Play it again, Sam», hauchte Ingrid Bergman im Filmklassiker «Casablanca». Das war 1942. Heute schnappt sich der Fernsehzuschauer die Fernbedienung und spielt die Szene, wenn er möchte, «again and again». Denn eine laufende Sendung zu unterbrechen, zurückzuspulen und sich nochmals anzusehen, gehört mittlerweile zum Standard im Digitalfernsehen.
Doch das ist bei weitem nicht alles. In den letzten Monaten ist viel Bewegung in den Markt für Digital-TV gekommen. Swisscom und Sunrise haben mit ihren verbesserten Angeboten den Wettbewerb angeheizt und die lange Zeit verschlafenen Kabelnetzbetreiber aufgeweckt. UPC Cablecom will nun mit dem neuen Horizon-Dienst dagegenhalten.
Der Konsument profitiert nicht nur von günstigeren Preisen, sondern auch von laufend weiterentwickelten Zusatzangeboten wie Apps, dem Zugriff auf Mediatheken von Fernsehveranstaltern, Video on Demand (VoD) sowie Live-TV auf Tablets und Smartphones. Zu den neuen Optionen gehört auch, Programme via Internet Protocol Television (IPTV) mit einer Set-Top-Box ohne Abo bei einem Kabelnetzbetreiber oder Telekom-Provider zu schauen. BILANZ zeigt, was UPC Cablecom, Swisscom TV, Sunrise TV und die Zattoo-Box zu bieten haben.
Zum Beispiel das Prinzip Zeitmaschine, das sogenannte Catch-up TV, bei dem bereits ausgestrahlte Sendungen und Filme nachträglich noch angeschaut werden können. Das TV-Programm passt sich dem Zuschauer an statt umgekehrt. Anders als bei der herkömmlichen Aufnahme kann man bei dieser Funktion, die TV-Provider unter Bezeichnungen wie «Replay», «Comeback» oder «Recall» anbieten, nachträglich das ganze Programm aller Stationen anschauen, ohne vorher eine spezifische Sendung programmiert zu haben. Seit Anfang Jahr ist auf Druck der Rechteinhaber der Zeitraum, in dem Programme nach ihrer Ausstrahlung aufgerufen werden können, von 30 auf 7 Tage reduziert worden. Das TV-Programm eine ganze Woche zurückblättern kann man aber nur bei Web-TV-Anbietern (siehe Nebenartikel «Mobiler Genuss»). Bei den TV-Diensten von Swisscom und Sunrise ist der Zeitraum hingegen auf 30 Stunden beschränkt.
UPC Cablecom. Mitte Januar hat UPC Cablecom, der grösste Kabelnetzbetreiber hierzulande, mit Horizon eine neue TV-Plattform für Fernseher, PCs und die mobilen Geräte von Apple lanciert. Kernstück ist eine Set-Top-Box, die ein richtiges Kraftpaket ist: Sie ist mit sechs Tunern ausgestattet und bietet die Möglichkeit, vier Programme gleichzeitig aufzunehmen und ein weiteres anzuschauen, was im Test gut funktionierte. Zugleich ist die von Samsung gebaute Box ein WLAN-Router mit zwei Telefonanschlüssen.
Horizon setzt auf eine schicke Benutzeroberfläche, die intuitiv zu bedienen ist, aber auch Schwächen zeigt. So führen oft nur viele Klicks zum Ziel. Das Alphabet für Texteingaben horizontal auf einer Linie aufzureihen, ist keine benutzerfreundliche Idee. Das Konzept einer schlanken Fernbedienung ist löblich, doch fehlen bei Horizon direkte Zugangstasten zu wichtigen Funktionen. Will man etwa vom übersichtlichen elektronischen Programm-Guide (EPG) Informationen über eine Sendung abrufen und wieder zurück ins allgemeine Menu, braucht es fünf Tastenklicks. Die Infos zu Sendungen und Filmen fallen ausserdem knapp aus. Punkten kann Cablecom dafür mit der Horizon-Fernbedienung: Fernsehgeräte von 16 Herstellern können damit ein- und ausgeschaltet werden.
Die von einigen Medien aufgegriffenen Anwenderprobleme mit der neuen Set-Top-Box traten in unserem Test nicht auf. Als störend empfanden wir aber, dass die Box auch im Stand-by-Modus recht laut surrt. Horizon überzeugt mit der leistungsfähigsten Aufnahmefunktion, doch Catch-up TV sucht man noch vergebens. Cablecom weist darauf hin, dass das integrierte Videoportal von SRF Zugriff auf ausgestrahlte Sendungen biete – ein schwacher Ersatz – und dass ausserdem Zattoo eine App mit Replay-Funktion für Horizon plane. Der Zeitpunkt der Lancierung ist freilich noch offen.
Zum Angebot gehören auch eine Handvoll Apps für Anwendungen wie Facebook, YouTube, News sowie Live-TV. Letztgenanntes läuft im Web-Browser sowie auf iPads und iPhones in jedem WLAN in der Schweiz. Die App stürzt allerdings noch häufig ab und konnte trotz entsprechender Funktion einen gemieteten Film nicht finden.
Swisscom TV. Swisscom hat für ihr IPTV bereits knapp 800 000 Kunden gewonnen. Das Angebot überzeugt als umfassendes Servicepaket, das neben vielen Sendern und VoD auch einige Apps umfasst. Die Bedienung ist benutzerfreundlich mit übersichtlichen Menus und ausführlichen Informationen zu Sendungen und Filmen inklusive Verlinkungen zu Schauspielern. Zeitversetztes Fernsehen gehört ebenfalls zum Angebot. Einige Monate nach Sunrise hat letztes Jahr auch Swisscom Catch-up TV versuchsweise für Sender mit herkömmlicher Auflösung eingeführt. Anfang März wurde nun die «Replay» genannte Funktion definitiv eingeführt – inklusive 20 HD-Sendern. Die Anwender müssen die Funktion allerdings zuerst manuell aktivieren.
