Schon als der Auktionator den Schätzpreis von 5,2 bis 6,2 Millionen Franken nennt, geht ein Raunen durch die Reihen in der Kirche, die heute Nachmittag ein Auktionshaus ist. Dann bieten sich die Multimillionäre gegenseitig hoch. Zwei Lager von jungen Männern sind besonders hartnäckig: drei Asiaten in der zweiten Reihe und zwei Araber in der ersten Reihe. Die Gebote gehen steil hoch, bei 7 Millionen klatschen die rund hundert Leute im Saal. Dann werden sie von einem Mann in Reihe zehn überboten. Er erhält den weissen Lamborghini für 7,2 Millionen Franken. Er hat ein Headset im Ohr und wird noch ein gutes Dutzend weitere Luxusboliden kaufen.

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Wir sind in der Kirche auf dem Gelände des noblen Golfclubs in Bonmont VD, rund 40 Autominuten von Genf entfernt. Der Golfclub liegt leicht erhöht, sodass sich der Blick über den Genfersee öffnet. Hier werden insgesamt 75 Fahrzeuge versteigert – Supercars nennt sie der Veranstalter, das britische Auktionshaus Bonhams.

Ausgerechnet hier! Denn einst war der Golfclub ein Zisterzienser-Kloster, das erstmals im 12. Jahrhundert erwähnt wird. Die Zisterzienser wollten sich von der Kirche abgrenzen, die durch Reichtum vom ursprünglichen Ideal abgekommen war, von der eigenen Hände Arbeit zu leben. Bis zum Jahr 1536 tun sie das in Bonmont. Dann erobert Bern das Waadtland und in der Folge dient die Abteikirche nicht mehr dem Gebet, sondern profanen Zwecken, etwa als Weinlager, Kornspeicher, Käserei und Bäckerei. Heute steht die Kirche unter Denkmalschutz und kann für Anlässe wie Hochzeiten oder eben auch mal eine Auktion von Supercars gemietet werden.

«Hétéro Proud» ist auf dem Hemd zu lesen

Bei einem Auto kennen die Bieter kein Halten mehr: Der Preis für den weissen Lamborghini Veneno Roadster addiert sich inklusive der Gebühr für das Auktionshaus, Mehrwertsteuer und so weiter auf 8,28 Millionen Franken. Noch nie ist ein höherer Preis für einen Lamborghini bezahlt worden. Der Mann mit Headset im Saal – Mittedreissig, grauer Anzug, getrimmter Bart, die dunklen Haare nach hinten gegelt – ist wahrscheinlich ein Strohmann von Teodorin Obiang, dem Sohn des Präsidenten von Äquatorialguinea.

Playboy aus Äquatorialguinea

Die ersten 25 Luxusautos der Auktion hat der Kanton Genf von Teodorin Obiang konfisziert, dem Sohn des Präsidenten von Äquatorialguinea. Die Genfer Justizbehörden ermittelten unter anderem wegen Geldwäscherei gegen Obiang. Zusammen mit einer Zahlung von 1,3 Millionen Franken ist die Zwangsversteigerung der konfiszierten Luxusboliden Teil eines Deals der Genfer mit Obiang. Alle Untersuchungen gegen ihn wurden eingestellt. Insgesamt kamen bei der Versteigerung dieser Autos 23,4 Millionen Franken zusammen, deutlich mehr als die geschätzten 18,5 Millionen. Das Geld soll in Sozialprojekte in Äquatorialguinea fliessen. Das ist allerdings schwierig, denn dort ist alles unter Kontrolle der Familie Obiang. Darum ist das Geld aus der Zwangsversteigerung der Luxusautos noch nicht geflossen. Das Departement für auswärtige Angelegenheiten in Bern hat den Auftrag, herauszufinden, über welche Kanäle die Gelder am besten der Bevölkerung von Äquatorialguinea zugutekommen. Ein Teil des Erlöses wird an den Kanton Genf gehen, für die Verwahrung der Super-Boliden seit 2016.

Die Familie Obiang ist in Äquatorialguinea seit vierzig Jahren an der Macht. Teodorin ist der designierte Nachfolger seines Vaters als Präsident des drittgrössten Erdölexporteuers südlich der Sahara. Auf Instagram stellt er seinen Luxus als @teddynguema zur Schau. Ein Playboy mit Häusern in Malibu, Paris und Kapstadt. Dazu Luxuskarossen und Jachten. Gleichzeitig wohnen die Menschen in seinem Land in Plastikhütten ohne fliessendes Wasser, zwei Drittel der 1,3 Millionen Einwohner von Äquatorialguinea leben unterhalb der Armutsgrenze. Seine Rennboliden könnte Teodorin auf den Strassen zu Hause gar nicht fahren.

