Sie stehen den Republikanern nahe, haben aber für Hillary Clinton plädiert. Haben Sie an diesem Wahltag gewonnen oder verloren?
Martin Naville*: Ich bin vor allem überrascht. Den Republikanern stehe ich näher, weil sie Freihandel, Innovation und Unternehmertum repräsentieren. Allerdings hatten wir an diesem Wahltag keinen richtigen Republikaner am Start. Der Sieg von Donald Trump bringt sicherlich grosse Unsicherheit mit sich, das ist negativ. Aber er ist gewählt, jetzt müssen wir schauen, wie er in der Realpolitik funktioniert.
Die Republikaner haben die Mehrheiten sowohl im Senat als auch im Repräsentantenhaus verteidigen können. Das bringt Donald Trump in eine komfortable Ausgangslage. Was haben wir zu erwarten, wird er durchregieren können?
Von durchregieren ist überhaupt keine Rede. Er wird eine schwierige republikanische Partei gegenüber haben, die sich in vier Lager teilt. Zum einen das Establishment um Paul Ryan herum, den Vorsitzenden des Repräsentantenhauses. Zum zweiten die Vertreter der Tea-Party-Bewegung, dann die Evangelikalen und als vierte Gruppierung die Anhänger Trumps. Es wird also auch innerhalb der Republikaner sehr schwierig sein, Vorhaben durchzusetzen. Auch, da in den USA die Fraktionsdisziplin so gering ist. Trump wird grosse Mühe haben, durchzuregieren oder auch überhaupt Mehrheiten zu finden.
Wie wird sich das Verhältnis von Donald Trump zur republikanischen Partei künftig gestalten? Der mächtige Paul Ryan zum Beispiel ist im Wahlkampf deutlich auf Distanz zu ihm gegangen.
Paul Ryan ist auf Distanz gegangen und mit ihm viele andere, die Senatoren Kelly Ayotte und John McCain, zum Beispiel. Trump wird viele gegen sich haben. Aber er hat uns schon oft überrascht, vielleicht überrascht er uns ein weiteres Mal und ist besser in der Lage, konstruktiv auf die Leute zuzugehen, als wir jetzt denken. In seiner Rede am Mittwochmorgen hat Trump davon gesprochen, dass seine Hand ausgestreckt ist. Das ist schöne Rhetorik, muss aber erst mit Fakten unterlegt werden. Die Wetten stehen sicher nicht darauf, dass er die Partei auf sich einigt, aber vielleicht überrascht er uns doch.
Sie sind also gar nicht so skeptisch, was eine positive Entwicklung unter Trump anbelangt?
Skeptisch bin ich schon. Trump hat in seinem Leben noch nie gezeigt, dass er im Team arbeiten und Allianzen schmieden kann, um einen Konsens zu finden. Er ist ein Patron und Dirigist, der alles selbst machen will und so hat er auch seinen Wahlkampf geführt. Jetzt ist er als Präsident gewählt, bewahren wir uns ein Quentchen Hoffnung, dass er es künftig anders machen wird. Auf amerikanisch sagt man «Reality bites» – auch Trump wird die Realität einholen, wenn er seine Wahlkampfvorhaben umsetzen will.
Welche Folgen hat Trumps Wahlsieg für die Schweizer Wirtschaft?
Keine grossen. Die protektionistischen Tendenzen, die er im Wahlkampf gezeigt hat, richten sich primär gegen China, Mexiko und andere Länder, die aus seiner Sicht Jobs gestohlen haben aus Amerika. Schweizer Firmen sind dagegen grosse Investoren und haben viele hochbezahlte Arbeitsplätze gebracht. Ausserdem ist die Schweiz für die USA ein guter Exportmarkt. Schweizer Firmen als grosse Exporteure wären erst dann betroffen, wenn Trump durch protektionistische Politik den Weltmarkt – oder auch den amerikanischen Markt - unter Druck bringen würde.
Die Schweizer Ausfuhren in die USA sind unter Barack Obama stark gewachsen. Was erwarten Sie hier für eine Entwicklung?
Die Ausfuhren in die USA sind schon vor Obama stark gestiegen, haben sich mehr als verdreifacht in den letzten 20 Jahren. Ich erwarte hier keine grossen Änderungen, solange die amerikanische Wirtschaft gut läuft. Wenn diese wächst, steht einer weiteren Zunahme der Exporte nichts entgegen. Als Damoklesschwert drohen einzig mögliche stark protektionistische Massnahmen.
Die Gewinner im Markt waren am Mittwoch die Pharmatitel, allen voran die Schweizer. Ist diese positive Reaktion gerechtfertigt?
Das ist zu früh zu sagen. Trump will ja auch Obamacare umkehren. Wie genau, ist unklar. Unter Hillary Clinton wären die Medikamentenpreise eventuell unter Druck gekommen, das Volumen wäre aber mindestens erhalten geblieben. Trump wird weniger auf die Preise schauen, aber möglicherweise die Volumina verringern. Vielleicht gibt es für die Pharmaindustrie Licht am Horizont, aber garantiert ist das noch lange nicht.
*Martin Naville ist Chef der Swiss-American Chamber of Commerce.