Ein Klack, ein Brummen und im Schein von Neonröhren zeichnen sich die Schätze von Luma Beef im Kühlraum ab. Mit einem Klack und einem Brummen schliesst sich die schwere Türe wieder. Das ist es, das Herzstück der Fleischveredler Lucas Oechlin und Marco Tessaro, der Kühlraum mit dem Schimmelfleisch. Der Duft erinnert an einen Wald voller frischer Morcheln und mag den Anblick, der von Schimmelpilzen überzogenen Fleischstücke, in Lust auf Essen verwandeln.
Von der WG in die Edelgastronomie
Die beiden Freunde Lucas und Marco haben eben erst die 30 Jahre überschritten und kennen sich schon seit der Lehre zum Polymechaniker in der SIG. Viel haben die zwei zusammen erlebt: Surfen in den USA, Berufsmatura und WG-Leben. Nur bei den Studienrichtungen sind sie unterschiedliche Wege gegangen. Biotechnologie und Ökonomie. Doch schon während der WG- und Studentenzeit wurden die Weichen gestellt zum gemeinsamen Unternehmen. Vielleicht noch unbewusst – damals, als in der WG über Stiersperma diskutiert wurde. «Lucas musste eine Arbeit über dieses Thema schreiben» erzählt Marco von den Anfängen. «Über die Stierzucht sind wir auf das Thema Fleisch gekommen, so entwickelte sich die Idee von der Veredelung von Fleisch.» Damals sind sie zusammen auf dem WG-Sofa gesessen und haben philosophiert.
«Wer ist Ivo Adam»
Heute gehen die zwei als Jungunternehmer mit ihrer Luma Beef Firma ins vierte Jahr. Angefangen hat alles abenteuerlich. Lohnen sich die ersten Ausgaben? Sind sie sinnvoll? Solche Fragen haben sich Lucas und Marco am Anfang gestellt. Mit einem Lachen im Gesicht erklärt Marco: «Die ersten 250 Franken haben wir für 5 Kilogramm Hohrücken ausgegeben». Die Schimmelveredelung musste ja auch getestet werden. Auf der Suche nach einem Kühlraum sind die Luma-Macher bei einem Metzger im zürcherischen Kilchberg gelandet. Dieser hat ihnen für 40 Franken im Monat einen Platz im Kühler vermietet. Damals haben noch Job und Studium das Leben geprägt. Zartes von Schimmelsporen durchwachsenes nussiges Fleisch war ein Traum. Bis 2010. Dann stand Marco Tessaro dank einem Zufall in der Küche von Spitzenkoch Ivo Adam. «Als ich da ankam, wusste ich nicht wer Ivo Adam ist. Nach der Präsentation war Adam total begeistert und orderte 60 Kilogramm Huft pro Woche.»
Durchbruch im Tessin
Im Sommer 2010 gab es im Restaurant von Koch Adam zum ersten Mal Luma Beef. Am Ende des Sommers haben die Jungunternehmer fünf Kunden auf ihrer Lieferliste. Der Unternehmertätigkeit soll jetzt nichts mehr im Wege stehen. Ivo Adam war der erste Kunde in der Spitzengastronomie und so eine Art Türöffner für die beiden Tüftler aus dem Kanton Schaffhausen. Das veredelte Fleisch hat den Nerv der Zeit und der Spitzenköche getroffen. Diese sind immer auf der Suche nach Neuem für die verwöhnten Gaumen ihrer Kunden. Dass das Neue aus dem Fleischbereich kam, spielte den Machern von Luma in die Arme. «Auf dem Fleischmarkt gab es zu der Zeit nichts das ähnlich innovativ war» erklärt Marco Tessaro mit leuchtenden Augen vor dem schimmelnden Fleisch im Kühlraum. Doch ganz so einfach ist der Start dann doch nicht gewesen. «Spitzenkoch Markus Lindner in Zürich habe ich über einen Monat jede Woche angerufen, er hat mich immer abgewimmelt – doch wir konnten auch ihn überzeugen» beschreibt Marco den steinigen Anfang. Einen einwöchigen Startup-Kurs haben die Beiden nach vier Stunden quittiert. « Das war nichts für uns». Was im Tessin mit der Bestellung von wöchentlich 60 Kilogramm begann, hat sich zu einem Output von 700 Kilogramm Fleisch entwickelt.
Grösste Investition in Luma-Geschichte
Diese Woche sind im Industriequartier von Neuhausen am Rheinfall nur die Koteletten, Filets und Entercotes auf der faulen oder besser schimmligen Haut gelegen. Beim Luma-Tema herrschte Hochbetrieb. «Wir sind jetzt eine Online-Metzgerei», ruf Marco Tessaro durch den Raum. Am Online-Webshop werden die letzten Feinheiten programmiert und abgestimmt. Ein weiterer Schritt der Jungunternehmer steht bevor. Einer der Grössten. Das Angebot ist von 40 auf 120 Spezialitäten erweitert worden und es musste auch kräftig investiert werden, wie Marco Tessaro vorrechnet: «Die Logistik, eine neue Kühlzelle, der Webauftritt - Alles in allem gute 100’000 Franken». Jetzt wollen die Luma-Veredler die Küchen der Schweiz als Online-Metzgerei erobern. Neben den eigenen Produkten sind Fleischspezialitäten und -raritäten aus der ganzen Welt im Angebot. Die Kilopreise bewegen sich von 25 Franken für Wurstwaren, bis 400 Franken pro Kilo für spezielles japanisches Fleisch. Wenn die ersten Bestellungen eintreffen werden, ist alles bereit, das Versandsystem getestet und die Luma-Chefs selber parat zum einpacken der Bestellungen. Ein Marketingbudget existiert bei Luma nicht im traditionellen Sinn: «Marketing machen wir mit Fleisch-Degustationen. Das macht am meisten Eindruck» - und mit einem Klack öffnet sich die Kühlraumtüre. Eindruck macht auch der Wille der Luma-Erfinder ihre Innovation am Markt weiter zu bringen.