Gegen die Familie Obiang wurde schon in Spanien, den USA und Frankreich wegen Geldwäsche ermittelt. Eine Verurteilung gab es aber nur in Paris in erster Instanz. Teodorin wurde zu drei Jahren Gefängnis und einer Zahlung von 30 Millionen Euro verurteilt, auf Bewährung. Ein Rekurs ist hängig.

Jedenfalls kauft der Mann, der immer wieder in sein Mikrofon spricht, rund die Hälfte der ersten 25 Boliden. Darunter einen Maserati, einen Ferrari, einen weiteren Lamborghini, einen Bentley, noch einen Ferrari, einen McLaren, einen Aston Martin, einen Rolls-Royce und den Koenigsegg One, für den er 4,6 Millionen Franken hinblättert. Sie alle gehörten Obiang und werden vom Kanton Genf zwangsversteigert – der Erlös soll guten Zwecken zugeführt werden.

Der Mann mit Headset spricht Hochdeutsch. Die Autos seien für jemanden in Dubai bestimmt, sagt er. Seltsam nur, dass er auf vielen Fotos an der Seite von Obiang auf dessen Instagram-Profil auftaucht. Und der Zufall will es, dass am Tag der Auktion eine Regierungsmaschine aus Obiangs Heimat Äquatorialguinea in Genf landet, am Mittwoch noch eine zweite – das sei aussergewöhnlich, schreibt die Zeitung «24 heures».

Dass der Mann mit Headset nicht alle 25 Autos ersteigert, die Obiang gehörten, liegt an anderen Käufern im Saal. Etwa Benjamin de Rothschild, der in der vierten Reihe sitzt. Der Baron, dessen Vermögen vom Wirtschaftsmagazin «Bilanz» auf 3 bis 3,5 Milliarden Franken geschätzt wird, ersteigert einige Wagen. Darunter Losnummer 19, einen blauen Bugatti Veyron Coupémit Jahrgang 2010. Rothschild überbietet den Mann mit Headset. Der Hammer fällt bei 1,311 Millionen Franken.

Dass der Preis bis auf die letzten 1000 Franken bestimmt wird, liegt am Baron. Er will plötzlich in 3000-Franken-Schritten weiterbieten, obwohl an der Auktion bei Beträgen über 1 Million 100'000-Franken-Schritte vorgesehen sind. Obwohl seine Stimme kaum Ton hat – er hört sich sehr heiser an –, setzt er sich damit durch. Beim Auktionshaus Bonhams schätzt man Rothschild als sehr guten Kunden.

Er raucht kette, geht auch während der Auktion öfter vor die Tür. Auf der Rückseite seines Hemdes ist «Hétéro Proud» zu lesen. Benjamin de Rothschild ist Alleinerbe. Sein Vater Baron Edmond de Rothschild sass im Bilderberg Steering Committee, das dieses Jahr in Montreux tagte. Benjamin de Rothschild gilt als reichster Rothschild der Gegenwart. Ihm gehört die Schweizer Privatbank Edmond de Rothschild. Seine Frau Ariane, mit der er vier Töchter hat, leitet die Bank. Im Jahr 2010 sagte Benjamin de Rothschild: «Ich denke, Frauen sind heute besser fürs Geschäft geeignet als Männer.»

Rothschild ist schon am Morgen vor der Auktion auf dem Gelände des Golfclubs. Rund um die Kirche stehen die 75 Luxusfahrzeuge zur Begutachtung. Das zieht eine illustre Gesellschaft an. Darunter etwa den Mittvierziger aus Frankreich, der Anzug mit Turnschuhen kombiniert, die Zeit auf seiner sportlichen Uhr der Marke TAG Heuer abliest und die Classic Cars der Marke Jaguar auf dem Rasen vor der Kirche begutachtet. «Ich habe schon einen zeitgenössischen Jaguar, jetzt will ich mir einen passenden historischen dazu leisten», gibt er Auskunft. In der Farbe British Racing Green müsse er sein.

