Wer die grosse Leidenschaft von Dominik Kaiser sucht, muss nur einen Blick auf eine Wand in seinem Büro werfen, egal auf welche. Bilder von Mars und Merkur hängen dort, ein NASA-Logo, Autogramme von Astronauten, sogar die Urkunde einer Stiftung, die mit privatem Geld ein Frühwarn- und Abwehrsystem gegen Asteroiden finanzieren will. Egal ob es um die jüngste Weltallforschung geht, um technische Pläne für Raumstationen oder um Erkenntnisse zu Leben auf fremden Planeten, Kaiser verfolgt alles intensiv: «So viel Unentdecktes, so viele Möglichkeiten, und diese unwirkliche Schönheit!», schwärmt der 49-jährige Zürcher von dem Thema.
Einst wollte er Astronaut werden, der Plan scheiterte früh am Sehtest bei der Aushebung zum Kampfpiloten. Dann liebäugelte er damit, selber eine Weltraumfirma zu gründen: SpaceX hat Kaiser zweimal besucht, sogar Aktien am privat gehaltenen Raumfahrtunternehmen von Elon Musk hält er. «Seine unternehmerische Leistung, als Privatfirma Raketentransporte anzubieten, was früher nur Nationen konnten, finde ich unheimlich beeindruckend!», sagt Kaiser.
Erfolgreichste Anbieter von Privatfernsehen
Er entschied sich dann doch, Beruf und Hobby zu trennen. Heute ist der verhinderte Astronaut in einem anderen Bereich mit ebenfalls viel Unentdecktem, vielen Möglichkeiten und unwirklicher Schönheit erfolgreich: Fernsehen. Kaiser ist der erfolgreichste Anbieter von Privatfernsehen in der Schweiz. 3,7 Prozent Marktanteil erreicht seine 3 Plus Group. Rechnet man nur die werberelevante Kernzielgruppe der 15- bis 49-Jährigen in der Primetime von 20 bis 22.30 Uhr, wie das Kaiser tut, sind es 8 Prozent. Soeben hat er mit 6+ den vierten Sender aufgeschaltet. Dabei ist die Liste der Fernsehleichen lang: Tamedia versenkte mit TV3 über 100 Millionen Franken, Tele24 scheiterte ebenso wie der Jugendsender Joiz, auch RTL und ProSieben haben Ihre Schweizer Redaktionen schnell wieder geschlossen.
Hierzulande könne privates Fernsehen langfristig nicht rentieren, behauptete der damalige Medienminister Moritz Leuenberger ebenso wie Radiopionier Roger Schawinski. TV funktioniere allenfalls lokal, so die gängige Meinung, und auch da nicht sonderlich gut.
Lange Zeit steckte Kaiser die Erträge in die Reserven, seit drei Jahren zahlt er Dividende.
«Kaiser hat die ganze Branche Lügen gestraft», sagt Publizist Martin Spieler, der im Verwaltungsrat der 3 Plus Group sitzt. «So was ist sonst überhaupt niemandem in Europa gelungen», sagt Helmut Thoma, der einst RTL zum erfolgreichsten Fernsehsender Europas aufbaute und heute ebenfalls im Verwaltungsrat der Gruppe sitzt. «Er macht das sehr clever und professionell», anerkennt auch Schawinski.
Der Banker Thomas Matter (l.) unterstützte Kaiser bei der Gründung und hält sieben Prozent an der Firma. Christina Noell ist stellvertretende Geschäftsleiterin und auch Mitbesitzerin. Ex-RTL-Chef Helmut Thoma lobt Kaiser in den höchsten Tönen und sitzt im VR von 3 Plus.
