Spätestens in acht Tagen und damit nach der «BaselWorld 2011», der weltgrössten Ordermesse für Uhren und Schmuck mit ihren 1900 Ausstellern und 100'000 Besuchern, wird die Schweizer Luxusgüterindustrie wissen, wie stark sich die Umweltkatastrophe in Japan auf die dortige Konsumentenstimmung auswirkt. Etwas länger wird es dauern, bis Rolex, Omega und Co. Aufschluss darüber haben, wie sich die Nachfragesituation in Nordafrika, vor allem aber im Mittleren Osten – einem interessanten Absatzgebiet für Uhren – entwickelt. Beide Zonen sind wichtige Märkte, sie dürfen dennoch nicht überschätzt werden. Japan liegt in der Exportstatistik auf dem 7. Platz, dies mit einem Marktanteil von 5 Prozent.

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Dazu kommen allerdings die indirekten Ausfuhren ins Land der aufgehenden Sonne, jene Uhren, die von den Touristen im Ausland, so auch in der Schweiz, als Souvenirs erworben werden. Taktgeber auf dem japanischen Luxusgütermarkt sind die Mode- und Accessoires-bewussten Frauen, extrem betroffen werden daher Marken wie Hèrmes, Louis Vuitton, Bulgari sein. Die Chefs der grossen Uhrenmarken hingegen lassen sich auf keine schlüssigen Prognosen hinaus. Nach der «BaselWorld» wisse man mehr, heisst es von Genf über Biel bis nach Schaffhausen.

Von Krisenstimmung ist deshalb im Vorfeld der Basler Einkaufsmesse nichts zu hören. Denn bei vielen Herstellern brummen die Geschäfte wie nie zuvor. Allen voran bei den Hayekschen Tochterfirmen aus dem Swatch-Konzern; die Bieler erwarten für 2011, wie übrigens auch die gesamte Exportindustrie, einen neuen Verkaufsrekord von oder gegen 7 Milliarden Franken. Aber auch kleinere Marken freuen sich am guten Geschäftsgang: Jean-Claude Biver beispielsweise kann bei der von ihm geleiteten Manufaktur Hublot seit Oktober 2009 einen Rekordmonat nach dem anderen verzeichnen.

Andere Fabrikanten wissen ähnliche Lieder zu singen. Ein Ende des Booms scheint nicht in Sicht, höchstens eine Abschwächung wegen Japan. Das permanente Aufwärts besitzt allerdings auch seine Schattenseiten.

Zulieferer kommen nicht mehr nach

Manche Komponenten werden knapp, weil einschlägige Spezialisten während der Baisse Personal entlassen und die Produktion drosseln mussten. Das erneute Hochfahren geht zum einen nicht von heute auf morgen. Anderseits herrscht in der Branche nach den misslichen Erfahrungen eine gewisse Vorsicht.

Als besonderer Problemfall erweisen sich Zeiger, ohne die keine Armbanduhr mit analoger Zeitanzeige auskommt. Ein fehlendes Teil reicht, um die Fertigstellung ansonsten weitestgehend gediehener Exemplare zu blockieren. Kein Wunder also, dass Autonomie bei Schlüsselkomponenten das erklärte Ziel ist. Bei mechanischen Uhrwerken sind die Lieferprobleme ohnehin seit Jahren sattsam bekannt.

Gegenwärtig klemmt es aber auch bei Quarz-Kalibern. Mehrere Monate Wartezeit verlangen nach gezielter, auf Mittel- und Langfristigkeit ausgelegter Planung. Beim Thema Einkauf stossen kleine, finanziell nicht opulent ausgestattete Marken am ehesten an ihre Grenzen. Auf die Lieferung folgt unweigerlich die Rechnung, unabhängig davon, ob Umsätze mit fertigen Uhren erzielt werden oder nicht.

Europa auf keinen Fall vernachlässigen

Dass Greater China die Erfolge massgeblich beeinflusst, ist ein offenes Geheimnis. 2010 kletterten die Ausfuhren nach China (ohne den Exportleader Hongkong) um 57 Prozent; und auch im Januar dieses Jahres wurde ein Plus von 20,8 Prozent registriert (alle Exporte plus 16,2 Prozent). Viele Uhren, die nicht unmittelbar exportiert werden und hierzulande über den Ladentisch laufen, fliessen zudem an den Handgelenken von Touristen dorthin.

Ein Automatismus verknüpft sich damit freilich nicht. Manch einer der Uhrenmanager, die China in schierer Euphorie sehen, vergisst möglicherweise, dass viele Uhrenfreaks aus dem Reich der Mitte hauptsächlich das als sexy und begehrenswert finden, was im guten alten Europa gefragt und zu sehen ist. Die sträfliche Vernachlässigung angestammter Märkte – auch in der Schweiz – kann sich über kurz oder lang also durchaus rächen.

Was aber ist gefragt? Unübersehbar rangiert Gelbgold in der Käufergunst derzeit relativ weit unten. Stattdessen sind weisse Metalle, damit auch Stahl, oder warmes Rotgold gefragt. Bicolor findet zurück an die Handgelenke. Und tiefes Schwarz dürfte so schnell nicht aus der Mode kommen. Zu den klassischen Materialien gesellen sich Titan, Keramik, Karbonfaser, Kevlar, Kautschuk oder am besten eine markante Kombination.

Der Wermutstropfen kommt zum Schluss: Die Preise steigen und steigen. Die Schuldigen muss man nicht lange suchen. Einer heisst Franken, der so stark ist wie schon lange nicht mehr. Die extrem gestiegenen Edelmetallkurse führten aus berufenen Mündern schon zur Aussage, dass sich mit Golduhren kein Geld mehr verdienen lasse. Damit der Abstand ja nicht zu gross wird, erfuhren Stahluhren da und dort eine überproportionale Anpassung. Nach oben, versteht sich. Aber das Jammern vollzieht sich derzeit im Allgemeinen auf hohem Niveau. Die Uhrenindustrie muss nur aufpassen, dass sie den Bogen nicht überspannt.