Giorgio Armani krönt sein Lebenswerk. Am 1. Mai eröffnet der Stardesigner in Mailand ein eigenes Museum. Bereits am Abend zuvor feiert er mit geladenen Gästen sein 40-jähriges Firmenbestehen und gleichzeitig die Eröffnung der Weltausstellung Expo (1. Mai bis 31. Oktober), deren Sonderbotschafter er ist.
Von so einer Erfolgsgeschichte träumen sicherlich auch Stella Jean, Marco De Vincenzo oder Massimo Giorgetti. Sie sind die grossen Hoffnungsträger der italienischen Mode. Denn die wartet schon viel zu lange auf den nächsten Armani.
Die Nachwuchssorgen sind fast schon chronisch. Die aktuelle Lichtgestalt der Mailänder Modeszene heisst Miuccia Prada - die Frau ist 65 Jahre alt. Armani selbst wird im Sommer 81. Zuletzt gelang es Dolce & Gabbana, den eigenen Namen zu einer Weltmarke aufzubauen - Ihr Debüt: 1985.
Mode mit politischer Botschaft
Damals war Stella Jean gerade einmal fünf. Heute zählt die Römerin zu den Designern, denen die Fachwelt eine grosse Karriere zutraut. Ihr Stil hat schon jetzt einen hohen Wiedererkennungswert. Sie überträgt die Farb- und Musterpracht ferner Kulturen auf westliche Schnitte.
Für Stella Jean geht es dabei um mehr als eine schöne Oberfläche. «Die Mode ist meine Ausdrucksform um zu erzählen, dass Multinationalität eine kulturelle wie menschliche Bereicherung ist. In der Hoffnung, dass diese Erkenntnis eines Tages zum gelebten Allgemeingut wird.»
Tochter einer Haitianerin und eines Italieners
Es ist auch ihre eigene Geschichte, die sie hier aufarbeitet. Als Tochter einer Haitianerin und eines Italieners sah sich die dunkelhäutige Stella Jean in ihrer Jugend immer wieder Diskriminierungen ausgesetzt.
Ursprünglich studierte sie Politikwissenschaften. Zur Mode kam sie als Autodidaktin. Doch Politik macht Stella Jean auch als Designerin. Sie kooperiert mit der «Ethical Fashion Initiative», vergibt zum Beispiel Aufträge an Mikrounternehmerinnen in Burkina Faso.
Unterstützung von der grossen Koryphäe
Was Italiens Modezukunft betrifft, ist Stella Jean optimistisch - und glaubt an eine Art Renaissance. «Wir jungen Designer haben ein unschätzbares kreatives, kulturelles und handwerkliches Vermächtnis mitbekommen. Und ich spüre in uns allen den Willen, dieses Erbe zu pflegen und zu erneuern. Unterstützung erfahren wir dabei von unseren grossen Koryphäen.»
Die «Koryphäe» in ihrem Fall heisst: Giorgio Armani. Seit zwei Jahren stellt er während der Mailänder Modewoche einem aufstrebenden Designer sein Theater für dessen Show zur Verfügung - Stella Jean profitierte davon im September 2013. Zwei Jahre zuvor war sie unter den Finalisten des Nachwuchswettbewerbes «Who is on next», einer weiteren Fördermethode, hinter der gleich mehrere italienische Modeinstitutionen stehen.
Talente scheitern am Geld
Auch Marco De Vincenzo reüssierte 2009 bei diesem Wettbewerb. Der 37-jährige Sizilianer liebt einerseits einfache, klare Formen und andererseits expressive, innovative Verzierungen. «Ich möchte mich ständig neu erfinden und gehe dafür auch gern ins Risiko», beschreibt er seine Herangehensweise.
Marco De Vincenzo startete seine Karriere als Accessoire-Designer für das römische Luxushaus Fendi. Dieser Tätigkeit geht er auch heute noch nach. Sie gibt ihm ein sicheres Einkommen, aber auch finanziellen Spielraum für das eigene Projekt.
Geld ist nämlich das Kriterium, an dem so manches vielversprechende Talent scheiterte. Denn ein Label braucht eine Anfangsfinanzierung - und Italien ist ein wirtschaftlich angeschlagenes Land. Marco De Vincenzo hat das Glück, dass der mächtige französische Luxuskonzern LVMH an ihn glaubt und Anteile an seinem Unternehmen hält.
«Dieses Engagement gibt mir mehr Glaubwürdigkeit und Stabilität. Ich kann mich stärker auf den kreativen Teil konzentrieren. Denn letztlich ist eine eigene stilistische Identität der Schlüssel zum langfristigen Erfolg.»
Von grossen Familien geprägt
Auch Massimo Giorgetti, Jahrgang 1977, hat seinem Label MSGM ein klares Profil verliehen. Seine intensiven Farben und Computerdrucke begeistern vor allem junge Modefans. Nun übernimmt er parallel die kreative Leitung des florentinischen Traditionshauses Emilio Pucci. So ein Engagement gilt als Ritterschlag für einen Newcomer. Im Fall Giorgetti führt sie aber auch zu einer Doppelbelastung. Und in ähnlichen Fällen litt darunter die Entwicklung des eigenen Labels.
Nur sind diese Topjobs ohnehin rar. Denn Italiens Mode wird stark von Familien geprägt wie den Etros oder Missonis. Wichtige Positionen werden oft weitervererbt. Wer nicht ständig in der zweiten Reihe arbeiten will, dem bleibt oft nur der Aufbau eines eigenen Labels - oder der Weg nach Paris, wo einige der grössten italienischen Talente der jüngeren Vergangenheit ihren Erfolg fanden.
Doch derzeit scheint dieser Aderlass gestoppt. Mailands Modeszene ist in Bewegung. Zur neuen Garde zählt zum Beispiel auch Fausto Puglisi, der mit einem Mix aus Barock und Rock an den frühen Gianni Versace erinnert. Oder das schon etabliertere Duo Aquilano.Rimondi, das eine raffinierte Eleganz pflegt. Und vielleicht ist unter all diesen Designern am Ende sogar wirklich ein neuer Armani.
(sda/ccr)