Gestatten Sie mir, diesen Text mit einer persönlichen Frage zu beginnen. Sie lautet: Was ist die Funktion der Uhr, die Sie gerade am Handgelenk tragen? Wenn Sie mir nun antworten, die Funktion der Uhr an Ihrem Handgelenk sei die Anzeige der Zeit, muss ich leider sagen, dass ich Ihnen das nicht ganz abnehme. Es sei denn, die Uhr hat 80 Euro oder weniger gekostet.

Zum reinen Ablesen der Zeit reicht eine preiswerte Uhr. Oder das Handy. Eine schöne Uhr ist mehr, sie ist immer ein persönliches Statement. Sie sagt etwas über die Trägerin oder den Träger aus. Sie ist vielleicht protzig, vielleicht elegant, vielleicht unscheinbar, aber dennoch kostbar, vielleicht verspielt, vielleicht technisch komplex. Vielleicht ist sie ein Spielzeug, vielleicht ein Schmuckstück, vielleicht ein Tauchinstrument, vielleicht ein Statussymbol. Oft ist sie auch ein Kommunikationsmittel. Viele spannende Gespräche haben mit einer Frage oder mit einer Bemerkung über eine Uhr begonnen. Einen hübschen Satz über die Funktion der Uhr habe ich übrigens vom neuen Cartier-Chef Stanislas de Quercize gehört. Eine Uhr, so sagte er mir neulich, müsse dem Besitzer vor allem zeigen, dass die Zeit wertvoll sei.

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Das Universum ist unendlich

Beim Genfer Uhrensalon habe ich eben viele schöne Uhren gesehen. Highlights waren drei Ewige Kalender: der Astrocalendar von Cartier, die Terraluna von Lange & Söhne und die GF07 von Greubel Forsey. Eine Uhr indes war komplett anders als alles, was wir bisher gesehen haben: die Planétarium von Van Cleef & Arpels. Diese Uhr hat eine wahrlich philosophische Dimension. Und deshalb auch eine einzigartige Funktion: Sie führt uns Menschen die Unendlichkeit des Universums vor Augen. Und das auf eine poetische und höchst ergötzliche Art und Weise.

Mit dem reinen Anzeigen der Zeit indes ist es bei der Planétarium so eine Sache: Ein Stern mit Schweif zeigt die Zeit zwar an, allerdings kann man sie nur auf 15 Minuten genau ablesen. Doch das ist nicht besonders wichtig: Was sind schon 15 Minuten im Vergleich zur Ewigkeit?

Sechs Planeten umkreisen die Sonne im Zentrum des Zifferblattes – und zwar in realer Geschwindigkeit. Und genau das ist das Faszinierende an dieser Uhr. Am äußersten Ring dreht als violetter Stein Saturn. Er braucht gut 29 Jahre, um einmal das Zifferblatt zu umrunden, weil Saturn real in 29 Jahren einmal die Sonne umkreist. Mit anderen Worten: Wer heute die Uhr kauft, wird im Jahr 2043 Saturn an der gleichen Stelle sehen wie heute. Hätte es die Uhr schon früher gegeben, wäre der Planet das letzte Mal im Jahr 1985 dort gestanden. Der Vollständigkeit halber hier noch die Werte der anderen Planeten: Jupiter braucht knapp zwölf Jahre, Mars 687 Tage, die Erde 365, Venus 224 und Merkur ganze 88 Tage.

Uhr mit Glücksstern

Ein nettes Gimmick ist der Glücksstern auf dem Glas. Man kann ihn auf einen bestimmten Tag im Jahr einstellen, zum Beispiel auf den Hochzeitstag. An diesem Tag wird der Stern auf dem Glas genau über der Erde auf dem Zifferblatt schweben. Für die hochkomplexe Uhr, die vollständig Complication poétique Midnight Planétarium heißt, arbeiteten die Spitzenuhrmacher von Van Cleef & Arpels mit den Spezialisten von Christiaan van der Klaauw zusammen. Allein das gemeinsam entwickelte Modul zählt 396 Teile.

Von der Uhr sollen nur 50 Stück gebaut werden. Und mit einem Preisschild über 180.000 Euro ist sie zugegeben auch nicht wirklich billig. Aber für ein Stück Unendlichkeit ist der Preis wohl durchaus vertretbar. Und wie gesagt: Zum Anzeigen der Zeit allein reicht eine Uhr für 80 Euro.

Dieser Artikel ist zuerst in unserer Schwester Publikation «Icon» erschienen.