Herr Hess, Riet Cadonau soll Dormakaba als CEO und Präsident führen. Etwas, wovon sämtliche Corporate-Governance-Experten abraten. Warum machen Sie als künftiger Vizepräsident da mit?
Der Einzelfall entscheidet, welche Lösung für das jeweilige Unternehmen die beste ist. Der Verwaltungsrat hat sich einstimmig für Riet Cadonau ausgesprochen – im Wissen, dass es punkto Governance auch kritische Reaktionen geben wird. Aber damit haben wir eine langfristig stabile Führung. Das ist für uns entscheidend.
Herr Cadonau beaufsichtigt sich dann sozusagen selbst.
Der Verwaltungsrat nimmt diese Aufgabe als Ganzes wahr. Als Lead Independent Director stelle ich sicher, dass unsere Führungsgremien ihre Beschlüsse frei und sachorientiert fassen können. Ich kann zum Beispiel in dieser Funktion auch von allen Mitgliedern der Konzernleitung jederzeit Auskunft über den Geschäftsgang verlangen.
Ist es nicht ein Armutszeugnis für dieFührung, wenn es intern keinen geeigneten Nachfolger für Cadonau als CEO gibt?
Wir suchen derzeit keinen neuen CEO – weder intern noch extern. Es ist der Wunsch des Verwaltungsrates, dass Riet Cadonau das Unternehmen in einem dynamischen Umfeld noch weitere zwei bis drei Jahre führt. Entscheidend werden dabei die digitale Transformation und der Technologiewandel sein. Da braucht es einen Industrie- und ICT-erfahrenen und mit den Verhältnissen im Unternehmen eng vertrauten CEO. Eigenschaften, die ein neuer CEO kaum allesamt von Anfang an zu bieten hätte.
Sie müssen nun als Lead Independent Director für «adäquate Kontrollmechanismen» sorgen. Wie wollen Sie das als externes VR-Mitglied schaffen?
Ich werde mit konkreten, umfassenden Kompetenzen ausgestattet sein. Die Reglemente werden entsprechend angepasst. Es wird beispielsweise in jeder VR-Sitzung einen Teil ohne Beisein von Riet Cadonau geben.
Wie bitte? Sie schicken den Präsidenten während der VR-Sitzung vor die Tür?
Ja, das ist Teil des neuen Gleichgewichtes. Und ich gehe davon aus, dass wir im VR weiter gut zusammenarbeiten werden. Wir sind es gewohnt, in der Sache hart zu diskutieren, und jeder will das Beste für Dormakaba.