Andreas Caminada, der brillante Koch vom Schloss Schauenstein, hat Ende letzten Jahres im Grand Resort Bad Ragaz sein zweites Restaurant eröffnet. Ein gelungener Umbau nahm der «Äbtestube» die klösterliche Strenge. Warme Farben, behagliche Parkettwände und eine sorgsam gesetzte Tischordnung sorgen nun für intime Geborgenheit. Passend heisst das Lokal «Igniv» – was auf Rätoromanisch Nest bedeutet.
Mit Silvio Germann installierte Caminada eines seiner begabtesten Küchenfohlen. Der junge Luzerner entwickelte mit seinem Chef ein neues Konzept: Neudeutsch nennt es sich «Fine Dining Sharing Experience». Caminada selber umschreibt es salopp so: «Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt.» Die Tischrunde teilt sich den Schmaus aus den vielen Schalen und Platten in der Tischmitte.
Die Post ging ab
Gastgeber Francesco Benvenuto empfahl uns die Variante mit drei Gängen und Surprise (138 Franken plus 60 Franken) und liess dann die Post abgehen. Auf vier Amuse-Bouches – toll die Luftbrot-Langustine oder das Ei im Nest – folgten sieben Vorspeisen. Grossartig etwa die Gänseleber mit Rhabarber und Schokolade, der Saibling mit Erbsen und das Kalbstatar mit luftigen Kartoffelchips. Eher banal war die Spargel mit Eier-Mayonnaise-Vinaigrette oder die Karotten-Kaninchen-Terrine. Bei der Surprise begeisterte die Langustine mit Morcheln, Hummersauce und Nussbutter-Tortellini. Der Hauptgang deklinierte perfekt das Ormalinger Milchschweinchen – Bäggli, Bauch, Entrecôte und Spare Ribs. Die Desserts spielten mit der Rhabarber. Je länger das Mahl dauerte, desto grösser das Vergnügen.
Massgeblichen Anteil daran hatte auch Benvenuto. Er wirkte schon als Gastgeber in der «Äbtestube». Es war ein kluger Schachzug von Andreas Caminada, ihm auch im «Igniv» die Restaurantleitung anzuvertrauen. Der gebürtige Kalabrier geht mit Verve ans Werk. Wenn er aus der prallen Weinbibel beraten oder Weine glasweise zu den Gerichten servieren darf, sprüht er vor Freude. Gerne schenkt er dann auch aus Grossflaschen aus und bekräftigt damit das Motto des Teilens. Passt mal eine Weinkombination weniger – was bei der schieren Fülle der aufgetragenen Gerichte geschehen kann –, ist er flexibel genug, den Wein zu wechseln.
Fazit: Das «Igniv» ist vielversprechend gestartet. Es schafft eine lockere Alternative zum ernsthafteren Schloss Schauenstein und entkrampft die oft etwas ältlich-steife Atmosphäre von Fünfsternhäusern.
«Igniv by Andreas Caminada»
Silvio Germann und Francesco Benvenuto
Grand Resort Bad Ragaz
7310 Bad Ragaz
Mittwoch bis Samstag (abends), Sonntag (mittags und abends).