Wenn am Freitag das Sommertransferfenster im Fussball schliesst, dann ist das mittlerweile ein sportmediales Grossereignis. Den sogenannten Deadline Day begleiten auf Sport spezialisierte TV-Sender mit Live-Schaltungen vors Gelände von Clubs, die Gerüchten zufolge den vermeintlich entscheidenden Spieler für ihre Mannschaft einkaufen wollen. Tatsächlich stattfindende Spielerwechsel werden dann als Breaking News über alle Kanäle gespielt. Und die Clubs machen im grossen Aufgeregtheitsspektakel gerne mit und verkünden an diesem Tag besonders oft noch Zuzüge von neuen Kickern, die den sportlichen Erfolg sichern sollen.
Unabhängig davon, ob am diesmaligen Deadline Day noch grosse Last-Minute-Transfers stattfinden oder nicht: Der diesjährige Sommer hat bereits bewiesen, dass das Business mit Fussballern ein riesiger Markt ist. Alleine in den europäischen Top-5-Ligen betragen die Ausgaben für neue Spieler rund 5,1 Milliarden Euro. Die total 96 Clubs aus den höchsten Ligen Deutschlands, Englands, Frankreichs, Italiens und Spaniens haben im Schnitt über 50 Millionen Euro investiert, um ihre Kader zu verstärken.
Premier League knackt 2-Milliarden-Euro-Marke
Selbst unter den fünf grössten Ligen Europas bestehen jedoch riesige Unterschiede bei den Transferausgaben. So verzeichnet das Fussball-Powerhaus Premier League aus England Gesamtausgaben von 2,4 Milliarden Euro. Nach 2022 haben die 20 englischen Teams also zum zweiten Mal die 2-Milliarden-Euro-Marke geknackt. Zum Vergleich: In der spanischen La Liga, der laut Länder-Koeffizienten der Uefa zweitstärksten Liga Europas, kauften die Vereine «nur» für rund 400 Millionen Euro Fussballer ein. In Italien, Deutschland und Frankreich liegen die Ausgaben für neue Spieler in der höchsten Spielklasse relativ nahe zusammen – bei gut 700 Millionen bis etwas über 800 Millionen Euro.
Diese Summen sind auch ein Ausdruck für die grosse Kluft, die im europäischen Fussball mittlerweile besteht. Die Top-Ligen haben die anderen längst abgehängt, wie etwa ein Blick in die Schweiz beweist. In der Super League haben die neuerdings zwölf Clubs insgesamt die Rekordsumme von 46 Millionen Euro in Spielermaterial investiert – ein Betrag, die europäische Grossclubs gerne für einen einzigen Spieler ausgeben. Die Schweizer Clubs hingegen leben davon, junge Talente für vergleichsweise wenig Geld zu holen, um sie später hoffentlich teuer ins Ausland verkaufen zu können.
Ausser in England spüren die Clubs den finanziellen Druck
Zieht man die Einnahmenseite noch herbei, zeigt sich die finanzielle Stärke der Premier League noch deutlicher. Unter dem Strich haben die 20 englischen Teams knapp 1,2 Milliarden Euro mehr für Spieler ausgegeben, als sie in diesem Sommer durch Verkäufe eingenommen haben. Bei den restlichen vier Top-5-Ligen ist die Gesamtbilanz hingegen positiv.
Dies ist hauptsächlich auf die aktuelle Wirtschaftslage zurückzuführen. Der stotternde Wirtschaftsmotor sowie die zurückliegenden Corona-Jahre machen vielen Clubs in Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien zu schaffen, wodurch sie weniger ausgabefreudig sind als auch schon. Nur die Top-Clubs der jeweiligen Ligen verfügen über genügend finanzielle Mittel, um sich teure Transfers im hohen zweistelligen Millionenbereich (oder gar darüber) leisten zu können. Demgegenüber ist die Premier League viel resistenter. Einerseits generiert die Liga enorme Summen aus dem Verkauf von Übertragungsrechten. Sie erwirtschaftet mit den TV-Einnahmen derzeit schätzungsweise 2,6 Milliarden Euro pro Saison. Andererseits ist die Dichte an steinreichen Clubbesitzern nirgends so hoch wie im englischen Fussball. Gerade die Top-Clubs haben so finanzstarke Investoren im Rücken, dass sie fast unabhängig von der aktuellen Wirtschaftslage agieren können.
Die Saudis sind ein ernsthafter Player
So ist es nicht verwunderlich, dass im Ranking der Clubs, die im diesjährigen Sommertransferfenster am meisten für neue Spieler ausgegeben haben, jene aus England dominieren. Von den zehn ausgabefreudigsten Vereinen kommen fünf aus Grossbritannien. Das Ranking führt der Londoner Spitzenclub FC Chelsea an. In die Top Ten haben es auch der FC Arsenal, Tottenham Hotspur und die beiden Vereine aus Manchester geschafft. Der Rest Europas ist bloss durch Bayern München und Paris Saint-Germain weit oben vertreten.
Gleichzeitig ist diese Rangliste ein Nachweis für den plötzlichen Aufstieg eines neuen Players im Fussballbusiness: Saudi-Arabien. So hat der vom saudischen Staatsfonds PIF alimentierte Traditionsclub Newcastle United für 153 Millionen Euro neue Spieler erworben. Zudem sind auch die Clubs der Saudi Pro League in diesem Summer auf Grosseinkauf gegangen. Die mit PIF-Geldern unterstützten Vereine Al-Hilal, Al-Ahli und Al-Nassr, bei dem Superstar Cristiano Ronaldo seit letztem Januar unter Vertrag steht, haben zusammengenommen über 700 Millionen Euro in neue Spieler investiert. Das sind mehr als 80 Prozent der Gesamtausgaben aller 18 Teams der Saudi Pro League. Weil die drei Clubs zudem fast keine Einnahmen aus Spielerverkäufen generiert haben, belegen sie Platz 1,2 und 4 im Ranking jener Teams, die diesen Sommer den negativsten Transfersaldo aufweisen.
Die Saudis meinen es also ernst: Das arabische Land will das Niveau der eigenen Liga stärken, indem sie talentierte Spieler in die Wüste locken. Durch die damit generierte Aufmerksamkeit erhofft sich Saudi-Arabien, den Tourismus fördern und sein globales Ansehen verbessern zu können.
Corona hat den Transfermarkt kurzfristig ins Stottern gebracht
Bei gewissen Akteuren in Europa geht bereits das Angstgespenst um, ob der Fussball-Investitionen des finanzkräftigen saudischen Staats. Dabei sind es auch die Top-Clubs der grossen fünf Ligen, die bei den Transferausgaben in den letzten Jahren kräftig am Rad gedreht haben. 2010 wendeten die Clubs von Premier League, La Liga, Ligue 1, Bundesliga und Serie A noch 1,35 Milliarden Euro für neue Spieler auf. Bereits im letzten Vor-Corona-Jahr 2019 war es schon mehr als das Vierfache: die Rekordsumme von 5,6 Milliarden Euro.
In den Pandemie-Jahren 2020 und 2021 sind die Gesamtausgaben der Top Five stark eingebrochen. Seither hat sich der Transfermarkt wieder erholt und steuert auf das Niveau von vor Corona zu. Im Vergleich zu letztem Jahr haben die Clubs in diesem Sommer fast 400 Millionen Euro mehr ausgegeben, nämlich eben die bereits erwähnten 5,1 Milliarden Euro. Und diese irre Summe ist noch nicht ganz in Stein gemeisselt, schliesslich kann sie am Deadline Day diesen Freitag noch weiter in die Höhe schiessen.