Mit Doris Leuthard präsidiert kommendes Jahr das amtsälteste Mitglied den Bundesrat. Sie hat bereits Erfahrung mit dieser Aufgabe. Zurücklehnen kann sich Leuthard 2017 trotzdem nicht.
Zwar sind Volk und Stände Leuthard zuletzt gefolgt und haben die Atomausstiegsinitiative der Grünen abgelehnt. Mit dem Referendum gegen das erste Massnahmenpaket zur Energiestrategie steht ihr im kommenden Jahr aber eine weitere wichtige Volksabstimmung bevor.
Im Parlament beginnen derweil die Beratungen zur zweiten Etappe der Energiestrategie, den umstrittenen Lenkungsabgaben. Federführend ist das Finanzdepartement. Ein Scheitern würde die Umweltministerin aber genauso betreffen, zumal nicht nur die Energiewende, sondern auch die Klimapolitik des Bundesrates Lenkungsabgaben voraussetzt. Der Ausstoss von Treibhausgasen im Inland soll erheblich gesenkt werden.
Mit der SRG unter Druck
Überzeugen muss die Vorsteherin des Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) im kommenden Jahr auch in der Medien-Debatte. Geht es nach dem Bundesrat, soll die SRG weiterhin einen umfassenden Service public anbieten. Dagegen gibt es jedoch Widerstand.
Die Diskussion wird mit den Debatten zur No-Billag-Initiative neu aufflammen. Die Verfechter eines starken Service public ermahnen Leuthardbereits jetzt, die gegnerischen Kräfte nicht zu unterschätzen. Das revidierte Radio- und Fernsehgesetz mit einem neuen Gebührensystem hatte das Stimmvolk nur knapp angenommen.
Ins Schleudern geraten
Neben den Sachdossiers kommen im Präsidialjahr repräsentative Verpflichtungen hinzu. Die Voraussetzungen dafür scheinen günstig: Leuthard ist bekannt für ihr gewinnendes Auftreten und ihr kommunikatives Talent, ob im Parlament oder vor der Kamera. Missglückte Reden drohen 2017 also kaum.
Im ersten Präsidialjahr 2010 war die CVP-Bundesrätin allerdings trotz ihrer Talente ins Schleudern geraten. Sie vermochte nicht zu verhindern, dass Bundesratsmitglieder ihre Differenzen in den Affären um die Libyen-Geiseln und die UBS öffentlich austrugen. Zuweilen wurde ihr gar vorgeworfen, im Gremium Zwietracht zu säen. 2017 hat Leuthard nun eine zweite Chance.
Krönender Abschluss?
Dass sie das Präsidialjahr als krönenden Abschluss ihrer Zeit in der Landesregierung betrachtet, ist zumindest nicht ausgeschlossen. Zwar ist Leuthard erst 53 Jahre alt, doch ist das kommende Jahr bereits ihr elftes im Bundesrat. Zudem sind einige Meilensteine erreicht. Der Gotthard-Basistunnel ist eröffnet, die Energiewende eingeleitet.
Letzteres war so nicht erwartet worden, als Leuthard im Herbst 2010 vom Wirtschafts- ins Umweltdepartement wechselte. Damals schien es, als hätten die Befürworter der Atomkraft Grund zum Feiern: Die Aargauerin, die der Atomindustrie nahe stand, hatte sich stets für den Bau neuer AKW ausgesprochen. Doch es kam anders.
Die Fukushima-Wende
Nach der Atomkatastrophe von Fukushima im Frühjahr 2011 liess Leuthard umgehend die Rahmenbewilligungsverfahren sistieren. Wenige Wochen später verkündete die Energieministerin, der Bundesrat wolle auf neue Atomkraftwerke verzichten.
Der Entscheid war pragmatisch: Nach Fukushima wäre eine Abstimmung über neue AKW wohl schwer zu gewinnen gewesen. Dass das Signal so rasch erfolgte, war aber Leuthards Verdienst. Sie wusste die Chance zu nutzen, welche die Situation auch für sie persönlich bot. Mit Begeisterung schlüpfte sie in die Rolle der anpackenden Magistratin und vermochte so ihre bereits grosse Popularität noch zu steigern.
Das Machbare im Blick
Aus Sicht der Kritiker blieb Leuthard dann allerdings auf halbem Weg stehen: Kein fixes Abschaltdatum für die bestehenden AKW, keine griffigen Massnahmen für Energieeffizienz. Leuthard richtete die Strategie gleich von Beginn weg auf das politisch Machbare aus. Als sie im Abstimmungskampf gegen die Atomausstiegsinitiative vor Blackouts warnte, wurde sie in den Augen der Kritiker wieder zur Atomministerin.
In der Verkehrspolitik ist Leuthard ebenfalls darum bemüht, niemanden vor den Kopf zu stossen. Strasse und Schiene dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden, betont sie stets. Dank Versprechen an die Strassenverbände brachte sie den Ausbau des Bahnnetzes und einen neuen Bahnfonds problemlos durch die Abstimmung.
Nein zur Vignette
Das Stimmvolk folgte Leuthard auch beim zweiten Gotthard-Strassentunnel, bei der «Milchkuh-Initiative» und beim Raumplanungsgesetz. Zu ihren Niederlagen gehören das Nein zu einer teureren Autobahnvignette, das Ja zur Zweitwohnungsinitiative sowie der ungelöste Fluglärmstreit mit Deutschland.
Schon als Wirtschaftsministerin hatte sie schwierige Phasen durchlebt. Gegen den von ihr propagierten Agrarfreihandel mit der EU regte sich in der eigenen Partei Widerstand. Mit dem Wechsel ins UVEK konnte sie diesem Problem entfliehen und gleichzeitig einen Wunsch der CVP erfüllen.
Steile Karriere
Die Karriere von Doris Leuthard verlief nahezu reibungslos - und in rasantem Tempo. 1997 wurde die damals unbekannte Juristin in den Aargauer Grossen Rat gewählt, bereits zwei Jahre später in den Nationalrat. Nach der Abwahl von Ruth Metzer 2003 übernahm sie die Parteileitung.
Die charmante Aargauerin wurde rasch zum Gesicht der Partei und verlieh dieser ein neues Image. Als Joseph Deiss aus dem Bundesrat zurücktrat, war Leuthard von Beginn weg die Kronfavoritin. Die Wahl am 14. Juni 2006 war praktisch Formsache. Innerhalb von nur neun Jahren war Leuthard so von der unbekannten Grossrätin zur Bundesrätin avanciert.
(sda/ccr)