Apple wagt sich mit seiner ersten Computeruhr auf eines seiner grössten Abenteuer. Es geht nicht einfach nur um den Eintritt in eine neue Gerätekategorie. Der iPhone-Konzern hat sich auch das Ziel gesetzt, sinnvolle Szenarien für die Nutzung eines Mini-Computers am Handgelenk zu erfinden. Schliesslich ist einer der Gründe dafür, dass Computer-Uhren trotz einer Auswahl an Modellen diverser Hersteller immer noch ein Nischengeschäft sind, die Tatsache, dass viele Smartphone-Nutzer schlicht keine Verwendung dafür im Alltag sehen.

Laut letzten Berichten vor dem heutigen Event, von dem die Präsentation der noch unbekannten Details zur Apple Watch erwartet wird, scheint das Konzept des Konzerns einen Nerv zu treffen. «Leute, die die Watch getragen haben, sagen, dass sie ihre Telefone viel, viel seltener als früher aus der Tasche holen», schrieb etwa das Technologie-Blog «Techcrunch». Einige sagten sogar, dass sie ihre iPhones tagsüber so gut wie gar nicht mehr nutzten. Eine zentrale Hilfe dabei sei «persönliche Assistentin» Siri, mit der man sich unterhalten kann - was auf der Uhr «unglaublich gut» funktioniere.

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Keine hohe Latte für Apple

Einige Marktforscher wie James McQuivey von der Analysefirma Forrester Research erwarten, dass Apple in diesem Jahr mehr Uhren verkaufen werde als alle Anbieter von Technik fürs Handgelenk bisher insgesamt von ihren Geräten absetzen konnten. Die Latte liegt - zumindest für Apple-Verhältnisse - nicht sonderlich hoch.

So wurden im vergangenen Jahr nach Berechnungen der Marktforschungsfirma Canalys insgesamt 4,6 Millionen «smarte» Armbänder verkauft. Darunter seien nur 720'000 Computeruhren mit dem von Google im Sommer vorgestellten Betriebssystem Android Wear gewesen.

Die Rivalen beeilten sich

Die Rivalen beeilten sich, kurz vor dem bisher für April angekündigten Marktstart der Apple Watch nachzulegen. So stellte der südkoreanische Konzern LG auf dem Mobile World Congress in Barcelona Uhren mit Mobilfunk-Anschluss vor, die im Gegensatz zur Apple Watch ohne eine Verbindung zum Smartphone ins Netz gehen können. Der chinesische Hersteller Huawei versprach eine runde Computeruhr mit «zeitlosem» Design.

Der aktuelle Marktführer Samsung hat schon seit Herbst die vierte Generation seiner Uhren im Handel, ein Modell mit Mobilfunk-Anbindung. Und der französische Elektronikhersteller Withings erzielte einen Achtungserfolg mit seiner smarten Armbanduhr Activité, die zwar nur wenige Aktivitäten aufzeichnen kann, deren Batterie aber auch acht Monate lang durchhält.

Zwei grosse Fragen sind noch offen

Bei der Apple Watch sind noch vor allem zwei grosse Fragen offen: Wie teuer werden die beiden hochwertigeren Ausführungen? Und wie lange genau hält die Uhr mit einer Akkuladung durch? Bei den Batterielaufzeiten habe Apple seit der ersten Ankündigung im September einige Fortschritte gemacht, berichtete der hervorragend vernetzte Technologieblogger Mark Gurman von «9to5Mac» am Wochenende.

So halte die Uhr nun bis zu fünf Stunden bei ständiger aktiver App-Nutzung durch. Bei einem typischen Nutzungsszenario reiche die Akkuladung locker vom Morgen bis zum Abend. Dennoch müsse man die Uhr jede Nacht aufladen, was vier bis fünf Stunden dauere. Andere Blogs berichten, dass die Watch bereits in zwei Stunden wieder aufgeladen werden könne.

Bei den Preisen sickerte dagegen bis zuletzt gar nichts durch, es gibt nur Vermutungen. Apple selbst erklärte im September nur, dass die günstigste Sport-Version ab 349 Dollar zu haben sein werde. Sofort setzten die Spekulationen ein, was die Konzern für die «Edition»-Ausgabe mit einem Gehäuse aus 18-Karat-Gold verlangen werde. Die Schätzungen von Analysten und Apple-Experten liegen inzwischen in der Spanne zwischen 5000 und 10 000 Dollar - was eindeutig auf die Käufer teurer Schweizer Uhren zielen würde.

Aber wie will Apple das Problem lösen, dass die Technik einer Smartwatch im Gegensatz zu einer klassischen Uhr nach wenigen Jahren veraltet sein dürfte? Und wie teuer wird die mittlere Edelstahl-Version? Apple-Kenner John Gruber vermutet hier das grösste Potenzial für einen Aufschrei nach Ankündigung der Preise. Er hält für möglich, dass die Edelstahl-Uhr nicht unter 749 Dollar verkauft wird. Denn: «Apple setzt die Preise nicht danach, was die Leute zahlen wollen, sondern danach, was sie bereit sind, zu bezahlen.»

Ein neues Spielfeld für Apple

Mit den teuren Modellen der Uhr wagt sich Apple auf ein neues Spielfeld: Das Geschäft mit Luxus-Modeartikeln. Der Vorstoss wurde generalstabsmässig vorbereitet. Die Chefin der Modemarke Burberry, Angela Ahrendts, leitet jetzt die Apple Stores. Der Top-Manager des Pariser Nobelhauses Saint Laurent, Paul Deneve, verschwand in Cupertino in einer Rolle für «Spezialprojekte», die Europachefin folgte. Aus der Luxus-Uhrenindustrie kam ein Verkaufsmanager der Marke TAG Heuer dazu, Patrick Pruniaux.

Bei den Schweizer Uhrmachern ist der Weckruf inzwischen angekommen. Nachdem sie zunächst die Kompetenz von Apple in Frage gestellt haben, arbeiten sie nun verstärkt daran, «smarte» Funktionen in ihre Uhren zu integrieren.

(awp/ccr)