In der Spitze der Rakete hat der Technikunternehmer diesmal nicht wie jüngst ein rotes Autoplatziert, das für eine unendliche Reise in den Weltraum geschossen wird. Stattdessen steckt ein Aufklärungssatellit für Spanien sowie zwei kleinere Satelliten unter der Raketenverkleidung. Sie sollen Musk jedoch einen neuen Riesenmarkt erschliessen.
Ehrgeiziges Projekt
Die zwei Satelliten, MicroSat-2a & 2b, sind etwa 400 Kilo schwer und 1,1 mal 0,7 mal 0,7 Meter gross. Es sind die ersten Test-Exemplare für ein von Musk geplantes weltumspannendes, eng verflochtenes Internet-Satellitennetz unter dem Projektnamen Starlink. Es soll dem Visionär eines Tages Milliardeneinnahmen bescheren und Millionen Menschen schnellen Internetzugang ermöglichen.
Es ist ein weiteres technisches Grossprojekt des Multiunternehmers, der an der Spitze der Elektroautofirma Tesla und der Raumfahrtfirma SpaceX steht. Wieder einmal denkt Musk in grossen Dimensionen und liebt wie so oft bei den Details die Geheimniskrämerei.
Völlig neue Dimensionen
Allerdings musste Musk bei der Behörde zur Vergabe der Frequenzen im All ( FCC) ein paar Angaben machen. Die dabei skizzierten Dimensionen stellen alle anderen Satellitenprojekte in den Schatten. Danach soll das Starlink-Netz im Endausbau aus 11'943 Satelliten bestehen. Das wären etwa sechs Mal so viele Satelliten wie insgesamt von allen Betreibern derzeit die Erde umkreisen.
Musk plant zwei Schichten: So sollen 7518 Satelliten in der relativ geringen Höhe von rund 340 Kilometer die Erde umkreisen und weitere 4425 Exemplare in etwa 1200 Kilometer Höhe. Zum Vergleich: Die meisten Telekommunikationssatelliten fliegen in 36’000 Kilometer Höhe auf einer geostationären Umlaufbahn und sind damit praktisch über einem bestimmten Gebiet der Erde fest positioniert. Das Starlink-Netz von Musk wären aber Satelliten, die ständig die Erde umkreisen und die Zuständigkeit für ein Gebiet immer an einen anderen Satellitenweitergeben müssen.
Bis 2025 soll das komplette Netz stehen
Eine grosse technische Herausforderung, weil sie auch untereinander kommunizieren müssen. Die Satelliten sollen sehr niedrig fliegen. Dies hat den Vorteil, dass ein Signal aus dem All zur Erde und zurück extrem wenig Zeit benötigt. Musk möchte ein Internet aus dem Weltraum aufbauen, das so schnell reagiert, als wären die Computer mit einem Netz auf der Erde verbunden.
Die Kosten des Starlink-Projekts hat Elon Musk vor drei Jahren mit zehn bis 15 Milliarden Dollar beziffert. Der Unternehmer räumte ein, dass er mit grossen Kabelnetzanbietern in den Ballungszentren nicht konkurrieren kann – wohl aber mit Anbietern in etwas dünner besiedelten Regionen. Die US-Wirtschaftszeitung «Wall Street Journal» berichtete im vergangenen Jahr, dass SpaceX über 30 Milliarden Dollar Einnahmen im Jahr 2025 aus den Internet-Aktivitäten im All erwartet. In Branchenkreisen wird spekuliert, dass sich Google beteiligen könnte.
Zeitplan unklar
Über den Zeitplan für das Starlink-Projekt gibt es widersprüchliche Angaben. Mit den ersten beiden Prototyp-Satelliten fällt jetzt der Startschuss. Etwa bis 2025, also in grob sieben Jahren, soll das komplette Netz stehen.
Um mehrere Tausend Satelliten in der Grösse von MicroSat-2a & 2b ins All zu bringen, sind aber Hunderte von Raketenstarts notwendig. Auch eine Mammutaufgabe. Aber Musk hat schon häufiger davon gesprochen, dass er sich eines Tages sogar tägliche Raketenstarts vorstellen kann.
Konkurrenten bringen sich in Position
Schon jetzt steht fest, dass Starlink beim Internet für alle aus dem Weltraum Konkurrenz bekommen wird. So gibt es mit dem Unternehmen O3B, als Abkürzung für «Other 3 Billion», bereits einen Anbieter, der für die schätzungsweise drei Milliarden Menschen auf der Erde einen schnellen Internetanschluss bieten will, die bislang keinen Zugang zum Netz haben. O3B ist eine Tochterfirma des grossen europäischen börsennotierten Satellitenbetreiberkonzerns SES und betreibt schon zwölf Satelliten, die in etwa 8000 Kilometer Höhe die Erde umkreisen. Die Flotte soll auf 20 Exemplare ausgebaut werden.
Nach Angaben des Branchendienstes spacenews.com liegen der Behörde zur Vergabe von Sendefrequenzen im Weltall knapp ein Dutzend Anträge für neue Telekommunikations-Satellitennetze allein zur Versorgung der US-Bevölkerung vor. Genehmigt wurde auch der Antrag von Anbieter OneWeb, der eine Konstellation mit 720 bis 882 niedrig fliegende Satelliten aufbauen will.
Softbank finanziert Konkurrenzprojekt
Auch bei OneWeb gibt es noch weiterreichende Pläne von bis zu 1972 zusätzlichen Satelliten. Grösster Investor bei OneWeb ist der japanische Investor Softbank Group mit etwa 40 Prozent Anteil. Beim Bau der Satelliten gibt es zu Airbus enge Beziehungen. So werden die erste zehn OneWeb-Satelliten von Airbus in Toulouse gefertigt und die nachfolgenden in Florida. An dieser Satellitenproduktion vom Fliessband ist das Luftfahrtunternehmen ebenfalls beteiligt.
Zu den Besonderheiten der Branche gehört, dass der Chef von OneWeb, der US-Technikunternehmer Greg Wyler, früher an der Spitze von O3B stand und jetzt mit OneWebseiner Ex-Firma Konkurrenz machen will. 2014/2015 gab es sogar Berichte, dass Greg Wylerwomöglich mit Elon Musk gemeinsam ein Satellitenprojekt aufsetzt. Doch jetzt sind sie Konkurrenten und Musk scheint die Nase etwas vorne zu haben. Bisher sind längst nicht alle der vollmundigen Ankündigungen von Greg Wyler eingetroffen.
OneWeb startet später
Nach der Ursprungsplanung sollten bereits im vergangenen Jahr zehn OneWeb-Satelliten im All fliegen. Tatsächlich werden die ersten Exemplare aber erst in diesem Jahr fertig – während Musk jetzt schon die ersten Prototypen im All testet. OneWeb ist dennoch davon überzeugt, dass sein Dienst gegenüber SpaceX die Nase vorne haben wird, weil Musk erst Prototypen und nicht sofort einsatzfähige Satelliten ins All schiesst.
Im kommenden Jahr soll alle drei Wochen eine russische Sojus-Rakete mit je 32 OneWeb-Satelliten abheben, um diese grosse Konstellation aufzubauen. Wie viele seiner Raketen Elon Musk für sein Satellitennetz einsetzen will, ist nicht bekannt. Er hat den Vorteil, dass er die Raketen und Satelliten selbst baut.
Dieser Artikel erschien zuerst bei der «Welt» unter dem Titel: «Mit seinem Weltraum-Internet denkt Musk in neuen Dimensionen».