Davon gibt es hier zwei. Besonders lange studiert er den Jaguar E-Type Serie 3 V12 Coupé mit Jahrgang 1972. Sehr schöne Form, verschwenderisch lang gestreckter Vorbau. Allerdings sieht die Auspuffanlage etwas rostig aus. Sein Schätzpreis liegt bei 40'000 bis 60'000 Franken, an der Auktion geht er für 55'200 Franken – nicht an den Franzosen. Gleich daneben steht ein Beacham Jaguar E-Type V8 Roadster, der mit Jahrgang 2015 angegeben wird, weil er in diesem Jahr komplett erneuert wurde und nur den Look des Oldies behalten hat. Über das Fahrzeug sind die Meinungen geteilt. Ein Engländer findet das ideal: «Classic looks without classic problems.»

Sein Kumpel findet es schrecklich: «Sorry, but I think, what has been done to this classic E-Type is just awful.» Der Schätzpreisliegt bei 170'000 bis 220'000 Franken. An der Auktion bleibt das Höchstgebot mit 130'000 Franken unter dem Schätzpreis und der Verkäufer behält den Wagen.

Supercars
Foto: Raffael Waldner / 13 Photo
Foto: Raffael Waldner / 13 Photo

«Je m’en fous!»

Insgesamt werden elf Fahrzeuge nicht verkauft, weil das Höchstgebot zu tief bleibt. Darunter der Ferrari 458 Speciale Aperta, Jahrgang 2015, knallgelb aussen und knallrot innen. «Das grässlichste Ding hier», amüsiertsich eine Männergruppe über die Farbkombination. Sie lachen und gehen weiter. Dabei existieren von diesem Ferrari-Modell nur 499 Stück. Dieser sei nach Kuwait geliefert worden, steht im aufwendig fotografierten Verkaufsprospekt. Gefahren ist der bisherige Besitzer nur 145 Kilometer. Im Rückspiegel stehen arabische Schriftzeichen. Für die Männergruppe ist der Wagen uninteressant, stehen bleibt beim Ferrari jetzt ein Pärchen. Er ist über sechzig, geht etwas steif, trägt Poloshirt und Freizeithose, ist unrasiert. Sie ist Ende vierzig, trägt ein schlichtes, enges, kurzes Kleid. Ihrem Gesicht sieht man ihr Alter an, ihren Beinen nicht. Sie findet die Farbkombination «fantastisch». Der Ferrari sei herrlich, einer der sage: «Je m’en fous!» An der Versteigerung schert sich niemand genug. Das Höchstgebot bleibt mit 400'000 Franken unter dem Schätzpreis von 530'000 Franken.

Das hässlichste Auto an der Auktion. Es ist ein Mercedes-Benz 500 SL Roadster mit Jahrgang 1989. Warum es überhaupt hier steht, wird erst klar, als ich im Verkaufsprospekt lese, dass es einst Gunter Sachs gehörte, verstorbener Lebemann, Milliardär und einst Ehemann des französischen Filmstars Brigitte Bardot. Sachs kaufte das Auto für seine dritte Ehefrau, das schwedische Modell Mirja Larsson. Sie kam damit in 6,2 Sekunden auf 100. Der jetzige Verkäufer ist der dritte und fünfte Eigentümer des Autos. Er kaufte ihn, verkaufte ihn und kaufte ihn wieder zurück. Jetzt verkauft er ihn wieder. Schätzpreis 35'000 bis 45'000 Franken, ohne Reserve, wie dem Verkaufsprospekt zu entnehmen ist. Das heisst, er geht auch weg, wenn das Höchstgebot tiefer bleibt. So ist es: Der Hammer fällt bei 25'000 Franken, inklusive Prämie für das Auktionshaus bezahlt der Käufer 28'750 Franken.

Die jungen Asiaten kaufen für Millionen

Einer der grössten Stars ist der Jaguar XK120 Roadster mit Jahrgang 1950. Geschwungene Linie, voluminöser Vorbau. Das Auto schreit: «Hollywood-Filmstar der 1950er Jahre!» Der Schauspieler Clark Gable («Vom Winde verweht») fährt im Jahr 1953 in einem solchen Modell durch die Schweiz. Für damalige Verhältnisse ist er sehr schnell mit einer Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h.

Clark Gable fuhr den Wagen in der Farbe Battleship Grey, so steht er nun auch zur Besichtigung in Bonmont. Ehemals sei dieser aber weiss gewesen, erzählt mir der Tessiner Mechaniker des Wagens. Der Eigentümer sei ein Herr mit Appartement im Tessin und Anwesen an anderen Orten der Welt. Das Auto blieb im Tessin, der Eigentümer fuhr es, wenn er dort war. Gekauft hatte es der Besitzer an einer Auktion im Jahr 2014. Gleich danach stellte sich heraus, dass das Auto einige Probleme hatte, die vor dem Kauf nicht so deklariert gewesen waren. Deswegen musste der neue Besitzer fast jedes Mal zuerst zum Mechaniker, wenn er im Tessin war. Er habe inzwischen viele neue Teile eingebaut, sodass der Wagen heute alltagstauglich sei.