Zahlen über seine Firma gibt Kaiser aus Prinzip nicht bekannt, doch aus seinem Umfeld hört man: Knapp über 50 Millionen Franken Umsatz erwirtschaftet die Sendergruppe inzwischen und sei sehr profitabel. Das sei sie von Anfang an gewesen, behauptet Kaiser, nachprüfen lässt sich das freilich nicht. Lange Zeit steckte er den grössten Teil der Erträge in die Reserven. Seit drei Jahren zahlt er eine Dividende aus. «Jetzt ist die Rendite sehr attraktiv. Von den Zahlen her bin ich sehr zufrieden», sagt Banker Thomas Matter, der sieben Prozent der Anteile hält, nachdem er Kaiser bei der Firmengründung einen Kredit in Form einer Wandelanleihe gegeben hat. Die stellvertretende Geschäftsführerin Christina Noell hat 3 Prozent, Kaisers wichtigster Programmmann, Torsten Prenter, 3,4 Prozent. Die restlichen 86,6 Prozent besitzt der Gründer selber.
Selbstoptimierer Kaiser
Zugetraut hatten ihm das die wenigsten. «Am Anfang haben ihn manche nicht ganz ernst genommen», sagt Spieler. Auch deshalb, weil es Kaiser darauf anlegt, unterschätzt zu werden. Er wird im Herbst 50 Jahre alt, aber noch immer kultiviert er das Image des Berufsjugendlichen, mit gebleichten Haaren, Sneakersammlung, Jeans-Outfit, kumpelhaftem Auftritt und einem lauten Lachen.
Seine Events, etwa zum zehnjährigen Geburtstag des Senders, sind legendär: «Er weiss genau, wo er investieren muss, damit der Imageaufbau funktioniert», sagt ein Weggefährte. Kaiser ist Selbstoptimierer: Er trainiert seine Schlafrhythmen, um Arbeitseffizienz und die Bewältigung von Jetlag zu steigern, er trinkt keinen Alkohol, keinen Kaffee, raucht nicht. Führungsdefizite bespricht er regelmässig mit seinem Coach in Miami. Auf ein Auto verzichtet er, aber wenn er nicht den ÖV nimmt, lässt er sich mit dem Taxi vom heimischen Rüschlikon ins Büro in Schlieren bringen, um Arbeitszeit freizuschaufeln: 80-Stunden-Wochen sind bei ihm normal. Vier- oder fünfmal die Woche geht er schwimmen, jeweils 80 bis 100 Minuten lang, im Winter im Hallenbad, im Sommer im Zürichsee. «Das ist Meditation pur», sagt er, Hunderte gute Ideen seien ihm so schon gekommen.
Sender 6+ als Resterampe
Und jetzt also 6+. Das unternehmerische Risiko des neuen Senders hält sich in Grenzen: «Etwas mehr als eine Million Franken an Investitionen» seien nötig gewesen, sagt Kaiser, vorrangig in zusätzliche Server und neuen Content. Was gut laufen wird, weiss er noch nicht, er wird viel experimentieren: «Jeder neue Sender ist wie ein Lebewesen, das sich selbständig anders entwickelt.» Dann wird er Schritt für Schritt Serien und Filme, die beim Publikum ankommen, nachkaufen.
So hat er es immer gemacht. Anfangs bot 3+ nur Teleshopping, billige B-Movies, Wiederholungen von US-Serien, Erotiksendungen. «Terroristen in aller Welt können das Programm bald als billiges Folterwerkzeug entdecken», spottete das Nachrichtenmagazin «Facts» damals, 2006. Doch Kaiser konnte den deutschen und amerikanischen Content sehr günstig einkaufen, weil aus der Schweiz sonst keine Nachfrage kam – zumal SRF aus Imagegründen auf gewisse Filme und Serien verzichtet.
