Menschentrauben umzingeln das Auto in Oslo, wo E-Autos ein alter Hut auf der Strasse sind. Selfies werden geschossen, das Auto als Kulisse im Hintergrund. An der Grenze nach Schweden kommt ein Zöllner betont langsam ans Auto getrabt und sagt zur Begrüssung: «Cool car.»
Ein wenig Coolness verlor ich beim ersten Einbiegen auf die Autobahn: Gaspedal (passt das Wort noch?) zur Vorsicht nur halb gedrückt, trotzdem beinahe dem Lastwagen in den Hintern gekracht, der vor einer halben Sekunde noch am Horizont entschwand, die Mitfahrer meckerten über die Belastung für ihre Halsmuskulatur, weil dank mir ihre Köpfe überfallartig nach hinten geklappt waren.
Schnelles Laden
Er ist also da, der erste Stromer aus Stuttgart-Zuffenhausen. Den Launch begleitete Porsche seit Monaten mit einer PR-Kampagne von epischer Breite und Länge. Zum Marktstart fahren die Autos eine Tour von Norwegen durch Europa und enden in Stuttgart, unterwegs bestromt an den Stationen des Infrastruktur-Konsortiums Ionity.
Tatsächlich: Das Laden funktioniert rasend schnell. Die maximale Leistung, die Batterie von fünf auf 80 Prozent innert 22,5 Minuten zu befüllen, bleibt zwar Idealbedingungen vorbehalten, die wohl kein Käufer jemals antreffen wird. Aber selbst bei mehreren besetzten Säulen geht es erstaunlich zackig; auf früheren E-Auto-Trips konnte ich während des Ladens ganze Skirennen im TV schauen, und anschliessend war die Batterie noch längst nicht voll. Porsches 800-Volt-Technik bedeutet einen echten Schritt nach vorn.
Superb-neutrale Strassenlage
Der Innenraum ist hochwertig verarbeitet, die Bedienoberflächen geben keine Rätsel auf, der Beifahrer hat seinen eigenen Screen. Fahrdynamisch begeistert vor allem die Beschleunigung; Kurvenräubern beherrscht der Taycan zwar auch, aber man spürt den zentrifugalen Drang der 2,3 Tonnen Fahrzeuggewicht; ein 911 ist 700 Kilo leichter. Die schwere Batterie erzeugt dafür eine superb-neutrale Strassenlage.
Konkurrenten des Taycan sind weniger die sportlichen Verbrenner, sondern der bisherige Marktführer Tesla. Porsche geht davon aus, wesentlich standfestere Technik verbaut zu haben als die Amerikaner, bei denen wiederholte Vollgas-Starts die Batterie schnell an die Grenze bringen können. Nach und nach wird Porsche nun, nach den Topmodellen, günstigere Varianten bringen. Der Schweizer Porsche-Chef Michael Glinski hält das Marktpotenzial für so gross, dass er den Taycan, neben dem SUV Macan, zum «Topseller in der Schweiz» avancieren sieht. Für Teslas Oberklasse-Modelle S und X wird der Raum nun erstmals eng.
Porsche Taycan Turbo S
Antrieb: E-Batterie mit 93,4 kWh
Verbrauch: 26,9 kWh
Leistung: bis 761 PS
Reichweite: 412 km
0–100 km/h: 2,8 s
Vmax: 260 km/h
Preis: 237 500 Fr. (Modell Turbo S)