Der Eigentümer habe jeweils drei Classic Cars im Tessin. Er verkaufe diese nach einigen Jahren und lege sich wieder neue zu. Das Problem beim Verkauf des Jaguars XK 120 Roadster: Der Preis stagniere, weil zu viele gebaut worden seien, über 7000 Stück. An der Auktion liegt der Schätzpreis bei 100'000bis 140'000 Franken. Das Höchstgebotkommt nur auf 95'000 Franken.

Auch unter den verschmähten Fahrzeugen bleibt der Mercedes-Benz SL Papillon mit Flügeltüren aus dem Jahr 1955. Der erste Supercar, den es je gab, sagt Philip Kantor, Chef der Autosparte beim Auktionshaus Bonhams. Der Schätzpreis liegt zwischen 1,1 und 1,4 Millionen Franken, aber das Höchstgebot bleibt mit 980'000 Franken darunter.

Markt für Autosammler: Reale Kinderträume

Philip Kantor, welche Classic Cars sind heute an Auktionen gefragt?

Wenn jemand Classic Cars kauft, dann meist jene, die sie in der Kindheit als Bild im Schlafzimmer an der Wand hängen hatten. Das Geld und die Musse dafür haben die meisten etwa ab einem Alter von vierzig oder fünfzig Jahren. Gefragt sind heute also 1980er-Jahre-Autos.

Auch Jaguar?

Nein, das war die Zeit, als Ford das Zepter schwang, keine gute Zeit für Jaguar.

Welche dann?

Ferrari geht immer. Es gibt bei den Classic Cars zwei Märkte: Ferrari und die anderen.

So krass?

Ja.

Welche Ferrari denn?

Der F40. Zwischen 1987 und 1992 wurden 1315 Stück gebaut.

Die bekommt man heute für rund 1,5 Millionen Franken. Neben Ferrari?

Der McLaren F1. Der hat «Le Mans» gewonnen, aber er lässt sich auch auf ganz normalen Strassen fahren. Er hat drei Sitze: einen Fahrersitz vorne in der Mitte, zwei Passagiersitze hinten.

Zwischen 1993 und 1997 wurde der F1 nur 106 Mal gebaut. Der Rekordpreis bei einer Versteigerung liegt bei fast 20 Millionen Dollar. Was ist mit Porsche?

Ja, der 911 geht auch.

Mercedes?

Ja sicher, der Papillon war in den fünfziger Jahren der erste echte Supercar.

Was ist mit ganz alten Wagen?

Autos von vor dem Krieg finden heute kaum mehr Käufer. Man hat viele technische Probleme und Pannen damit. Zudem können sie nur sehr langsam gefahren werden und man sieht darin aus wie sein eigener Chauffeur.

Philip Kantor lehnt am ersten Supercar, dem Mercedes-Benz SL Papillon aus dem Jahr 1955. Kantor ist der Autoexperte beim britischen Auktionshaus Bonhams.

Philip Kantor lehnt am ersten Supercar, dem Mercedes-Benz SL Papillon aus dem Jahr 1955. Kantor ist der Autoexperte beim britischen Auktionshaus Bonhams.

Quelle: Raffael Waldner / 13 Photo

Die ganze Auktion dauert drei Stunden. Die drei jungen Asiaten und die zwei Araber liefern sich in der Kirche weiter Bieterkämpfe. Etwa um Losnummer 25, den gelben Hybrid-Ferrari La Ferrari 2015, der für 1,9 Millionen Franken an die Asiaten geht. Auch Losnummer 48, den silbergrauen Lamborghini Reventón Roadster, ersteigern die Asiaten für 1,7 Millionen Franken. Die Araber aus der ersten Reihe gratulieren, eine weibliche Begleitung der Asiaten steht auf und schiesst einige Fotos der erlöst lächelnden Käufer. Ein Deutscher neben mir in der sechsten Reihe kommentiert: «Die Buben geben Papas Geld aus.»

Dieser Artikel ist im Millionär, dem Magazin der «Handelszeitung», erschienen (Dezember 2019).