Bertrand Piccard will mit der Weltumrundung im Solarflieger sauberen Technologien zum Durchbruch verhelfen. Erreicht habe er aber das Gegenteil, sagt Simon Aegerter, ehemaliger Direktor des Schweizer Technoramas in Winterthur.

«Solar Impulse 2» zeige, wie unzuverlässig die Nutzung von Sonnenenergie sei, sagt der promovierte Physiker, Privatpilot und Unternehmer aus Wollerau SZ im Interview der Schweizerischen Depeschenagentur (sda). Der heute 78-jährige Aegerter verfolgte das Projekt von Beginn weg. Bei der ersten Power-Point-Präsentation sei er begeistert gewesen, erinnert er sich. Im Verlauf der Jahre hätten sich bei ihm aber die Zweifel am Nutzen des 170-Millionen-Projekts gemehrt.

Ein Flugzeug umrundet erstmals ohne einen Tropfen Benzin und nur mit Sonnenenergie die Erde. Für wie zukunftsweisend halten Sie das?
Simon Aegerter: Das Projekt ist eine Spitzenleistung und ein Wunderwerk der Technik, das Bertrand Piccard und sein Team auf die Beine gestellt haben. Aber den Weg in die Zukunft weist es weder bei der Fliegerei noch bei der Energieversorgung. Es zeigt vielmehr die Grenzen der Fotovoltaik.

Warum?
In Bezug auf die Fliegerei führt die Fotovoltaik in eine Sackgasse. Je grösser ein Flugzeug ist, desto schwerer wird es und desto mehr PS braucht es für den Antrieb. Da die Kraft der Sonne nicht stärker gemacht werden kann, braucht es für mehr Leistung eine grössere Fläche an Solarpanels. Diese machen das Flugzeug wiederum schwerer. Das beisst sich.

Aus physikalischen Gründen wird es keine Jumbos mit Solarantrieb geben?
Bei Flugzeugen ist es so: Wenn die Flügelspannweite verdoppelt wird, vervierfacht sich die Flügelfläche. Dabei wird das Volumen und damit das Gewicht achtmal grösser. Wenn das Flugzeug vergrössert werden soll, muss Gewicht gespart werden.

Kann die Leichtbautechnik dieses Problem nicht lösen?
Die Leichtbautechnik ist ausgereizt. Piccards Co-Pilot André Boschberg sagte mir einmal, ich dürfe ein Bauteil nicht anfassen. Denn: Wenn es nicht zerbreche, sei es zu schwer.

Das Team von Solar Impulse betonte stets, es handle sich nicht um ein Industrieprojekt, sondern um ein Forschungsunterfangen. Was sagen Sie dazu?
Das Flugzeug zeigt, dass Fotovoltaik nicht geeignet ist für die Grundversorgung, weder in der Fliegerei noch für die hochtechnisierte Wirtschaft. Dort braucht es Energiequellen, die in grossen Mengen, zuverlässig und zu vernünftigen Preisen verfügbar sind. Solarenergie ist aber tageszeit-, jahreszeit- und wetterabhängig.

Solar Impulse war dank Batterien Tag und Nacht mehrere Tage lang am Stück in der Luft. Piccard hat damit den Beweis erbracht, dass Sonnenenergie zuverlässig genutzt werden kann.
Gleichzeitig offenbarte eine unvorhergesehene, neunmonatige Pause auf Hawaii eine der grossen Schwachstellen der Fotovoltaik: Die Batterien. Sie überhitzten und mussten ersetzt werden. Das Team hatte Glück, dass es der Flieger überhaupt von Nagoya in Japan nach Hawaii geschafft hat. In der realen Welt stellt sich ausserdem das Problem des Überflusses im Sommer und des Mangels im Winter. Um das auszugleichen, gibt es noch keine Lösung.

Sie sparen nicht mit Kritik am Clean-Tech-Unterfangen. Sie sind auch ein Befürworter von Atomenergie. Ist das der Grund für Ihre kritische Haltung?
Das hat nichts miteinander zu tun. Ich bin nicht grundsätzlich für oder gegen erneuerbare Energien oder Atomkraft. Ich bin für Clean-Tech und beurteile alles kritisch. Mein Sohn Daniel - ein Unternehmer und Financier - half mit, das Projekt «Solar Impulse» anzustossen. Als Pilot und Technikfreak fand ich das Projekt interessant und durfte «Solar Impulse» auch im Simulator fliegen. Mit zunehmender Projektdauer stellte sich aber Ernüchterung ein.

Was hat das Projekt letztlich gebracht?
Es gibt viele Projekte, bei denen man unmittelbar keinen Nutzen erkennt. Möglicherweise liefert es weitere Impulse für die Leichtbautechnik. Denn darin ist dem Solar-Impulse-Team eine technische Meisterleistung gelungen. Der zweite grosse Verdienst ist die menschliche Leistung. Piccard und Borschberg waren bis zu 100 Stunden am Stück allein in der Luft, weil es keinen Platz für einen Copiloten gab. Sie konnten sich kaum bewegen und flogen unter widrigsten Bedingungen und ohne richtigen Schlaf.

Taugt das Luftfahrtabenteuer nicht als Vorbild für künftige Solarprojekte am Boden?
Nicht was Kraftwerke betrifft. Für jedes Megawatt solare Leistung, die ins Netz eingespeist werden soll, benötigt man ein Megawatt Reserveleistung, die schliesslich 9 bis 10 mal soviel Energie liefert. Vielleicht aber für Häuser. Energetisch kann man ein Haus wie ein Solarflugzeug betrachten, das am Boden bleibt. Solange es nicht mit dem Netz verbunden ist und das Sommer-Winter-Problem durch Speicherung selbst löst, bin ich begeistert. In Brütten bei Winterthur versucht man das.

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Piccard wollte mit der Reise über Kontinente und Ozeane vor allem die Öffentlichkeit, Studierende, Unternehmer und politische Entscheidungsträger inspirieren. Ist ihm das gelungen?
Den Beweis für seine Botschaft «Die Zukunft ist sauber« hat er nicht erbracht. Es gelang ihm vor allem, sich selber zu promoten. Er zeigte, dass man auf dem Forschungsplatz Schweiz, wenn man ein Unterfangen richtig angeht und hartnäckig bleibt, auch die nötigen Mittel auftreiben kann. Hierzulande hört man immer die Klage von Startups, dass sie Mühe bekundeten, Geld zusammenzubringen. Piccard hat gezeigt, wie man das macht.

(sda/ccr)