Im Laufe der Zeit stockte Kaiser das Programm gezielt auf mit lizenzierten Eigenproduktionen: etwa mit den Kuppelshows «Der Bachelor», «Die Bachelorette» und «Bauer, ledig, sucht …» oder mit «Bumann der Restauranttester», der Gastwirten in Not hilft. Finanziell lohnt sich das nicht: Eine Folge «Der Bachelor» kostet etwa eine Viertelmillion Franken, die ganze Staffel verursacht einen Verlust von 1,7 Millionen Franken. Aber sie bringt Publicity und Zuschauer, die dann – so das Kalkül – auch andere Inhalte konsumieren: Über 20 Prozent Marktanteil in der Primetime erzielen die erfolgreichsten Eigenproduktionen auf 3+, was häufig über der Quote von Marktführer SRF 1 liegt. Und mit jeder neuen Eigenproduktion muss eine zugekaufte Serie oder ein Spielfilm den Sendeplatz räumen, wandert auf einen der anderen Kanäle, auf 4+ oder 5+, und hebt dort den Marktanteil: «Das ist der nächste Wachstumsschritt», sagt Kaiser. Der neue Sender 6+ rangiert ganz hinten in der Vermarktungskette: eine Resterampe.
«Bauer, ledig, sucht …» (o.l.) war die erste Eigenproduktion der 3 Plus Group und ist nach wie vor eine der erfolgreichsten. Das Format funktioniert wie das Original «Farmer Wants a Wife» von Fremantle bzw. die RTL-Adaption «Bauer sucht Frau». «Bumann der Restauranttester» (o.r.) hilft Gastwirten in Not, analog «Rach der Restauranttester» bei RTL. Die Kuppelshow «Die Bachelorette» (u.l.), entwickelt 2003 von ABC, sorgt bei 3+ für Einschaltquoten um die 20 Prozent, knapp weniger als das männliche Pendant «Der Bachelor». Mit «The Voice of Switzerland» (u.r.), einem Format von Endemol («Big Brother»), will Kaiser den Anteil Eigenproduktionen erhöhen. SRF nahm die Sendung 2014 nach nur zwei Staffeln aus dem Programm.
Rocket Science ist das nicht, die grossen TV-Konzerne wie RTL, ProSiebenSat.1, Sky oder Viacom Media Networks verfahren weltweit nach dem gleichen Schema: schauen, was im Ausland läuft, die Lizenzrechte dafür einkaufen und allenfalls an den lokalen Geschmack adaptieren – und die Inhalte zwischen den eigenen Sendern hin und her schieben. Auch Verleger Peter Wanner macht mit seinen neu gegründeten Stationen TV24 und TV25 und den Formaten «Höhle der Löwen», «Sing meinen Song» oder «Ninja Warrior» nichts anderes. Der Fehler früherer Schweizer Player: Sie wollten die SRG kopieren und konkurrenzieren mit Informationssendungen, aus Imagegründen und um Gebührengelder aus dem Service-public-Topf zu bekommen: «Die Schweiz ist so ein starkes Newsland. Auch hohe Investitionen würden darum nicht zu guten Zuschauerzahlen führen, weil es bereits ein grosses Angebot gibt», weiss Kaiser.
Trash-TV
Also setzt er konsequent auf Unterhaltung für die breite Masse, auf «Unterschichtenfernsehen», wie es einst Harald Schmidt ausdrückte. «Natürlich schauen auch Menschen mit tiefer Bildung und niedrigem Einkommen unsere Programme», entgegnet Kaiser. «Was soll daran schlecht sein? In der Migros kauft auch jeder ein.» Seine Schmerzgrenze dabei ist tief, selbst die Fremdgehshow «Temptation Island» (kürzlich auf RTL zu sehen) ist für ihn denkbar: «Damit hätte ich kein Problem, humorvoll umgesetzt ist das eine lustige Sendung.» Er würde sie weniger ernst erzählen als das RTL-Vorbild. Denn der Schweizer Zuschauer mag es zwar, wenn auf deutschen Sendern deutsche Darsteller in die Pfanne gehauen werden. «Aber wenn man das Gleiche mit Schweizern macht, ist das ein absolutes No-Go», so Kaisers Erfahrung. So sei dann auch «Bauer, ledig, sucht …» viel netter zu den Landwirten als «Bauer sucht Frau» auf RTL: «Alle unsere Sendungen, die einen Zacken böser waren, liefen nicht wirklich gut.» Er hat es wissenschaftlich untersucht, liess Zuschauer verdrahten und ihre Programmkritik mit ihren körperlichen Reaktionen wie Hautwiderstand oder Puls verifizieren.