Interessant ist Swisscom TV für Sportfans: Dank einer Beteiligung an CT Cinetrade, der Muttergesellschaft des Pay-TV-Senders Teleclub, kann Swisscom exklusiv einzelne Sportanlässe wie Fussball- und Eishockeyspiele zum Kauf anbieten. Unerreicht ist Swisscom bei der mobilen Nutzung ihres TV-Angebots. Per App (iOS/Android) kann man unterwegs mehr als 80 Sender schauen, Live-Sportübertragungen mieten und eigene Aufnahmen schauen.
Wird das Liveprogramm über das Handy-Netz genutzt, können aber Datengebühren anfallen – anders als im Zusatz-Abo des TV-Air-Service. Auch die mobile Nutzung der Replay-Funktion gestattet TV Air. Von mobilen Geräten aus lassen sich auch Aufnahmen programmieren und unterwegs oder zu Hause anschauen. Die App für das iPad dient ausserdem als komfortable Fernbedienung für die Set-Top-Box – mit der Einschränkung, dass sich in diesem Modus bei Sucheingaben die virtuelle Tablet-Tastatur nicht einblenden lässt. Doch es bietet sich die bequeme Alternative, den Programm-Guide und das VoD-Angebot auf dem Tablet zu durchstöbern und die Auswahl per Klick auf dem Fernseher abzuspielen. Die Remote-Funktion soll noch im ersten Halbjahr auch für iPhones und Android-Handys verfügbar werden.
Sunrise TV. Vor einem Jahr startete auch Sunrise ein TV-Angebot, das mit der Funktion Comeback TV erstmals eine Zeitmaschine auf den Fernseher brachte. Sunrise TV gefällt mit dem grössten Senderangebot, darunter zehn Pay-TV-Programmen. Seit Ende letzten Jahres ist ein VoD-Service eingebunden, ausserdem überzeugt das Angebot mit einer sehr benutzerfreundlichen Bedienung und übersichtlicher Darstellung. Ein Beispiel dafür ist die Funktion «QuickZapper». Diese erlaubt es Familienmitgliedern, persönliche Listen der favorisierten Sender zu erstellen. Während einer Sendung lässt sich für die schnelle Navigation seitlich ein Fenster mit den Programmen samt kurzer Inhaltsangabe einblenden.
Weitere Pluspunkte bei Sunrise TV sind die Suchfunktion und das Informationsangebot zu Sendungen und Filmen, inklusive der Verlinkung zu zusätzlichen Filmen der beteiligten Protagonisten. Der Senderwechsel geht gemächlicher vonstatten als bei Horizon und Swisscom TV, ausserdem lässt sich das Angebot nicht auf mobilen Geräten nutzen. Sunrise hat zwar ein mobiles TV-Angebot, das jedoch separat abonniert werden muss, um beispielsweise Aufnahmen oder VoD abspielen zu können.
Videoweb. Für digitales Fernsehen muss man nicht unbedingt ein Abonnement bei einem Kabelnetzbetreiber oder bei einem Telekom-Anbieter haben. Die Karlsruher Firma VideoWeb hat nämlich eine kompakte Set-Top-Box entwickelt, die jedes Fernsehgerät via LAN und WLAN zum Internetfernseher macht. Die Box liefert viele Dutzend Apps, Zugriff auf zahlreiche Mediatheken deutscher TV-Sender sowie über die App des Schweizer Web-TV-Anbieters Zattoo auch Live-TV. Das Basisangebot ist kostenlos, auf Sender in herkömmlicher Qualität beschränkt und über zusätzliche Werbung finanziert. Der bezahlte Service Zattoo HiQ ist werbefrei und bietet auch HD-Sender.
Enttäuschend ist allerdings, dass man mit der Box nur eine Light-Version des Zattoo-Services bekommt. Catch-up TV gibt es nicht, obschon der Service von Zattoo auf PCs und Tablets TV-Programme bis sieben Tage zurück abspielen kann. Auch das Unterbrechen einer Sendung ist nicht möglich.
Unschlagbar ist das Kombi-Angebot in preislicher Hinsicht. Nebst dem Kauf der Box braucht es lediglich einen Internetanschluss – eine Bandbreite von vier Megabit pro Sekunde (Mbps) soll ausreichen. Die Bildqualität kommt wohl wegen der höheren Kompression nicht ganz an jene der Konkurrenz heran. Störend ist der langsame Senderwechsel auch beim LAN-Anschluss an ein Netz mit 50 Mbps.
Fazit. Das wachsende Fernsehangebot gibt den Konsumenten mehr Auswahl denn je. Wer auf Catch-up TV verzichten kann, wird bei Horizon von UPC Cablecom mit der Live-Pause und komfortablen Aufnahmefunktionen gut bedient, bei der Benutzerfreundlichkeit besteht allerdings durchaus noch Entwicklungspotenzial. Liebhaber des zeitversetzten Fernsehens sind bei Swisscom TV und Sunrise TV gut aufgehoben und bekommen ein sehr grosses Senderangebot in einer guten Bildqualität – bei Swisscom sogar mit Unterstützung mobiler Geräte. Für regelmässige Fernsehnutzer bringt VideoWeb mit Zattoo zu viele Einschränkungen. Das günstige Kombi-Angebot eignet sich für gelegentliche Nutzer, zum Beispiel für Zweitfernseher oder im Ferienhaus.