Als Volker Kauder am 26. September als Chef der neuen CDU/CSU-Bundestagsfraktion wiedergewählt wurde, erhielt er einen Dämpfer. Ganze 77,3 Prozent erzielte der seit 2005 amtierende Chef der grössten Fraktion. Viele interpretierten das Ergebnis für den 68-Jährigen nach dem schwachen Abschneiden der Union bei der Bundestagswahl auch als Klatsche für die CDU-Chefin und seit zwölf Jahren regierenden Kanzlerin Angela Merkel. Jüngere und konservative Politiker in der Union forderten, nun müsse eine personelle Erneuerung her.

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In der CSU erzwang Markus Söder Ende des Jahres den baldigen Abgang Horst Seehofers als bayerischer Ministerpräsident. Nun bewegt sich auch die CDU - aber die Lösung soll eine andere sein als bei der CSU. Erneuert wird erst einmal die zweite Reihe hinter den beiden Führungsfiguren Merkel und Kauder. Sollte dies gelingen, so die Überlegung in der Union, könnte die Mischung aus Jung und Alt auch etwas Druck von der Kanzlerin und dem Fraktionschef nehmen.

Neue Fraktionsvizes

Die Bundestagsfraktion machte am Montag den Anfang. Obwohl die Bundesregierung noch nicht steht, wurden die Fraktionsvizes bestimmt, die im politischen Alltag eine wichtige Rolle in Aussenwirkung und Rangordnung der Fraktion darstellen. Plötzlich rücken die «40er» nach vorne: Der 41-jährige Christian Hirte wurde der Fraktionsvize für Wirtschaft. Beim Thema Europa wird künftig die 42-jährige Katja Leikert die Fraktionsarbeit koordinieren. Mit den wiedergewählten 46-jährigen Stephan Harbarth als Vize für Innen und der 34-jährige Nadine Schön für Digitales hatte die Union bereits frische Gesichter präsentiert.

Nadine Schön

Nadine Schön: Die Union-Politikerin ist Fraktionsvize für Digitales.

Quelle: ullstein bild/Getty Images

In einigen Fällen ist der Wachwechsel ohne Verwerfungen mit altgedienten Politikern möglich. Hirte etwa kann den Posten antreten, weil der langjährige Fraktionsvize Michael Fuchs auf seinen Wunsch nicht mehr dem Bundestag angehört. Bei Europa hat der frühere Innenminister Hans-Peter Friedrich den Weg frei gemacht, weil er Vize-Präsident des Bundestages wurde.

Diskussionen gab es dagegen in einem anderen Fall. Denn die 59-jährige Sabine Weiss, die den Posten als stellvertretende Vorsitzende für Arbeit und Soziales innehat, wird für einen Posten als Parlamentarische Staatssekretärin gehandelt. Das Problem: Die Bundesregierung steht noch nicht, niemand weiss, ob die SPD-Mitglieder einer grossen Koalition grünes Licht geben. Also wurde Weiss am Montag zunächst wiedergewählt. Aber im Hintergrund wird der 40-jährige Carsten Linnemann, der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung der Union (MIT), für ihren Posten gehandelt. Er könnte zum Zuge kommen, wenn Weiss Staatssekretärin werden sollte.

Carsten Linnemann

Carsten Linnemann: Der CDU-Bundestagsabgeordnete wird für einen Posten favorisiert.

Quelle: Michael Gottschalk / Getty Images

Merkel muss sich entscheiden

Ob in der breiteren Öffentlichkeit eine personelle Erneuerung auch als solche wahrgenommen wird, hängt wohl vor allem mit dem Kabinett zusammen. Die Kanzlerin steht vor einem grossen Problem. Sie stützt ihre Macht seit langem auf die enge Zusammenarbeit mit einer Reihe erfahrener CDU-Politiker - von Kanzleramtschef Peter Altmaier, Innenminister Thomas de Maizière, über Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bis hin zu Gesundheitsminister Hermann Gröhe. Aber sie weiss, dass die Erwartung der Jüngeren in der Partei ist, dass der eine oder andere seinen Posten räumen sollte, damit es eine Erneuerung geben kann. Zudem muss die CDU-Vorsitzende mächtige Landesverbände berücksichtigen. Das schränkt die Auswahl ein.

Hermann Gröhe und Ursula von der Leyen

Vertraute Merkels: Hermann Gröhe und Ursula von der Leyen.

Quelle: Keystone

Eine Option hat Merkel, weil Forschungsministerin Johanna Wanka ihren Posten räumen wird. Denn die Anzahl der CDU-Vertreter im Kabinett dürfte bei einer Neuauflage der grossen Koalition etwa gleich bleiben. Aber ob das reichen wird, um den nach vorne drängenden Nachwuchs im Zaum zu halten, ist unklar - zumal Merkel auch versprochen hat, dass ihr viertes Kabinett einen Frauenanteil von 50 Prozent haben soll. Dass die SPD dies bei ihrer Ministerriege erfüllt, gilt als sicher.

Die CSU dagegen hatte in das bisherige Kabinett drei Männern geschickt. Und bei der CDU steht das 37-jährige Präsidiumsmitglied Jens Spahn in den Startlöchern für eine höhere Aufgabe. Gehandelt werden als mögliche Ministerinnen die rheinland-pfälzische CDU-Vorsitzende Julia Klöckner und Saarlands Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer, die allerdings selbst wenig Neigung gezeigt hat, von der Saar an die Spree zu wechseln.

Jens Spahn

Jens Spahn: Das Präsidiumsmitglied steht in Startlöchern für eine höhere Aufgabe.

Quelle: Steffi Loos / Getty Images

Neue Gesichter lösen nicht automatisch alte Probleme

Merkel selbst hatte den Wunsch, den Weg für mehr Jugend frei zu machen, immer relativiert. Neue Gesichter lösten nicht automatisch alte Probleme, hatte sie intern nach Angaben von Vertrauten gesagt. In der Partei gilt Schleswig-Holsteins 44-jähriger Ministerpräsident Daniel Günther als Hoffnungsträger, wenn er seine Jamaika-Koalition weiter ruhig leitet und wiedergewählt werden sollte.

Als Ventil für personelle Erneuerungen gilt traditionell der Posten des CDU-Generalsekretärs, den der Hesse Peter Tauber besetzt. Aber ein Zeichen der Jugend und Erneuerung wäre an dieser Stelle schwer zu setzen. Tauber ist 43 Jahre alt.

(reuters/ccr)