«Wer wird Millionär?» (l.) mit Claudio Zuccolini wurde nach drei Probesendungen wieder eingestellt: Zu stark war das ursprünglich von der englischen ITV entwickelte Format hierzulande bereits verankert durch RTL mit Günther Jauch. «Bernegger & Juric», der erste selbst produzierte Krimi des Senders, kostet 400 000 Franken pro Folge, erzielt aber zu geringe Quoten und hat in dieser Form keine Zukunft.
Das ist typisch für Kaiser: Wenn der Fernsehmann eine Entscheidung treffen muss, beschäftigt er sich sehr genau mit den Daten. «Er überlässt wenig dem Zufall», sagt Medienunternehmer Tobias Trevisan, der bei ihm im VR sitzt. So ermittelt Kaiser – marketingtechnisch geschickt – mit Hilfe künstlicher Intelligenz, auf welchem Sendeplatz eine Serie wie viel Marktanteil erzielen wird. «Die Prognosen sind nicht perfekt, aber besser als jene der traditionellen Marktforschung», sagt er. Und sie helfen, sich gegen jene ausländischen Sender zu behaupten, die mit den gleichen eingekauften Serien auch in die Schweiz einstrahlen.
Akribisch vorbereitet ist Kaiser jeweils auch auf die Person auf der anderen Seite des Tisches: Er gilt als knallharter Verhandler, was ihm in der Branche nicht nur Freunde bringt. Matter beschreibt ihn als «sehr fokussiert. Wenn er ein Ziel hat, geht er fadengrad drauflos.» Und Kaiser klagt gerne: «Dominik hat schon einige Rechtsstreite erfolgreich vom Zaun gebrochen, auch gegen die, bei denen es Mut braucht», nennt es VR Martin Spieler: «Er will juristisch die Sachen ausloten.»
Mann der Widersprüche
Der Sohn eines Sägereibesitzers hat eine bunte Vita. Drei rote Fäden ziehen sich durch sein Leben: die Kreativität, das Flair für den Massengeschmack und der Geschäftssinn. «Dominik hat schon immer das Kommerzielle gesehen», sagt Christoph Soltmannowski, Co-Gründer der Street Parade. Er beschreibt seinen ehemaligen Geschäftspartner als «tough, aber nicht skrupellos».
Kaiser ist ein Mann der Widersprüche. Seine TV-Formate leben davon, das Innere der Protagonisten nach aussen zu kehren, er selber verrät nichts zu seinem Privatleben. Der Workaholic habe wohl auch kaum eines, sagen jene, die ihn besser kennen – bekannt ist lediglich, dass er lange Jahre liiert war mit Danielle Lanz, 1999 Werberin des Jahres (Kaiser arbeitete für ihre Agentur) und heute Ehefrau von Unternehmer Thomas Knecht.
Kaisers Quotenbringer «Der Bachelor» und «Die Bachelorette» zeigen Menschen vorwiegend in knappen Outfits, er selber will sich nicht fotografieren lassen beim Schwimmen. Kaiser gilt als akribisch, gleichzeitig ist sein Büro ein Chaos: Videokassetten, DVDs, Bücher, Unterlagen und Nippes stapeln sich auf jeder ebenen Fläche, die der Raum zu bieten hat. Während des Gesprächs kippt ein Stapel Weihnachtskarten vom Fensterbrett auf den Boden – im April, wohlgemerkt! «Ich räume nachher auf!», sagt Kaiser, und vermutlich sagt er das seit Jahren.
