Smartwatches haben wenige Jahre nach ihrem Auftauchen an Handgelenken weltweit bereits einen kurzen Aufstieg und steilen Fall hinter sich. Eigentlich sollten die Computeruhren für Apple, Samsung und Co. das nächste grosse Ding nach Smartphones werden und ihnen Milliarden in die Kassen spülen. Doch es kam anders. Einzige unter Sportlern gibt es begeisterte Fans der Hightech-Zeitmesser.
«Es ist ein schwieriges Geschäft», sagt Samsung -Top-Manager Richard Knight im Reuters-Interview. Verbraucher müssten erst noch herausfinden, wozu sich die digitalen Begleiter am besten eignen. Die Unsicherheit schlug sich bereits in den Verkaufszahlen nieder: Der Absatz des Marktführers Apple Watch brach im zweiten Quartal laut IT-Analysten von IDC über die Hälfte ein. Der Absturz genügte, um den noch jungen Markt für Smartwaches erstmal nach unten zu ziehen, nämlich um ein Drittel.
Klobige Äussere und kurze Batterielaufzeiten
Eigentlich sollte alles ganz anders kommen. Grosse Elektronikhersteller waren sich sicher, nach dem Smartphone mit den Computeruhren erneut einen weltweiten Bestseller auf den Markt zu bringen. Die Absperrungen für kilometerlange Schlangen vor den Läden zum Verkaufsstart waren schon bestellt.
Nach jahrelangen Gerüchten um eine Digital-Uhr von Apple preschte Samsung vor drei Jahren am Rande der Internationalen Funkausstellung (IFA) mit der eigenen Smartwatch «Galaxy Gear» vor. Apple selbst zog dann im Frühjahr 2015 mit der ersten Uhr nach. Tester bemängelten bei beiden Zeitmessern das klobige Äussere, kurze Batterielaufzeiten und eine hakelige Bediendung.
Smartwatches allein sind recht dumm
An den Punkten hat sich bis heute im Prinzip nicht viel geändert. Viele Verbraucher kritisieren zudem, dass wichtige Funktionen wie Telefonate mit den Uhren allein nicht möglich seien, sagt Expertin Annette Zimmermann vom Marktforscher Gartner. Dazu benötigen sie Funkkontakt zu einem Handy. Und die Aufrüstung von Smartwatches mit einer eigenen Mobilfunkverbindung sei anspruchsvoll und würde die Batterielaufzeit verkürzen. «Das ist eine echte technische Hürde.»
Für die Hersteller - und die Mobilfunknetzbetreiber - könnte es aber dennoch ein gutes Geschäft werden, da Nutzer sehr an Musikdiensten wie Spotify interessiert seien, die direkt auf der Uhr laufen.
Noch viel Arbeit
Auch Samsung-Manager Knight räumt ein, dass auf die Branche noch viel Arbeit wartet. «Smartphones haben sich über 20 Jahre technologisch fundamental gewandelt, und bei Smartwatches stehen wir mit der Entwicklung noch ganz am Anfang.»
Von der ursprünglichen Hoffnung, mit den neuen Uhren die Abhängigkeit vom hartumkämpften Smartphone-Markt zu lösen, müssen sich Apple, Samsung und Co. vorerst verabschieden. Gartner zufolge werden dieses Jahr 30 Millionen Smartwachtes weltweit über den Ladentisch gehen. Bei Smartphones sind es ähnlich viele, allerdings am Tag.
Nach Aussagen von Jan Wassmann, Experte beim Marktforschungsinstitut GfK, müssen sich die Handy-Riesen umstellen. «Der Erfolg des Smartphones lässt sich nicht einfach mit jeder anderen Produktkategorie wiederholen.» Es werde nicht das nächste grosse Ding in der Unterhaltungselektronik geben, sondern viele kleinere und billigere Netz-Geräte.
Fitness-Armbänder sind die besseren Smartwatches
Und wie häufig bei neuen Technologien kommt mit der Zeit für jede Anwendung ein eigenes Gerät auf den Markt. Smartwatches wie die von Apple seien gute Allzweckgeräte, sagt Zimmermann. «Aber es gibt viele Fitness-Armbänder, die bestimmte Aufgaben besser machen.» Dazu gehöre etwa die Messung von Schritten und Entfernungen. Zudem seien die sogenannten Fitness-Tracker günstig.
Und technologisch sei noch lange nicht das Ende der Fahnenstange erreicht. «Es wird daran gearbeitet, dass die Uhren Bewegungsabläufe viel besser aufzeichnen wie etwa den Schlag beim Golfen.» Die Uhr könnte den Sportler dann beim nächsten mal korrigieren.
Nutzung zu anstrengend
In einer Umfrage der DKV-Versicherung gaben 89 Prozent der Befragten an, sich kein digitales Armband kaufen zu wollen. Bei denjenigen, die schon eines hatten, liegt es demnach ungenutzt rum. Den Befragten war nach eigenen Angaben die Nutzung zu anstrengend, oder das Fitnessarmband ging ihnen schlicht auf die Nerven. «Verbraucher akzeptieren keine komplizierten Produkte mehr», sagt Wolfgang Neubarth von der GfK. Mehr als die Hälfte der Konsumenten verliere das Interesse an einem neuen elektronischen Gerät, wenn es zu schwierig zu bedienen sei.
Aber eines haben die anfangs von den grossen Uhrenherstellern wie Swatch belächelten digitalen Helfer geschafft, nämlich ein darbende Industrie zu beleben. Seit dem Debüt der Apple Watch vor anderthalb Jahren wächst der Uhren-Absatz in Deutschland wieder. 2014 hatte die Industrie noch ein Minus von zehn Prozent verzeichnet.
(reuters/ccr)