Im Sommer 2008 sprang der Erdölpreis erstmals über 150 Dollar pro Fass. Goldman Sachs und andere Rohstoffanalysten fanden sofort Argumente, mit denen sich auch ein Preis von 200 Dollar hätte rechtfertigen lassen.
Inzwischen notiert das Fass Öl zwar wieder bei rund 60 Dollar, aber das schwarze Gold ist immer noch wichtigster Energieträger der Welt. Sein Anteil
am Gesamtverbrauch beträgt ungefähr 36 Prozent. Mit einigem Abstand folgen Kohle (29 Prozent) und Gas (23 Prozent).
Dass die Abhängigkeit der Weltwirtschaft vom schwarzen Gold ein grosses ökologisches Problem darstellt, ist längst bekannt. Letzten Sommer wurde der Welt aber auch die ökonomische Gefahr des einseitigen Ressourcenverbrauches in Erinnerung gerufen. Trotz Finanzkrise und erheblichen Rezessionsgefahren sahen sich die Notenbanken mit Inflationsrisiken konfrontiert. Die Europäische Zentralbank liess sich deshalb zwischenzeitlich sogar zu einer Leitzinserhöhung verleiten.
Konsequente Suche. Jetzt endlich, tönt es in Umweltschutzkreisen unisono, sehen sich die grössten Wirtschaftsmächte veranlasst, die Klimaschutzprogramme aus den Schubladen zu ziehen, wo sie in vielen Fällen schon seit der Kyoto-Konferenz (1997) liegen.
Die EU, die sich in Kyoto darauf verpflichten liess, die Emission von Treibhausgasen bis 2012 um acht Prozent unter das Niveau von 1990 zu drücken (und damit noch weit im Rückstand ist), will die Energiegewinnung aus alternativen Quellen in Zukunft viel konsequenter fördern. Kurz vor Weihnachten winkte das EU-Parlament in Strassburg ein neues Abkommen durch, in dem sich die 27 EU-Staaten bis 2020 zur Senkung der Treibhausgasemissionen auf 20 Prozent unter dem Niveau von 1990 verpflichten. Ohne die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energieträger ist ein solches Ziel naturgemäss nicht zu erreichen. Deshalb will die EU gleichzeitig den Anteil der ökologischen Energieträger wie Sonne, Wind und Wasser auf 20 Prozent des Gesamtverbrauches erhöhen. Derzeit liegt der Anteil um die sechs Prozent.
Auch in Amerika wird ein landesweites Programm zur Senkung des CO2-Ausstosses erwartet. Barack Obama hat schon im Wahlkampf ein Programm angekündigt, nach dem die Treibhausgase bis 2050 um 80 Prozent unter das Level von 1990 gesenkt werden sollen. Mit der Ernennung von Steven Chu zum Energieminister, der sich als Verfechter der Nutzung alternativer Energiequellen einen Namen machte, hat Obama ein Zeichen gesetzt, dass er sein Versprechen auch wirklich einlösen will.
Eigeninitiativen. Die Hälfte aller Bundesstaaten haben zudem selber bereits ambitionierte Ziele zur Förderung alternativer Energien formuliert. Kalifornien will bis 2020 ein Drittel des Energieverbrauches aus erneuerbaren Energiequellen beziehen, Minnesota strebt einen Anteil von 30 Prozent an, New Jersey 23 Prozent und New York 24 Prozent bis 2013. Auch das 800-Milliarden-Dollar-Paket, mit dem die Amerikaner die Konjunktur wieder ankurbeln möchten, dürfte den auf die Nutzung alternativer Energiequellen spezialisierten Anlagenbauern zusätzliche Wachstumsimpulse geben: 30 Prozent der Investitionen in die Nutzung erneuerbarer Energieträger können nämlich bis 2016 direkt von der Steuerrechnung abgesetzt werden. Strom aus Windkraftwerken wird eines der ganz grossen Wachstumsthemen der nächsten Jahre sein; davon ist der Zürcher Finanzanalyst Andreas Schneller überzeugt.
Deshalb setzt sein EIC Energy Utility Fund auch fest auf den amerikanischen Stromproduzenten FPL Energy, der immerhin schon mehr als fünf Megawatt oder ein Drittel der Gesamtleistung mit Wind erzeugt. Es scheint tatsächlich kein Zufall zu sein, dass sich die Aktien dieser Firma seit Mitte Oktober so schnell von ihrem Jahrestief (33 Dollar) befreien konnten und jetzt schon wieder bei 57 Dollar notierten. Ähnlich spektakulär verlief auch die Kurserholung bei der spanischen Iberdrola Renovables, die schon jetzt ein Fünftel ihres Umsatzes in Amerika erwirtschaftet und diesen Anteil bis 2012 zu verdoppeln hofft.