Kaiser interessiert sich sehr für Weltpolitik, doch auf seinen Sendern gibt es keinerlei Nachrichten oder Hintergrundsendungen. «Man muss private und berufliche Interessen trennen», sagt er dazu. Kaiser hat ein gutes Gefühl für den Massengeschmack, aber eigentlich möchte er gar nicht viel Menschen um sich herum haben. Von «Einzelkämpfer» und «Aussenseiter» ist die Rede, gar das Wort «Sozialphobie» fällt, hört man sich in seinem Umfeld um. Kaiser sagt dazu, er tausche sich gerne mit seinem Kernteam und Spezialisten aus: «Was tatsächlich nicht so meinem Charakter entspricht, ist, eine Gruppe von Leuten als Entertainer zu unterhalten.»
Für die Soft Factors in der Sendergruppe ist seine Stellvertreterin Christina Noell zuständig, denn «Mitarbeiterführung ist die grösste unternehmerische Herausforderung überhaupt», sagt Dominik Kaiser. Er gilt als leistungsorientiert und detailversessen, und obwohl sein Unternehmen inzwischen 70 Mitarbeitende beschäftigt, geht jede wichtige Entscheidung über seinen Tisch: «Man muss sich sein Vertrauen hart erarbeiten», nennt es Noell. «Wenn man es erst mal gewonnen hat, geniesst man viele Freiheiten.»
Sich selber zahlt Kaiser 221 000 Franken Lohn. Sein Gegenstück bei SRF verdient knapp das Doppelte.
Dieses Mikromanagement führt zu hohen Fluktuationen im Team, aber auch immer wieder zu Spannungen selbst mit jenem Kernteam von langjährigen Mitarbeitern, die Kaiser durch Aktienbeteiligung und/oder hohe Saläre an sich gebunden hat. Sich selber zahlt Kaiser einen Lohn von 221 000 Franken pro Jahr – sein Gegenstück bei SRF, Nathalie Wappler, verdient knapp das Doppelte.
Es herrscht eine seltsame Firmenkultur in den zwei Stockwerken mit abgewetztem Parkett, die Kaiser in einem hässlichen Zweckbau aus den 1970er Jahren im Industriegebiet von Schlieren ZH gemietet hat: eine Mischung aus Start-up-Groove und patronalem Respekt. Die 70 Mitarbeiter verbindet das David-gegen-Goliath-Gefühl, der Kampf als privat finanzierter Underdog gegen den 85-mal grösseren Staatsbetrieb SRG, der pro Jahr 1,2 Milliarden Franken Gebührengelder verbucht und so jedes Wettbieten um Sportrechte, Serien oder Shows locker gewinnt.
Entsprechend kurzen Prozess macht Kaiser mit Formaten, die die Erwartungen nicht erfüllen: Mit der Schweizer Version von «Wer wird Millionär?» etwa, mit der selbst gedrehten Krimiserie «Bernegger & Juric» oder – bereits in der Projektphase – den Miss-Schweiz-Wahlen als Doku-Soap: Die Organisatoren des Schönheitswettbewerbes wollten nicht genug in Location und Bühnenbild investieren. «Da hätten wir mit 20 Kameras filmen können, es wäre trotzdem keine grosse glamouröse Misswahl geworden», sagt Kaiser.
Sein langfristiges Ziel ist es, das Schweizer Fernsehen SRF bei den Marktanteilen zur Primetime (derzeit 13 Prozent) zu schlagen. In drei bis vier Jahren könnte es gelingen, schätzt er. Doch leichter wird das nicht, angesichts der zunehmenden inländischen Konkurrenz wie TV24 und TV25 von Verleger Peter Wanner, Puls 8 von SAT.1 und Blick TV von Ringier. Und natürlich der Streamingdienste: Hierzulande ist bislang nur Netflix aktiv, demnächst kommen möglicherweise Apple und Disney hinzu, eines Tages wohl auch Amazon Prime.
Tatsache ist: In der Schweiz hat Netflix bislang deutlich weniger Abonnenten als in anderen Ländern, hauptsächlich wegen der Schweizer Besonderheit Replay TV, das bis zu einer Woche zeitversetztes Fernsehen erlaubt: «Das ist als Fernsehprodukt stärker als jedes andere TV-Produkt weltweit», sagt Dominik Kaiser. Tatsache ist aber auch: Genau dieses zeitversetzte Fernsehen nimmt hierzulande zu, die Nutzung von Streamingdiensten ebenfalls. Live-TV hingegen geht – ausser bei Sportgrossereignissen – zurück und damit der Strom an Werbeeinnahmen.
