Heute ist für Pierin Vincenz ein besonderer Tag: Er feiert seinen 62.Geburtstag – hinter Gittern. Seit elfeinhalb Wochen hält ihn die Zürcher Staatsanwalt in Untersuchungshaft, genauso wie seinen an MS erkrankten Komplizen Beat Stocker. Für mutmassliche Wirtschaftskriminelle eine rekordverdächtige Marke: Ex-Vontobel-Chef Oskar Holenweger etwa durfte nach sieben langen Wochen das harte Schweizer U-Haft-Regime verlassen – schwer gezeichnet. Bereits zu Ostern schrieb ich an dieser Stelle: Free Pierin! Jetzt naht Pfingsten, doch dem geschundenen Häftling wird noch immer keine Gnade zu teil. Wann zeigt der heilige Geist Erbarmen?
 
Vor allem: Auch aus Sicht der Staatsanwaltschaft ist eine so lange Untersuchungshaft taktisch höchst gefährlich. Denn mit jedem weiteren Tag legt sie die Latte höher – und schürt Skepsis: Warum lässt sie die Verdächtigen nicht laufen, wenn sie einen wasserdichten Fall hat? Sucht sie verzweifelt nach neuem belastendem Material?

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Strafrechtlich kaum relevant

Geldflüsse aus Liechtenstein, angebliche Beteiligungen früherer Helvetia-Manager, Auffälligkeiten bei Asset-Management-Transaktionen – was da in den letzten Wochen heraussickerte, wirkt doch ziemlich dünn. Jetzt wird schon als potentiell kriminell gedeutet, dass Vincenz seinem Buddy Stocker Beratungsaufträge zuschanzte. Strafrechtlich relevant ist das alles nicht.
 
Und selbst wenn Vincenz und Stocker für ihre Bereicherungsgeschäfte schuldig gesprochen werden – mehr als eine bedingte Gefängnisstrafe dürfte ohnehin nicht herauskommen. Vincenz ist kein Schwerverbrecher, Fluchtgefahr besteht nicht, seine Gelder sind längst eingefroren. Es reicht. Lasst ihn raus. Aber auf jeden Fall: Happy Birthday!

BILANZ Briefing abonnieren
Abonnieren Sie kostenlos das wöchentliche BILANZ-Briefing von Chefredaktor Dirk Schütz und erhalten Sie spannende Einblicke in die Wirtschaftswelt aus einer speziellen Insiderperspektive.
BILANZ Briefing abonnieren