffen ab. Vergangenes Jahr etwa protestierten Klimaaktivisten und Klimaaktivistinnen in London gegen sein Geschäftsgebaren.

Ein Demonstrant demonstriert mit gefälschtem Geld und dem Konterfei von Gautam Adani. Aktivisten von Extinction Rebellion protestierten 2021 vor dem Science Museum in South Kensington gegen die Unterstützung des Museums durch die fossilen Energiekonzerne Shell und Adani.

Ein Aktivist der Umweltschutzbewegung «Extinction Rebellion» protestiert verkleidet als Gautam Adani vor dem Science Museum in South Kensington gegen die Unterstützung des Museums durch die fossilen Energiekonzerne Shell und Adani Group.

Quelle: imago images/ZUMA Wire

Zudem mehren sich die Bedenken gegenüber der Stabilität von Adanis schnell wachsendem Imperium. Das zur Ratingagentur Fitch gehörende Unternehmen Creditsights bezeichnete die Adani Group in einem im August veröffentlichten Bericht als «stark überschuldet». Später milderten die Kreditmarktforscherinnen und -forscher ihre Aussage aber wieder etwas ab.

Ungeachtet all dieser Bedenken sind die Aktien des Adani-Firmenkonglomerats in die Höhe geschnellt – einige davon um mehr als 1000 Prozent seit 2020. Die Konzernbewertung übertrifft den Gewinn gemäss Bloomberg um das 750-Fache. 

Alte Freundschaft half beim Aufstieg

Adanis Erfolgsrezept: die Konzentration auf Geschäftszweige, welche Premierminister Narendra Modi als entscheidend für die Erreichung der langfristigen Ziele Indiens ansieht. Die beiden stammen aus dem westlichen Bundesstaat Gujarat – und sind seit Jahren gut befreundet. Adani war einer der wichtigsten Unterstützer von Modi, der zuvor Chefminister von Gujarat war, bis dessen politisches Streben 2014 im Amt des indischen Premiers mündete.

Als Modi seinen Posten antrat, flog er in Adanis Privatjet in die Hauptstadt Neu-Delhi. Das war nicht nur eine offene Freundschaftsbekundung, sondern auch ein Symbol für den gleichzeitigen Machtaufstieg. Seitdem gewinnt der Unternehmer regelmässig staatliche Ausschreibungen für Infrastruktur- und anderweitige Projekte. 

Ein besonders prägnantes Beispiel: Als die indische Regierung 2018 die Privatisierung von sechs Flughäfen genehmigte, lockerte sie die Wettbewerbsregeln. Dadurch durften sich auch Unternehmen ohne jegliche Erfahrung im Luftverkehr bewerben. Der klare Gewinner der Regeländerung: Gautam Adani. Der milliardenschwere Industrielle, der zuvor noch nie mit dem Betrieb von Flughäfen zu tun gehabt hatte, erhielt den Zuschlag für alle sechs Flughäfen.

Mit Material von Bloomberg.