Herr Gantenbein, herzlichen Glückwunsch zu 30 Jahren Hochparterre. Haben Sie gut gefeiert?
Sehr gut  – mit etwa 400 Gästen, leckerem Kuchen, schönen Reden und einem Film über Hochparterre. Und die Feier geht mit vielen Aktionen das ganze Jahr noch weiter.

Wie hat sich Ihr Magazin in den vergangenen 30 Jahren verändert?
Benedikt Loderer und ich sind mit einem Blatt gestartet, das wir von vorne bis hinten bestimmt haben. Heute ist Hochparterre ein Magazin mit 22 Mitarbeitern, das Architektur, Design und Planung mit unterschiedlichen, vielfältigen Stimmen erzählt.

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Gibt es auch etwas, das über all die Jahre gleichgeblieben ist?
Hochparterre ist nach wie vor ein Heft, das von Journalisten geführt und gemacht wird. Wir sind uns treu geblieben als fröhlich Schwimmende im rotgrünen Teich. Auch haben wir nach wie vor dasselbe Leitbild: Liberté, Égalité, Fraternité.

Das heisst?
Jeder bei Hochparterre ist ein Autor – vom Journalisten bis zur Verlagsfrau. Alle bekommen den gleichen Lohn – vom jungen Redaktor bis zum alten Chefredaktor. Und wir gehen achtsam miteinander um.

Apropos Égalité: Bei Hochparterre bekommen alle den gleichen Grundlohn und einen variablen Lohn je nach Profit. Fällt dieser angesichts der Krise in der Medienbranche gering aus?
Gering wäre gejammert. Er fällt aber nicht so aus wie in den Jahren zuvor, weil auch wir in der Bredouille der Presselandschaft stecken. Es sind aber immer noch über 100'000 Franken für jeden und jede.

Köbi Gantenbein

Köbi Gantenbein, 1956 in Samedan geboren, lebt und arbeitet in Zürich und Fläsch. Er ist Chefredaktor und Verleger von Hochparterre, der Zeitschrift für Architektur, Planung und Design. Als Journalist hat er bei der Bündner Zeitung angefangen, an der Universität Zürich Soziologie studiert und sein Studium mit einer Arbeit über die Grafik des Tourismus im Kanton Graubünden abgeschlossen. 1988 gründete er zusammen mit Benedikt Loderer Hochparterre, seit 1996 ist er Chefredaktor. 2013 erhielt er den Zürcher Journalistenpreis.

Inwiefern stecken Sie in der Bredouille?
Wir haben den branchenüblichen Einbruch im Inserat-Geschäft und merken den Strukturwandel, weg vom Print hin zu elektrischen Medien. Aber im Unterschied zu anderen Titel haben wir keinen dramatischen Rückgang an Lesern. Insgesamt haben wir eine Auflage von etwa 8000. Unsere Leserzahl aber liegt bei 76'000, weil unser Magazin oft in den Architektur- und Planungsbüros ausliegt und dort die Runde macht.

Entscheiden sich denn immer mehr Abonnenten für Ihr E-Paper?
Auf hochparterre.ch zählen wir mittlerweile 30'000 Besucher, die regelmässig auf die Seite kommen. Für uns spielt Online eine immer grössere Rolle, weswegen wir zur Zeit an einem Redesign sitzen. Reine Digital-Abonnenten haben wir nur ein paar hundert. Die meisten haben das Kombi Print-Online und springen so über die Bezahlmauer. Oder sie lesen Online halt nur die für alle offenen Beiträge.

Wie sieht Ihre Online-Strategie aus? Stellen Sie Artikel aus der Ausgabe online?
Online unterscheiden wir drei Arten von Publikationen. Erstens gehen eigens für die Online-Ausgabe geschriebene Geschichten und Kommentare online, die nur für Abonnenten verfügbar sind. Zweitens veröffentlichen wir ausgewählte Artikel aus der Ausgabe, die ebenfalls hinter der Bezahlmauer sind. Und dann gibt es noch Content für alle, vor allem Pressemeldungen und Nachrichten, bei denen unsere eigene journalistische Leistung eher gering ist.

Haben Sie jemanden, der ausschliesslich für Online arbeitet?
Mein Kollege Urs Honegger kümmert sich um hochparterre.ch. Eine Redaktion, die nur online arbeitet, kennen wir nicht. Alle Redaktoren und Redaktorinnen schreiben für alle Medien von Büchern über die Zeitschrift bis online.

Hochparterre ist ökonomisch relativ breit aufgestellt. Wie verdienen Sie Ihr Geld?
Wir machen etwa 3,5 Millionen Franken Umsatz im Jahr. Ein Drittel stammt aus Inseraten für Hochparterre und Hochparterre-Wettbewerben. Ein Drittel kommt aus Abonnements unserer Zeitschriften und aus Büchern. Und einen Drittel erzielen wir mit Projekten, beispielsweise unseren Themenheften, die wir mit unterschiedlichen Partnern machen und die drittmittelfinanziert sind. Im Jahr machen wir 17 solche Hefte. Wir haben die ganze Kette vom Anzeigenverkauf über die Redaktionen und das Design im Haus.

Hochparterre

Hochparterre feiert sein 30-jähriges Jubiläum.

