Das Jahr 2017 war ein guter Jahrgang für Wolkenkratzer. 144 Hochhäuser mit einer Höhe von mehr als 200 Metern wurden dieses Jahr fertiggestellt, zeigt die Statistik des Council on Tall Buildings and Urban Habitat (CTBUH). Ein neuer Rekord. Den Höhenrekord hält in diesem Jahr das Ping An International Finance Centre im südchinesischen Shenzhen mit einer Höhe von 599 Metern.
Die Wolkenkratzer wuchsen dabei in 23 verschiedenen Ländern in den Himmel, die meisten davon in China. 76 neue Türme entstanden dort, das Land führt damit die Rangliste mit grossem Abstand an. In den zweitplatzierten USA wurden nur zehn Wolkenkratzerfertiggestellt. Zum Vergleich: Allein in der chinesischen Metropole Shenzhen wurden zwölf Gebäude von mehr als 200 Meter Höhe vollendet. Die Nachbarstadt von Hongkong ist damit in diesem Jahr von allen Städten weltweit am meisten in die Höhe gewachsen.
Hochhäuser als «globales Mittel zur Verdichtung»
Doch der chinesische Bauboom ist nicht das einzige, was in dieser Jahresstatistik sichtbar wird. Insgesamt zeigten die Zahlen eine weitere Ausbreitung der Hochhausprojekte auf der ganzen Welt, sagt CTBUH-Direktor Antony Wood. «Der Hochhausbau beschränkt sich nicht mehr auf wenige ausgewählte Finanzzentren, sondern wird zum globalen Mittel der Verdichtung», so Wood.
So wurde 2017 mit dem Britam Tower in Nairobi das mit 200 Metern zweithöchste Gebäude Afrikas fertiggestellt und im kolumbianischen Cartagena das 202 Meter hohe Hotel Estelar, eines der höchsten Hochhäuser Südamerikas. Neben chinesischen Städten wuchsen unter anderem auch Jakarta (Indonesien), Busan (Südkorea) und Pjöngjang (Nordkorea) um mehrere Wolkenkratzer in die Höhe.
Auch bei den superhohen Wolkenkratzern von über 300 Metern Höhe dominiert China. Zehn von fünfzehn solchen Hochhäusern wurden im Reich der Mitte vollendet. Dazu kommen drei Türme in Dubai, sowie jeweils einer in Seoul und Los Angeles. In Europa, Südamerika und Afrika gab es 2017 keine neuen Gebäude von 300 Metern und mehr. Dabei nimmt ihre Zahl schnell zu: Weltweit existieren heute 126 Superwolkenkratzer. Noch 2013 hatte es erst 76 Hochhäuser über 300 Meter gegeben.
Die vielen Hochhäuser in Asien müssen nicht unbedingt ein gutes Omen für die Wirtschaft sein. Schon lange zirkuliert die Idee des «Wolkenkratzer-Fluchs». Sie geht auf den sogenannten Skyscraper Index von Andrew Lawrence zurück, der besagt, dass die höchsten Gebäude der Welt stets vor einer Wirtschaftskrise gebaut werden. Anhand vergangener Rekordbauten zeigte Lawrence eine Korrelation von Konjunkturzyklen und dem Bau von Wolkenkratzern.
Wolkenkratzer als Spätzykliker
Die Idee hinter dem Index: Oft planen Länder in euphorischen Phasen des Wirtschaftsbooms Bauwerke, die über Jahre hochgezogen werden. Die Geschichte zeigt, dass diese Bauten dann aber allzu oft erst im anschliessenden Abschwung – im Extremfall in einer Rezession – fertig werden. Ökonomen würden Wolkenkratzer damit als Spätzykliker bezeichnen.
Obwohl die Wolkenkratzer in China streng genommen nicht für den Skyscraper Index zählen sollten – schliesslich steht das höchste Haus der Welt in Dubai – warnte Lawrence schon 2015, dass die Hochhausbauten in China Züge einer Blase annähmen. «Superwolkenkratzer reflektieren schlechte Entwicklungen in der breiteren Wirtschaft», ist Lawrence überzeugt. Es sei offensichtlich, dass Immobilienblasen oftmals an einem Hochhausboom erkennbar seien – dabei muss es sich nicht unbedingt um das höchste Haus der Welt handeln.
Keine Wolkenkratzer in der Schweiz
Die Schweiz braucht sich deswegen keine Sorgen zu machen. Weil Hochhäuser in der Schweiz nicht rentabler sind als konventionelle Häuser, seien hier keine Hochhaus-Bauruinen zu erwarten. «Wenn es ein Schweizer Projekt überhaupt bis in die Bauphase schafft, ist das in aller Regel ein gutes Zeichen», sagte Immobilienexperte Hervé Froidevaux von Wüest Partner in einem Interview mit der BILANZ.
Kein Wunder ist der Roche-Turm, das höchste Haus der Schweiz, nur gerade 178 Meter hoch und schafft es nicht einmal in die Statistik des CTBUH. An superhohe Hochhäuser in der Schweiz glaubt Froidevaux auch in Zukunft nicht. «Wo man sich hinstellt, gibt es bestimmt schon einen See, einen Berg oder hundert Einfamilienhäuser. Da stört ein Hochhaus mit seinem Schattenwurf schneller als irgendwo in der Wüste.»