Damit die iberischen Windkraftspezialisten ihr ambitiöses Wachstumsziel erreichen können, sind allerdings Investitionen von 19 Milliarden Euro nötig. So viel Geld ist, im Moment wenigstens, auch für verheissungsvolle Projekte schwer aufzutreiben. Gerade recht kommt dem Unternehmen das neue spanische Konjunkturförderungsprogramm, das elf Milliarden Euro in Infrastrukturprojekte – unter anderem im Strom- und Gasbereich – stecken will.
Heikle Förderung. Staatliche Förderungsprogramme sind allerdings nicht ungefährlich. Das zeigt sich jetzt in Deutschland, wo die hohen Einspeisevergütungen für Solarstrom (47 Cent je Kilowattstunde) in den vergangenen Jahren einen enormen Investitionsboom auslösten. Ohne diese Subvention wäre wohl auch in Deutschland niemand bereit gewesen, die 4000 Euro zu investieren, die nötig sind, um Solarmodule mit einer Leistung von einem Kilowatt ans Netz zu schliessen. Dank staatlicher Förderung wurden in Deutschland in kurzer Zeit Milliarden in Solarproduktionsanlagen investiert. Die Investitionen sind zum grossen Teil schuldenfinanziert und drohen jetzt einzubrechen. Hauptgrund ist zunächst zwar die Kreditverknappung der Banken. Aber auch die seit dem 1. Januar abnehmenden Einspeisevergütungen drücken auf die Nachfrage. Q-Cells, Wacker Chemie, SolarWorld und andere deutsche Solarunternehmen sahen ihren Marktwert im zurückliegenden Jahr deshalb um 50 bis 70 Prozent schmelzen. Im Unterschied zu den Aktien der Windenergieproduzenten haben sich die Solarwerte vom Jahrestief noch nicht erholt. Mit Blick auf die langfristigen Wachstumsperspektiven der Branche werden diese Werte dennoch weiterhin von den zahlreichen Nachhaltigkeitsfonds gehalten und von Analysten zum Kauf empfohlen.
Treue Fans. Auch die Titel der Schweizer Stromproduzenten haben eine treue Fangemeinde. Erhard Lee und sein Fonds für Schweizer Substanzwerte AMG gehören zu diesem Kreis. Der Portfoliomanager setzt auf Werte wie Atel (der Konzern wird nach vollzogener Fusion mit EOS in Alpiq umgetauft werden) oder Rätia Energie, die von ihrem hohen Anteil am zunehmend begehrten Wasserstrom profitieren und in den vergangenen Jahren als Stromhändler im Zug der europäischen Marktliberalisierung stark gewachsen sind. Auch die Aktien der Schweizer Stromproduzenten sind in den letzten Monaten stark gefallen. Ein Grund sind die tieferen Strompreise. Diese verhalten sich ähnlich wie die Preise für fossile Energieträger, denn die vergleichsweise rasch aufzubauenden thermischen Kraftwerke dienen zur Deckung der Grenzkapazitäten und bestimmen daher auch den Preistrend. Gerade weil die thermischen Kraftwerke aufgrund ihres hohen CO2-Ausstosses nun weltweit verteuert werden, sind Produktionslücken absehbar. UBS-Analyst Thomas Schneckenburger nimmt deshalb an, dass der Strompreis mittelfristig wieder steigen wird. Davon sollten die Schweizer Stromproduzenten profitieren, glaubt er, denn die Attraktivität ihrer kostengünstigen Wasserkraft wird im Vergleich zu allen anderen (teureren) Energiequellen zunehmen.
Eine wachsende Zahl von Anlegern sieht aber auch beim Erdöl und bei anderen fossilen Energieträgern wieder Einstiegschancen, wenn sich die Weltwirtschaft erholt. Aber origineller als Erdölinvestitionen tönt die Idee von EIC-Analyst Schneller. Er prophezeit den amerikanischen Gaskraftwerken eine gute Zukunft. Diese würden in den nächsten Jahren die Kohlekraftwerke ablösen, weil sie im Vergleich weniger CO2 produzierten. Die Suche nach Gasfeldern ist in den vergangenen Jahren aber stark zurückgegangen, sodass auch hier ein Preisschub zu erwarten sei. Eine mögliche Anlage in diesem Bereich ist der US-Energieproduzent Calpine (Valoren-Nr. 3 670 368), der 80 Prozent seiner Gesamtleistung mit Gaskraftwerken produziert. Allerdings ist die Aktie nur für Anleger geeignet, die hohe Risiken eingehen wollen.
Der Klimaschutz und der wachsende Drang grosser Wirtschaftsmächte, in Sachen Energie autark zu bleiben, werden dafür sorgen, dass das Thema für die Anleger spannend bleibt. Die ausgeprägte Abhängigkeit vom politischen Element macht das Investieren aber nicht einfacher.