Quelle: Hochparterre

Würden Sie sagen, dass Sie es in der aktuellen Situation einfacher haben als ein breites Publikumsmedium?
Ich glaube nicht, dass wir es einfacher haben, einige Kollegen mit Architektur- und Designverlagen mussten aufgeben in den letzten Jahren. Aber wir haben es anders wegen unseres unternehmerischen Zuschnittes. Wir haben keinen Overhead aus Besserwissern und vor allem keine Aktionäre, die gemästet werden müssen. Alle Aktionäre sind Mitarbeiter. Wir haben schlanke Strukturen, weswegen wir krisenerprobt, phantasievoll und schnell sind.  

Hat sich denn der Stellenwert von Architektur und Design in den letzten 30 Jahren in der Schweiz verändert?
Als wir begonnen haben, wurde Architektur öffentliches Thema, es war die Zeit der Star-Architekten. Architektur und Design war bald in aller Munde. Auch wegen uns. Bald flachte der Hype ab, auch weil es alltäglich wurde, über Architektur zu reden. Stark an öffentlicher Relevanz und Aufmerksamkeit zugenommen hat die Planung, sprich Fragen rund ums Bodenrecht, den Umgang mit Landschaften, die Orts- und Regionalplanung.

Wie hat sich grundsätzlich Ihre Arbeit über die Jahre verändert?
Wir sind professioneller geworden im Journalismus und normal in der Ökonomie der Firma. Was am Küchentisch begonnen hat, ist heute ein Verlag mit 22 Leuten, die wesentliche Beiträge zu ihren Familieneinkommen nach Hause bringen. Die Sorge um die Balance von Ausgabe und Einkünften beschäftigt mich heute mehr. Vor 30 Jahren spielten die Aufwände für grosse Reportagen keine Rolle, heute ist die Zeit auch für unsere Reporter und Reporterinnen enger, obschon wir ja vieles selber bestimmen können. Früher haben wir einfach nur eine Zeitung gemacht. Heute machen wir Themenhefte, Bücher, sind online unterwegs, ich halte etwa 40 Vorträge im Jahr, wir sitzen in Gremien. Kurz – wir machen heute mehr mit demselben Geld. Und verdienen auch mehr.

Bereuen Sie etwas, wenn Sie auf die letzten 30 Jahre zurückblicken?
Ich bedaure, einer Idee meiner regsamen Verlagsleiterin Agnes Schmid nicht gefolgt zu sein.

Was war das für eine Idee?
Sie hat vor Jahren vorgeschlagen, dass wir eine Partnerbörse für Architekten und Designerinnen online einrichten sollten. Diese Menschen arbeiten von früh bis spät und haben keine Zeit sich kennenzulernen.

Göbi Kantenbein und Benedikt Loderer von Hochparterre 2001

Göbi Kantenbein (l.) und Benedikt Loderer im Jahr 2001.

Quelle: Keystone

Ein Datingportal? Was hat das noch mit Hochparterre zu tun?
Ich dachte auch, das ist wohl unseriös, das verzeihen uns viele strengen Architekten nicht. Und hatte auch Respekt vor den Ingenieurskosten. Doch das war ein Fehler. Es wäre eine Goldgrube geworden.

Sprechen die Menschen eigentlich gerne mit Hochparterre?
Ja, auch wenn die Leute mit denen wir zu tun haben, gerne schnell beleidigt sind, wenn man ihr Werk nicht lobt. Dann schweigen sie mit uns. Die Empfindlichkeit verstehe ich gut, weil hinter den künstlerischen Projekten viel Leidenschaft und Herzblut steckt. Den kritischen Diskurs haben Architekten und Designerinnern dann gerne, wenn er über andere Projekte geht. Das geht viele Leuten ja so, unsere Leser leiden da aber stärker und grollen uns über Jahre.

Und wie weit geht so ein Groll? Bis zum Inserat-Boykott?
Das passiert selten. Gemessen daran, was wir uns an Freiheiten nehmen, sind unsere Inserenten tolerant. Wohl auch, weil sie ihr Inserat lieber in einem Magazin sehen, wo es von den richtigen Leuten gesehen wird. Unsere Leserinnen und Leser schätzen unsere freche und aufmüpfige Art. Und das gute Gelesenwerden tröstet ab und zu einen Kritisierten.

Sie werden noch ein paar Jahre bei Hochparterre weitermachen. Was wollen Sie in dieser Zeit erreichen?
Ich werde Hochparterre achtsam, neugierig und in guter Verfassung der nächsten Generation übergeben. Diesen Prozess treiben die Hochparterris herzhaft mit Suchen, Kopf anschlagen und Finden phantasievoll voran. Zweitens möchte ich mehr Zeit zum Schreiben haben. Und drittens will ich helfen, dass Hochparterre online Blüten treibt.

Was für Blüten denn?
Es wird phantasiereiche journalistische und verlegerische Formate erfinden, dann kommt der ökonomische Erfolg von alleine.

Wo sehen Sie denn den Journalismus in 15 Jahren? Wird Print verschwinden?
Nein. Es wird andere Printformate geben und Print und Online wird stärker miteinander kombiniert. Das Buch hat eine rosige Zukunft.

Und glauben Sie, dass es auch Hochparterre dann noch geben wird?
Das glaube ich nicht nur, da bin ich sicher.