Von Elza Siles Aluminiumplatten, die sie vorne mit Gold- und anderen Farben bespritzt, von hinten präpariert, perforiert und malträtiert, geht ein ganz eigener Reiz aus. Während das Auge des Betrachters den Punkten, Linien und Löchern auf der sonst glatten Oberfläche folgt und meint, in einem Stadtmodell oder einer militärischen Karte zu landen, versucht das Hirn vergeblich einzuordnen – womit Sile ihr Ziel erreicht hätte. Denn die Lettin, die 1989 in Riga in einen Architektenhaushalt hineingeboren wurde, will weder Bilder kreieren noch Geschichten vermitteln. Vielmehr hinterfragt sie die Art und Weise, wie heute Bilder produziert werden, und die Konventionen, die dahinterstecken.
In einem Interview hat sie sich sehr zweifelnd über Menschen ausgelassen, die eigens geschaffene Bilder von sich auf Instagram projizieren; es erinnere sie an die propagandistischen Gepflogenheiten während des Kalten Kriegs zwischen Russland und den USA. Also benutzt sie lieber handfeste Materialien aus dem Do-it-yourself- und Malereibedarf. Sie spielt mit Aluminium, Gipsbinder, Gelatine, rostfreiem Stahl, um etwas Unerkennbares zu schaffen. In jedem Material findet sie einen neuen Anknüpfungspunkt. Sich den Kategorisierungen zu entziehen, ist ihr Programm. «Meine Arbeiten sind komprimierte Welten», sagt sie. Und: «Ich behandle Materialien wie tektonische Platten und ritze in sie hinein, um zu sehen, was ich freilegen kann.
«Elza Siles Werk stellt einen der originellsten Beiträge zur Malerei und Installationskunst der letzten Jahre dar», ist ihr Zürcher Galerist Philipp Zollinger überzeugt, der sie bereits in der Liste in Basel 2020 und zweimal in seiner eigenen Galerie zeigte. Letztes Jahr kam Sile unter anderem in der Ausstellung «Geometrische Opulenz» im Haus Konstruktiv in Zürich, Seite an Seite mit etablierten Künstlern wie John M. Armleder und Claudia Comte, zum Zug. Dort wurde sie auch von Loa Haagen Pictet erspäht, die Chefkuratorin der Collection Pictet, die Werke von Sile angekauft hat: «Ihre Verwendung von Metalloberflächen faszinieren mich. Die Plastizität vermittelt einen innovativen Sinn für Ornamente.» Der kritische Erfolg beginnt sich nun in den Preisen niederzuschlagen. Kleinere Arbeiten von Elza Sile kosten 4500, grössere 12'000 Franken.
Dieser Artikel ist im Millionär, dem Magazin der «Handelszeitung», erschienen (Dezember 2023).