Luxus? Das sind wir nicht», sagt Thomas Weber. Er sitzt am Konferenztisch im Büro des Kameraherstellers Alpa of Switzerland in einem schlichten Betonbau in Zürich – nebenan ein Kindergarten, die Seefeldstrasse einige Querstrassen weiter unten. Aus der Perspektive der Kameraindustrie sitzt Weber in einer mauselochkleinen Nische des weltweiten Marktes. Aus der Perspektive vieler Profifotografen sitzt er auf dem Matterhorn der Kameraentwicklung direkt neben dem Gipfelkreuz.
Für Eingeweihte ist Alpa das Nonplusultra der Fototechnik. Und das, obwohl die Zürcher weder Objektive noch Digitalkomponenten herstellen, von Software ganz zu schweigen. Und Bedienungsanleitungen sucht man in den Kamerakartons ebenfalls vergeblich. Alpa ist ein Phänomen. Aber kein Luxus. «Zumindest nicht im Sinne von Überfluss», sagt Weber. Und André Oldani ergänzt: «Sammler haben wir fast keine.»
Mit jurassischen Wurzeln: bankrott und wiedererweckt
Weber, seine Frau Ursula Capaul und der ehemalige Banker André Oldani sind die drei Besitzer der Firma, die in der Branche einen so guten Ruf hat – und eine Geschichte, die derjenigen vieler anderer Fotomarken gleicht. Alpa-Kameras wurden von 1944 an von der jurassischen Firma Pignons gebaut, einem Zulieferer für die Uhrenindustrie.
Pignons ging 1990 pleite, und mit ihr verschwand auch Alpa. Wie weltweit viele andere Marken, die den Sprung in die digitale Zeit nicht schafften. Damals stiessen Capaul und Weber zufällig auf die Konkursanzeige. Beide waren um die 50 Jahre alt, sie Erziehungswissenschaftlerin und Ethnologin, er Grafikdesigner und Psychologe. Sie suchten damals nach einem neuen Sinn in ihrem Leben.
Auch Karl Lagerfeld besitzt eine Alpa
Weber kannte den guten Ruf von Alpa, und nach einigen Querelen mit den Konkursverwaltern konnten sie sich die Namensrechte sichern. Zusammen mit Spezialisten wie der Firma Seitz Phototechnik entwickelten sie eine völlig neue Kamera: komplett mechanisch, modular aufgebaut mit einem soliden Metallrahmen, an den man mit Adaptern vorn die unterschiedlichsten Objektive und hinten je nach Anforderung Film- und Digitalrückwände anschliessen kann.
«Zuerst wollten wir gar kein Kamerahersteller sein, sondern ein Freundeskreis Alpa», erzählt Weber. Das Geschäftsmodell sei bis heute nicht auf Umsatzmaximierung ausgerichtet. Denn «Profis, die viel Geld verdienen, sind rar in dieser Branche», so Weber. Freunde aber fanden sie schnell. Etwa den berühmten Reportagefotografen Raymond Depardon, der an der ersten Messe angeblich rief: «Auf so eine Kamera habe ich jahrelang gewartet.» Er orderte sofort eine. Heute gehören Künstler wie Andreas Gursky genauso zu den Kunden wie Modezar Karl Lagerfeld oder Fotojournalist Luc Delahaye.
Von Zulieferern abhängig
Woran das liegt, weiss Weber ganz genau: «Wir wollen Bilder auf fünf mal acht Meter vergrössern können. Zudem sind uns der Ton und das Gefühl beim Einrasten der Objektive nicht wurst. Das ist Qualität.» Dass eine Alpa diese Qualität vermittelt, grenzt an ein Wunder. Die kleine Firma stellt eigentlich nur ein Bindeglied dar für Digitalrückteile aus Dänemark, Japan und Schweden sowie Objektive aus Deutschland und der ganzen Welt.
Weber stöhnt, dass Hersteller wie die dänische Phase One ihnen nie mitteilten, was gerade entwickelt werde. Das mache das Business schwierig für einen Nischenhersteller. Wenn eine dieser Firmen untergehe, dann spüre das auch Alpa.
«Zum Luxus gehören wir nicht»
Der Ausweg war klar: Eine Etage unterhalb des Büros, wo die fünf Angestellten der Firma arbeiten, stehen fünf hüfthohe Schrankkoffer voll von Adaptern, Kabeln, Verbindern und Griffen, die alle möglichen Teile für Alpa-Kameras zugänglich machen. Die Preise der Mittelrahmen – also ohne Objektiv oder Digitalrückwand – bewegen sich zwischen zwei- und achttausend Franken. Ein Konzept, das die Zukunft der Marke zu sichern scheint, «immerhin haben wir in mehr als zwanzig Jahren viele Marken überlebt», so Weber. Er beginnt aufzuzählen: Minolta, Kodak, Contax … Und ihr Umsatz mache die Talfahrt in der Branche auch nicht mit.
Aber über eines ist sich Weber sicher: «Zum Luxus gehören wir nicht. Unser Produkt ist nur so gut gemacht wie möglich.» Er überlegt und sagt dann: «Das ist eben das Schweizerische an uns.»