Da stehen sie während der Verkostung plötzlich «Seit an Seit», die Elsässer Winzer, und singen lauthals und fröhlich ein Liedchen, in dem sich «Gläsl» auf «Näsl» reimt, schnuppern alsdann geniesserisch, heben die Gläsl mit ihrem mehrfach preisgekrönten Pinot Blanc Auxerrois in die Höh und rufen: «Gsondheit!» Das ist kein angesäuselter Mummenschanz, den die «Confrérie», die Weinbruderschaft von Cleebourg, da aufführt. Die arbeitsamen Mitglieder dieser Weinkooperative sind lediglich ebenso geschäftstüchtig wie feierfreudig.

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Wir sind im Nordelsass, einige Kilometer südlich von Weissenburg (Wissembourg), in dem einst kein Geringerer als Georg Büchner Schutz vor der rigiden deutschen Strafjustiz gesucht hatte. Hagenau lockt mit seinen 32000 Einwohnern im Advent mit einem Christkindlmarkt, mit Lichterketten an den Giebelhäusern und Glühwein in den Brasserien und Bistros, die fast durchwegs mit Tannenbäumen geschmückt sind.

Kein Wunder, ist der Weihnachtsbaum doch eine elsässische Erfindung: Aus dem Jahr 1521 datiert ein Rechnungsbuch-Eintrag der städtischen Humanistischen Bibliothek zu Schlettstadt: «Item IIII schillinge dem foerster die meyen an sanct Thomas tag zu hieten» (soll heissen: Vier Schillinge sind dem Förster zu bezahlen, damit er ab dem St.-Thomas-Tag, dem 21. Dezember, die Bäume bewacht). Ältere schriftliche Belege über den Weihnachtsbaum gibt es nicht. Seit dem frühen 16. Jahrhundert jedenfalls ist der Weihnachtsbaum aus den Häusern der Elsässer nicht mehr wegzudenken, und von hier aus trat er dann seinen Siegeszug an.

Hier vermischt sich das Beste aus Frankreich und Deutschland, ganz entspannt. Was freilich nicht immer so war: Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Deutsche als Sprache der Okkupanten verpönt, dabei sprach man hier von alters her Elsässisch – einen alemannischen Dialekt. Nach 1945 setzte sich das Französische flächendeckend durch, den Dialekt verstehen fast nur noch die Alten, während die Jungen Deutsch als Fremdsprache lernen. Die gute Nachbarschaft funktioniert gleichwohl.

Jetzt kommen die Deutschen, wie von jeher auch die Schweizer, um hier Wein und auch Töpferwaren zu kaufen. Und um den berühmten «Baeckeoffe» zu probieren, der mit seinem Lamm-Kartoffel-Mix «jeden Erbseneintopf mühelos schlägt», wie eine Marktfrau in Hagenau sagt. Unschön findet sie, «dass man im Inneren Frankreichs unsere Tradition der Weihnachtsmärkte zu kopieren beginnt. – Aber unseren Kougelhopf, den können wir immer noch am besten!»

Man erzählt es mit verständlichem Stolz, auch weist man gern darauf hin, dass frankreichweit allein im Elsass der zweite Weihnachtstag arbeitsfrei ist und das hiesige Kulturerbe beträchtlich. Da war etwa Reimar von Hagenau, der etwa von 1165 bis 1210 lebte. Er war einer der bedeutendsten Minnesänger des deutschsprachigen Raums und quasi die erste städtische Berühmtheit, späterhin gefolgt von Melanchthon, Alfred Döblin und Jean-Paul Sartre, die ebenfalls einige Zeit in Hagenau residierten.

Jeder Ort hier atmet Geschichte und Traditionen, die weder allein Frankreich noch Deutschland exklusiv für sich beanspruchen können, vom Tannenbaum bis zum Baeckeoffe. Der wird übrigens traditionell in getöpferten Terrinen zubereitet, weshalb sich in vielen schmucken Dörfchen im Nordelsass bis heute Töpferwerkstätten finden, betrieben von freundlichen Meistern, denen (deutsche) Handwerker-Ehre noch etwas gilt, diese jedoch präsentiert mit beträchtlichem (französischem) Charme.

Wer hierher kommt, kann also nicht nur Tradition entdecken, sondern auch jene ebenso clevere wie menschenfreundliche Klugheit, die im Cleebourger Winzerblatt so treffend nachzulesen ist: «Heutzutage leben wir in einer immer komplexeren Welt, in der es schwierig wird, sich zurechtzufinden. Zum Glück gibt es die Weine aus Cleebourg. Das sind sichere Werte.» Darauf mindestens ein Gläsl!