- 88 Prozent des Umsatzes macht Kaiser mit klassischer Werbung.
- 7 Prozent des Umsatzes erzielt er mit Sponsoring und Product Placement in Eigenproduktionen – Tendenz stark steigend.
- 5 Prozent des Umsatzes erzielt Kaiser mit dem Verkauf von Sendezeit an Home-Shopping-Anbieter, Wahrsager etc.
Kaiser setzt auf Bewährtes
Für weiteres Wachstum muss Kaiser deshalb den Anteil an Eigenproduktionen (derzeit 40 Prozent) massiv steigern. Doch seine Quotenbringer basieren allesamt auf alten Formaten. Echte Innovationen hat es in der Content-Welt über die letzten Jahre auch nicht gegeben. Roger Schawinski sieht die Sendergruppe daher in einer Wachstumsfalle: «Viel mehr geht da nicht.»
Kaiser setzt auf Bewährtes: Er bringt etwa die Castingshow «The Voice» zurück, nachdem SRF das Format 2014 nach nur zwei Staffeln eingestellt hatte. Es wird die teuerste Produktion in der Geschichte von 3+ werden. Und das, obwohl Kaiser seine Eigenproduktionen deutlich günstiger herstellen lassen kann als die Konkurrenz. Etwa indem die Teilnehmer seiner Kuppelshows sorgfältiger gecastet und dann schneller im Dreh mit persönlichen Schicksalsmomenten konfrontiert werden. Oder indem bei fiktionalen Stoffen wie «Bernegger & Juric» eine Szene nicht Dutzende Male wiederholt wird.
Eigene Formate entwickeln und ausprobieren will er hingegen weiterhin nicht, weil zu riskant. Auch bei den neuen Werbeformaten auf 6+ setzt er auf risikoarme Innovation: Fünf Singlespots pro Stunde statt zweier Werbeblöcke à sechs Minuten mögen in der Schweiz neu sein, doch im Ausland kennt man Ähnliches. Gleiches gilt für kontextbezogene Werbung auf einem Teil der Bildschirmfläche – etwa für eine Versicherung, wenn der Hauptdarsteller im Film gerade ein Auto zu Schrott fährt.
Expansion nach Deutschland
Eine Expansion in die Romandie ist für ihn kein Thema, aber allenfalls nach Deutschland: Dort hat RTL die Menge an Lizenzprogrammen reduziert, ProSieben und SAT.1 planen den gleichen Schritt – und plötzlich geht eine Lücke auf für ein deutsches 3+: «Wir könnten in Deutschland so starten, wie wir damals gestartet sind», sagt Kaiser, wohl wissend, dass er dazu einen finanzkräftigen Partner bräuchte. Und dann ist ja da auch noch die Idee von 7+. Die Marke gehört Kaiser bereits, ein Logo hat er auch schon. «Einen neuen Sender starten können wir schnell», sagt er. Frühestens in eineinhalb Jahren soll es so weit sein. «Erst fokussieren wir uns aber auf 6+.»
Auch seinen Traum vom Weltall hat Dominik Kaiser noch nicht aufgegeben. Er wartet sehnsüchtig darauf, dass Pioniere wie Richard Branson oder Jeff Bezos ihre Versprechen wahr machen und in ihren Raketen Touristen für einen Trip durch das All mitnehmen. Die entsprechenden Wartelisten gibt es, doch noch hat Kaiser kein Ticket gebucht. «Aber wenn das mal läuft und ein paar hundert Leute wohlbehalten zurückgekommen sind, würde ich das relativ bald machen», sagt er.
Denn auch bei seiner grossen Leidenschaft will Dominik Kaiser kein Risiko eingehen.
Dieser Artikel erschien in der Mai-Ausgabe 05/2019 der BILANZ.